Nachdenklich lehnte Jane mit verschränkten Armen im Türrahmen und beobachtete wie Raven ihrer Schwester zwei kleine weiße Tabletten reichte. »Die sollten für eine Woche reichen«, erklärte sie Florence und stellte die Dose neben ihr Bett. Florence brachte nur ein schwaches Nicken zustande, ehe sie erschöpft in das Kissen zurück sank.
Ihr blasses Gesicht war von tiefen Schatten gezeichnet und trug einen steinernen, angestrengten Ausdruck. Ihr offenen dunkelbraunen Haare standen in alle Seiten ab und waren stellenweise mit eingetrocknetem Blut verfilzt. Raven begann indessen ihren Puls zu messen. Jane wagte es nicht ihr während dieser konzertierten Prozedur in die Augen zu sehen, immerhin wusste sie, als Tochter eines Arztes, wie schlecht es um ihre Schwester durch den hohen Blutverlust stand.
Von einer erdrückenden Traurigkeit gepackt, wandte sie Jane zum Gehen. Ziellos wanderte sie durch die leeren, verwüsteten Gänge des Parlaments. Die dunkle Holzvertäfelung aus Teakholz hatte schon lange ihren eleganten Glanz verloren und diente nur noch als wertloses Feuerholz in den langen, rauen englischen Wintern. Ihr müder Blick schweifte teilnahmslos umher, als wäre sie auf der Suche nach etwas oder jemanden. Die Türen zu den ehemaligen Büros und Sälen standen offen, so das ein wenig Licht durch die Fenster in das dunkle Innere drang.
Blasse, orangene Streifen aus Sonnenlicht lagen auf dem staubigen Boden und wiesen Jane den unbekannten Weg. Ihr zielloses Streben endete in dem dämmrigen Zimmer im ersten Stock zur Themse hinaus, dessen abblätterndes Schild an der Tür es als »The Robing Room« auswies. Die Abendsonne war nur mehr als dünner Streifen am Horizont zu erkenne, so das sich tiefe, lange Schatten in dem Raum ausbreiteten. Jane spürte plötzlich eine ungewöhnliche Kälte im Nacken. Langsam wandte sie sich um. Außer dem Schweigen des alten Gebäudes konnte sie kein Geräusch vernehmen.
Skeptisch schloss Jane hinter sich die Tür. Doch die gefährliche Stille konnte selbst die Tür nicht aussperren.Verloren stand sie in dem großen Raum. Erst jetzt schien ihr bewusst zu werden, dass sie völlig benommen durch das halbe Parlament gewandert war. Eine leichte Beute für Adam oder einem Untoten, der sich durch die zerbrochenen Fensterscheiben im Westflügel Zugang verschafft hatte. »Du hast also mein Lieblingsversteck gefunden«, Adams Stimme klang mehr als belustigt über diese einfache Tatsache.
Jane ballte die Hände zu Fäusten und spürte wie selbst die letzte Benommenheit von ihr abfiel »Verschwinde, Adam«, forderte sie drohend. Dieser jedoch trat ihr gegenüber und fuhr unbeirrt über ihre Worte fort »Weißt du eigentlich wie viele Räume das Britische Parlament hat?«, fragte er, nur um ein paar Sekunden später selbst seine Frage zu beantworten »Über Tausend«. Adam trat nun gefährlich nahe an Jane heran
»Da frage ich mich, wie sehr das Schicksal es wollte, dass du ausgerechnet hier bei mir landest«. Jane zwang sich ein abschätziges Lächeln auf »Du bist mir gefolgt Adam«, konterte sie schließlich. Sie deutete auf seine Schuhe hinunter »Ich habe mehr Staub auf den Schuhen als du«. Adam wirkte verwirrt »Was hat das denn bitte mit dem zu tun?«. Jane wandte sich mit den Schultern zuckend um »Jetzt hast du endlich etwas, über das du dir deinen kleinen, hohlen Kopf zerbrechen kannst, Adam«, erklärte sie höhnisch.
Doch dieser packte sie im nächsten Moment an den Schultern und riss sie von der Tür zurück. »Du wirst nirgendwo hingehen, Jane«, knurrte er in ihr rechtes Ohr und drückte sie grob gegen die Wand »Dieses Mal nehme ich mir, was ich will«.
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The Crimson Prince
VampireDie Menschheit unterwarf sich der Dunkelheit. Einer schier endlosen Dunkelheit die sich zuerst über England und dann über die ganzen westliche Welt legte. In den verwilderten Gassen des verwüsteten Londons des Jahres 2079 lebt Jane mit ihrer älter...