1. Vergiftet

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Mein ganzer Körper schmerzte so stark, dass es mich beinahe um den Verstand brachte. Aber es hieß, dass ich lebte, dass ich den gestrigen Angriff überlebt hatte, und nicht diesen hab gierigen Monstern zum Opfer gefallen war.

Meine Mum hatte mir immer eingetrichtert, ich solle nachts nicht auf die Straßen gehen. Sie hatte mich jeden Tag aufs Neue gewarnt, wie gefährlich die Außenwelt für mich sei. Und, dass ich alles tun sollte, um die Ghazul, die Nachtwanderer, in dieser Stadt zu meiden. Doch ich war so töricht gewesen und hatte mich von meinem Verlangen, von meinem kindischen, mysteriösen Hang zur Dunkelheit blenden lassen und mich abends auf die Straßen gewagt, anstatt bei Amy zu übernachten, die es mir sogar dreimal angeboten hatte.

Obwohl sich meine Augenlider so schwer anfühlten wie Blei, brachte ich jegliche mir in diesem Moment zur Verfügung stehende Kraft auf, um sie zu öffnen.

Die Decke über mir war hoch, mindestens doppelt so hoch wie eine normale Decke und grau, unglaublich deprimierend grau. Auch das Bett war unnatürlich groß und beinhaltete einen Berg aus lauter unterschiedlich großen Decken und Kissen und war auf eine unübersichtliche Art ordentlich, aber auch überaus gemütlich. Doch all das, war nicht mein Zimmer, nicht der Ort, den ich für diese Woche mein zu Hause nennen durfte. Er glich generell keinem einzigen Ort, an dem ich schon gewesen war.

Panik stieg in mir hoch. Ich musste hier weg, bevor mich noch jemand sah, wenn jemand heraus fand, dass ich ein Drache war, würden sie mir das Herz heraus schneiden und mein Blut trinken. Mit wilden Blicken schaute ich mich um. Der einzige Weg ins Freie war eine gläserne Tür, die lediglich auf einen Balkon führte, aber das würde fürs erste reichen. Hauptsache weg von hier!

Ich schob mich aus dem Bett und bemerkte, dann erst, dass sämtliche meiner Körperteile verbunden waren. An manchen Stellen zeichneten sich schwach schwarze Punkte ab. Das Blut eines Drachen. Das hieß, mein Zauber wirkte nicht mehr, denn normalerweise war mein Blut für alle anderen Wesen dieser Welt, abgesehen von anderen Drachen, rot, aber nur solange der Zauber wirken konnte. Ich hoffte nur, dass es noch niemand gesehen hatte.

Mein Körper fühlte sich eigentlich viel zu schwach an, dennoch war ich fest entschlossen, mich deswegen nicht vom Fliehen abhalten zu lassen. Wo auch immer ich war, es war mir eindeutig nicht geheuer und bereitete mir Angst.

Mehr schlecht als recht hievte ich mich aus dem Bett und knickte ein, da meine Beine verweigerten mein eigenes Gewicht zu tragen. Ich drückte mich an der Bettkante hoch, nur um wieder nach vorne zu fallen. Halb humpelnd, halb kriechend, bewegte ich mich zum Ausgang, während mein Herz in meiner Brust hämmerte, als würde es meinen Körper verlassen wollen. Angst zernagte mich innerlich.

Alles schien mir verlangsamt, als würde die Welt gleich stehen bleiben. Mit zittrigen Fingern schob ich den Riegel der Balkontür auf und wollte gerade über die Schwelle krabbeln, als ich plötzlich Schritte vernahm.

Mist!

Die Panik wuchs nur noch mehr und ich hatte extreme Angst, diesen Tag nicht mehr zu überleben. Ich biss mir auf die Lippe, um mich irgendwie beruhigen zu können, da meine zitternden Finger für nichts mehr zu gebrauchen waren.

Was nun?

Hastig stolperte ich nach draußen und wollte hinter mir gerade die Tür schließen, als etwas Schwarzes auf mich zu schoss.

Ich schrie und wurde von einer weichen, schweren Masse zu Boden gedrückt. Mit weit auf gerissenen Augen und pochendem Hinterkopf starrte ich das Etwas an, was mich auf die harten Betonplatten presste. Es war ein großer schwarzer Panther mit grell blauen Augen, der mich eisern fixierte und offensichtlich nicht bereit war, mich wieder gehen zu lassen. Sein Blick war kalt und wild, irgendwie ungezähmt und löste bei mir für einen kurzen Augenblick eine Art Faszination aus.

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