Kapitel 1

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20. Oktober
Ich ertrage es nicht mehr. Irgendwie scheint es so, als würde alles in sich zusammenbrechen. Ich versuche dir zu helfen, doch der Strudel der dich gefangen nimmt, droht auch mich zu verschlucken. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Von Tag zu Tag scheint es dir schlechter zu gehen und dann gibt es Tage, an denen du richtig glücklich erscheinst, obwohl du mir schon gesagt hast, dass du kein Glück mehr empfindest. Und manchmal verletzt du mich mit deiner Art, von der ich mich frage, ob sie zu dir gehört oder nur ein Teil vom großen Ganzen ist, das dich so kaputt macht.

Was ist das für ein Gefühl nichts mehr zu fühlen? Wiederum das wäre ein Gefühl. Wäre es dann falsch zu behaupten man empfinde keine Gefühle mehr?

Ich liege die Nächte wach und habe Angst um dich, Angst um mich weil ich denke, dass es meine Schuld wäre, wenn dir etwas passieren würde. Und dieses Gefühl, dir meine Gefühle nicht mitteilen zu können, weil es deine Gefühle verletzten könnte, macht mich fertig.

Sollten Freunde sich nicht alles sagen können? Ich versprach dir immer ehrlich zu sein. Wäre ich dann unehrlich dir gegenüber?

Und irgendwie ist es ein Gefühl, das einen innerlich zu zerreißen droht.

Man möchte nicht der Grund sein, dass jemand lebt. Denn wenn man dieser Grund ist... liegt dann nicht ein wahnsinniger Druck auf dir?

Zum einen stark sein, weil du es nicht sein kannst, obwohl du es doch bist. Und zum anderen schwach sein, nachts wach liegen und denken warum das alles geschieht.

Es entstehen Gedanken, die man eigentlich nicht denken möchte, weil man immer ehrlich war, aber man möchte auch ehrlich zu sich selbst sein. Und wenn man das ist, dann muss man auch egoistische und schlimme Gedanken zulassen. Und das Gefühl ertragen eine einseitige Freundschaft zu führen. Und sich dann wieder einreden, dass das einfach nur falsch ist, zu denken.

Man hat das Gefühl nicht verstanden zu werden, muss aber gleichzeitig die Person sein, die den anderen versteht. Man kann nicht zu 100 Prozent sein eigenes Ich verkörpern, weil wenn ich das wäre, würde ich dich vermutlich verletzten und in deinem Zustand wäre dies unerträglich.

Es ist einfach nur falsch so zu denken, und doch tue ich es.

Ich weiß nicht, was ich mit dir verbinde. Ich weiß nur, dass da was ist. Im einem Moment ist da ein Gefühl von Unwohlsein. Auch eine Angst vor deinen Gedanken, die ich dir aber nicht zeigen kann, weil wenn ich es tun würde, du noch mehr Angst bekommen oder dich für verrückt halten würdest.

Ich bin zu einem Spiegelbild von dir selbst geworden. Nur ohne deine Narben, ohne dein Gesicht und ohne dein Gefühl einfach nichts zu fühlen. Ich bin die Person, die dir die Last abnehmen möchte und nicht verstehen möchte, dass das nicht geht. Ich bin die Person die das Wort „Vater" in deiner Nähe nicht ausspricht, weil sie denkt dieses Wort wäre eine Art Schimpfwort für dich oder ein Mittel deine Narben und Wunden wieder aufzureißen. Es ist so verdammt schwer.

Ich fühle wie ich mit dir im Treibsand versinke und die anderen finden kein Seil, um uns rauszuziehen, weil sie nicht verstehen wie es ist im Treibsand zu stehen oder weil sie ihn nicht sehen. Oder vielleicht auch, weil sie ihn nicht sehen wollen.

Es tut weh diese Gedanken aufzuschreiben, auf der einen Seite, weil ich sie habe, auf der anderen Seite, weil sie so WAHR sind!

Ich wollte dir also nur damit sagen: Ich weiß wie sich innere Unruhe, ein schlechtes Gewissen und Gedanken, die ohne deinen Willen auftauchen, anfühlen.

Ich weiß, wie man sich fühlt als würde jemand dir den Boden unter den Füßen wegziehen. Was ich aber auch weiß: Ich weiß, wie es sich anfühlt, einer Person hilflos dabei zu zusehen, wie sie unglücklich im Leben wandelt und keinen Sinn mehr sieht.

HelplessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt