Vorgeschichte

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Wir ließen sie stehen. Frau
Müller blickte uns verwirrt nach (Minderbemitteltes Früchtchen...). Ich blickte zu Lilly, welche ich eiligen Schrittes hinter mir herschleifte.

"Felie (übrigens mein gar nicht so übler Spitzname), lass mich verdammt noch mal los! Nur, weil du immer Ärger machen musst, sollst du mich da nicht immer reinziehen, das haben wir doch schon besprochen!"

Ich antwortete nicht und sah sie nur skeptisch an während ich aufs Mädchenklo flüchtete.

"Wieso musstest du Frau Müller vor der ganzen Schule so blamieren?! Also, auch wenn ich finde, dass sie die ungeeignetste Person überhaupt für den Beruf Lehrer ist, hat sie es nicht verdient, dass jemand eine Durchsage speziell zu ihren Schwächen macht und dabei unter anderem ihre Vorlieben für..."

"ICH habe nur zum Besten der Schüler gehandelt",

unterbrach ich ihren Vortrag schnell,

"da ich es ungerecht finde, dass die Schüler immer ihre Fehler und Schusseligkeiten in die Schuhe geschoben bekommen! Schon seit 17 Jahren quält sie die Schüler mit falschen Formeln!" (Mathe ist wirklich nicht Frau Müllers Stärke...)

Aber Lilly warf schnell ein:

"und seit 17 Jahren hat es keine fünfzehnjährige Schülerin gegeben, welche so dumm war, erstens:

überhaupt auf den Gedanken zu kommen, sich ins Schulbüro reinschmuggeln zu können,
zweitens:

Sich tatsächlich ins Schulbüro reinzuschmuggeln,
drittens:

extra eine Karteikarte mit den besagten Beleidigungen für Frau Müller anzufertigen UND sie vorzutragen und
viertens:

sich bei dieser verdammt dummen und gefährlichen Exkursion erwischen zu lassen!"

Ich erwiderte nichts und schaute nur schadenfreudig drein:

"Hast du ihr Gesicht gesehen?! Die Visage zerknautscht wie ein Waschlappen und die Pferdefresse zum Schmollmund verzogen! Ich hab mich fast bepisst vor Lachen. Hach, wie sehr ich diese Lehrerin hasse."

"Aber... Felie, ich kann einfach nicht verstehen, wie du nur so drauf sein kannst! Ich finde das, was du gerade eben da abgezogen hast, einfach nur traurig: für Frau Müller und im übrigen auch für dich - das Traurige?!: deine noch ungewisse Strafe beim Direktor - denn das ist wirklich nur traurig und leider auch gerecht."

Ich hörte jetzt tatsächlich Frau Müllers hohe Klagelaute, sie machte eine echte Szene daraus. Diese Folter vom Schlimmsten machte mich noch aggressiver, als ich wirklich schon war.

Ich schrie Lilly, gequetscht in eine Kabine auf dem Mädchenklo, ohne Erbarmen an... und zu meinem Erschrecken hatte sie nun doch die Wut geschüttelt und sie schrie, viel heftiger, als ich es ihrem zarten Gemüt jemals zugetraut hätte, die ihr an den Kopf geworfenen Beleidigungen tapfer zurück, doch ich kannte meine Lilly - im übrigen will sie sich nur verteidigen und entschuldigt sich danach immer überschwänglich bei mir, was für eine schlechte Freundin sie doch war. Mir ist sie ehrlich ein klitzekleines Bisschen ans Herz gewachsen. Ja, ich kannte meine Lilly - dachte ich jedenfalls.

Nachdem Lilly mir den apruten Schulwechsel im Streit aufgetischt hatte, warf ich mein kastanienbraunes Haar zurück und sagte ihr, in Zukunft könne sie hingehen, wo der Pfeffer wächst, funkelte sie ein letztes Mal mit meinen Multicolor - Augen gefährlich an (schon oft genug vorm Spiegel geübt) und stürmte raus auf den Flur. Meine Röte könnte in diesem Moment sicherlich mit der meiner Purpurroten Bluse konkurrieren. Ich lief genau in meine davorigen Zuhörer, nämlich meine Lehrer, angelockt vom ungemein lauten Zickengeschrei aus dem Mädchenklo, 1. Kabine rechts.

Der Direktor moderierte die "Talkshow" mit der Hauptperson: mir! Felicita Grace! Alle interessierten sich brennend um meinen unglaublichen (meiner Meinung auch heldenhaften) Verdienst. Alle wollten gleichzeitig Antworten von mir, aber ich gab wenigen Auskunft (denn: wenn man auf Anhieb alles verrät, wirkt man nicht mehr geheimnisvoll). Hach, ich liebte es, im Mittelpunkt zu stehen. Ich merkte, das hier war genau mein Ding. Solche Streiche, wie eben "Operation-Müller-Abschaffung-Durch-Blamage" sollte ich unbedingt öfter machen. Oder den ganzen Spaß nochmal wiederholen.

Gerade, als ich zum allerspannendsten Teil meiner Geschichte mit der Tausendfüßlerfamilie im Klo, woraufhin eine Lehrerin ohnmächtig wurde (Okay, ich liebe es , bei Geschichten manchmal etwas zu übertreiben...), kam jedoch die Größte aller Spielverderberinnen: meine Mutter. Jemand muss sie gerufen haben. Sie zerrte einige Lehrer am Schlips oder aber an den Haaren weg vom Haufen meiner Fans (nur so zur Beruhigung : ich bin eben ein sehr fantasievolles Mädchen, ich habe sogar einige Preise speziell zu meiner ausgeprägten Fantasie bekommen). Meine Mutter schrie irgendwas von ihrem Anwalt und kämpfte sich zu mir durch.

"*schnauf* Wir *schnauf* werden jetzt sofort *schnauf, husthust * zu einem *hustschnauf* Arzt fahren. Vielleicht hast du dir in diesem unverschämten Verhör irgendwelche Prellungen zugezogen...",

sie holte ihren Fächer aus Elfenbein heraus und wedelte damit so heftig vor ihrem Gesicht rum, dass ich dachte, ihr Handgelenk hätte diverse Zuckungen,

"oder vielleicht hast du dir ja auch eine Gehirnerschütterung zugezogen! Ja, ganz sicher hast du das! " (Ich gebe zu, meine Mutter ist so dumm wie Knäckebrot)

"Bei diesen Raudis hier ist das ja auch kein Wunder. Und dann das, obwohl mein Baby nicht mal einer Mücke was zuleide tun könnte!",

setzte sie ihren Vortrag fort,

"geschweige denn eine Lehrerin öffentlich zu beleidigen - das könnte ich mir nie vorstellen! Und ich kenne meine Tochter von uns allen hier natürlich am Besten!" (Jaja, so ist das mit dem Vertrauen... ich weise dezent auf Lillys gedachtes Vertrauen zu mir hin)

Ich fing an zu weinen. Das könnte man sich als Diva in der Öffentlichkeit schon mal leisten. Ich weinte aber nicht nur, da es gerade so gut zur aufgewühlten Stimmung passte, sondern auch wegen Lilly. Meine um ehrlich zu sein Beste Freundin, welche mir stets meine "rosa Brille" vor die Nase hielt. Das dachte ich jedenfalls.

Das Leben ist rosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt