Die Mail die alles verändert

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"Pling Pling." Tim schaute verwirrt auf sein Handy. Das war eine Mail an die Adresse die nur seine engsten Freunde kannten. Und von denen schrieb eigentlich keiner eine Mail an ihn.

Mein geliebter Tim,

Wenn du diese Mail liest bin ich vermutlich (hoffentlich) schon tot.
Tim, ich habe wirklich lange überlegt wie ich es dir sagen soll aber ich kann nicht mehr. Wir kennen uns seit 7 Jahren und seit dem ich dich das erste Mal gesehen habe bin ich verliebt in dich... Ach was ich LIEBE dich.
Jeder unserer Küsse hat mir so viel bedeutet. Es waren die schönsten Küsse meines Lebens.
Ich weiß dass niemand damit gerechnet hätte aber diese Todesgedanken hatte ich schon länger. Ich bin nicht so stabil wie ich immer tue. Der große Lukas Sommer, der immer ein offenes Ohr für alle hat. Ich kann einfach nicht mehr.
Tim, vermutlich fragst du dich warum ich es dir nicht gesagt habe. Ich konnte es einfach nicht. Du hast mir immer neue Frauen vorgestellt und in letzter Zeit warst du so glücklich mit Franziska. Und ich wollte unsere Freundschaft nicht zerstören.
Unsere gemeinsame Nacht damals in Bremen war wundervoll und ich denke immer noch daran. Wir waren uns damals so nahe aber du hast nie wieder darüber geredet und ich hatte Angst davor dich darauf anzusprechen. Mein geliebter Tim. Bitte trauer nicht zu lange um mich. Ich will nur das du glücklich bist. Auch ohne mich. Werde glücklich mit Franziska und mach noch ganz viele kleine Timis mit ihr... Unter anderen Umständen würde ich wirklich gerne der Pate von deinem Kleinen werden. Du weißt wie ich Kinder liebe. Aber nicht so, ich würde in ihm für immer nur dich sehen und das was ich mit dir nicht haben kann. Ich werde für immer an deiner Seite sein und dich von oben oder wo auch immer ich jetzt bin beobachten und auf dich aufpassen.

Pass auf dich auf Tim und mach keine Scheiße. Ich liebe dich über alles.

In Liebe, Lukas

Ps. Er erinnerst du dich noch an diese wunderschöne Allee da in Brandenburg, wo wir uns das erste Mal geküsst haben? Ich glaube das ist ein guter Ort zum Sterben.

"BENNI!! Komm sofort her!" Tim sprang auf und lief zu Bennis Schlafzimmer. "Benni. Verdammt. Es geht um Lukas." verzweifelt klopfte er an die Tür. Er hatte heute schon zu viel gekifft, er konnte eindeutig nicht mehr fahren und er brauchte Benni falls es doch noch nicht zu spät war.

Benni riss die Tür auf. In der Hand hielt er ebenfalls sein Handy. "Hast du auch eine Nachricht von ihm bekommen? Scheiße wir müssen zu ihm nach Hause. Ich hoffe es ist noch nicht zu spät. Wieso haben wir denn nichts gemerkt?"
Benni schlüpfte in seine Schuhe und nahm sich die Schlüssel für seinen Ferrari. Damit waren sie wohl am schnellsten unterwegs.

Etwas apathisch folgte Timi ihm aber hielt ihn kurz vor der Tür dann doch fest. "Er ist nicht bei sich zu Hause..."

Benni fuhr zu ihm herum. "Was? Woher weißt du das? Tim... Rede mit mir. Wo ist Lukas? Rede! Jede Sekunde zählt!" er packte den Älteren an seinen Schulter und schüttelte ihn leicht damit er endlich mit der Sprache raus rückte. "Timi! Wo. Ist. Lukas?"

"Eine Allee in Brandenburg. Ich zeig dir den Weg." Tim hatte kapiert dass es schnell gehen musste wenn sie Lukas finden wollten, möglichst noch lebend.

Schnell zog Benni Tim mit sich in die Tiefgarage zu seinem Wagen und fuhr los. "Timi was ist los?" er sah dass Timi etwas beschäftigte. "Es ist wegen Lukas Mail, oder? Was hat er dir geschrieben? Woher weißt du wo er ist?"

Der Ältere sah ihn mit Tränen in den Augen an. "Benni. Es ist meine Schuld! Ich hab ihn umgebracht!"
Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, die Tränen liefen einfach.

Wütend schlug Benni auf das Lenkrad ein als es sich an einer großen Kreuzung staute. "Tim nein. Egal was der Grund war du bist nicht schuld. Es ist seine eigene Entscheidung und Lukas. Ist. Nicht. Tot. Wir finden ihn lebend!" Über die Freisprechanlage seines Autos hatte Benni inzwischen Polizei und Rettungsdienst verständigt nachdem Timi ihm in etwa hatte sagen können wo die Allee war. "Wir reden später darüber. Ich muss wissen was in der Mail stand. Du musst mit jemandem darüber reden. Von mir aus auch mit Stefan oder Marcel. Aber du musst darüber reden. Ich will nicht dass du das mit dir alleine ausmachst." Er kannte Tim seit vielen Jahren und wusste von seinen psychischen Erkrankungen und dass er sich fürchterlich reinsteigern würde. Er konnte es nicht brauchen auch noch Timi zu verlieren, weil er nicht zurecht kam.

Tim starrte nur nach vorne während sie Berlin verließen. Er erkannte die Gegend wieder und erinnerte sich zurück an die Fahrt mit Lukas hierher. Es war ein schöner Hochsommer Tag gewesen und Lukas hatte ihn schon früh gezwungen mit ihm rauszugehen. Sie waren zusammen im Müggelsee baden gewesen und fuhren nun einfach so mit Lukas altem klapprigen Cabrio durch die Gegend. Irgendwann waren sie auf diese Allee gestoßen. Am Straßenrand standen überall Kirschbäume die die ersten Früchte trugen. Sie hatten das Auto am Straßenrand geparkt und waren wie Kinder durch die Kirschbäume gelaufen und hatten Kirschen gepflückt und gegessen. Irgendwann waren sie beide über eine dicke Wurzel gestolpert und Tim konnte Lukas gerade noch so auffangen bevor sie auf dem Boden aufschlugen. Irgendwie hatte es plötzlich gefunkt und Tim hatte den Jüngeren einfach geküsst als er ihn in den Armen hielt. Es war einfach passend gewesen und seitdem hatten sie sich einfach immer wieder geküsst. Lukas war sein engster Freund und die Küsse waren so vertraut.

Er hatte gewusst dass Lukas nicht hetero war. Sie alle hatten es insgeheim gewusst aber es war nie nötig gewesen darüber zu sprechen. Während die anderen weibliche Groupies abschleppten suchte Lukas sich halt einen Kerl wobei das nur sehr selten vorkam. Ob Lukas wirklich nur auf Männer stand oder auf Frauen hatte er nie hinterfragt. War ja auch egal, Lukas blieb so oder so sein engster Freund. Es war ihm auch egal dass sie sich in fast jedem Hotel oder wenn er bei Lukas übernachtete ein Bett teilten. Hätte er doch bloß erkannt was Lukas für Gefühle für ihn gehabt hatte, hätte er ihnen das alles vermutlich ersparen können.

"Tim? Scheiße. Da vorne ist sein Auto!" Benni hatte ihn angestoßen und Tim schreckte aus seinen Gedanken hoch. Und tatsächlich etwa 100 Meter vor ihnen stand Lukas' Auto, vollkommen demoliert und es drang Rauch aus dem Motorraum. Benni parkte einige Meter hinter dem BMW falls es noch anfangen sollte zu brennen wollte er sein Auto nicht auch brennen sehen.

Tim konnte kaum abwarten dass Benni den Motor aus geschaltet hatte dann riss er die Tür auf und rannte zum Wrack des Autos.
"Benni hilf mir! Wir müssen Lukas da raus holen!" Lukas hatte ganze Arbeit geleistet und sein Auto vor einen Baum gefahren. Mit dem Brecheisen das Benni immer im Auto dabei hatte - denn man wusste ja nie- hebelte Tim die verklemmte Fahrertür auf.
"Hilf mir. Wir können nicht auf den Rettungsdienst warten. Das Auto fängt jeden Moment an zu brennen."
Gemeinsam zogen sie Lukas aus seinem Auto und legten ihn einige Meter vom Auto ab.

Dann ging alles ganz schnell. Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr trafen ein und nahmen die Unfall auf. Tim und Benni wurden kurz befragt und fuhren dem Krankenwagen hinterher ins Krankenhaus.

"Timi. Wir haben Lukas jetzt gerettet. Was stand in deiner Mail? Du musst mit mir reden." Wieder starrte der Ältere nur aus dem Fenster auf den Krankenwagen der mit einem Affenzahn durch Berlin fuhr und in dem ihr engster Freund um sein Leben kämpfte. "Timi bitte. Nur so kann ich dir helfen. Ich will dich nicht auch noch verlieren." Er legte eine Hand auf Tims dünne Schulter.

Tim schaute ihn an und Tränen liefen  ihm über die Wangen. "Benni... Er... liebt mich. Bevor ich zu dir bin hab ich ihn gefragt ob er der Pate von meinem Sohn sein will. Das hat er anscheinend nicht verkraftet. Verdammt. Warum hab ich das nie bemerkt?"

Benni atmete geräuschlos aus. Es war ja nicht wirklich eine große Überraschung. Stefan hatte es schon mal ihm gegenüber angedeutet als sie beide mit Igor zusammen gesessen hatten und irgendwann auf das Thema der Freundschaft zwischen den beiden gekommen waren. Offenbar hatte Stefan tatsächlich mehr gewusst.
"Tim, hör mir zu. Auch wenn er dich liebt und sich wegen dieser Liebe versucht hat umzubringen, du bist nicht Schuld daran. Es war seine eigene Entscheidung. Lukas war schon immer ein großartiger Schauspieler und du, du weißt ich meine das nicht böse, bist nun mal nicht der empathischste Mensch. Du konntest es nicht wissen."

Sie kamen am Krankenhaus an und Benni ließ Tim schon am Eingang raus bevor er es im Parkhaus abstellte. Tim eilte zur Notaufnahme wo Lukas gerade aus dem Rettungswagen geschoben wurde. Er sah fürchterlich aus. Überall war Blut, und seine Kleidung war völlig zerrissen.
Tim liefen die Tränen ohne Unterlass über das Gesicht und er folgte den Sanitätern bis zum Schockraum wo sie ihn vor der Tür stehen ließen. "Lukas. Ich liebe dich doch auch!"

In Liebe, Lukas Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt