So viele Fragen und keine Antworten

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Seufzend betrat Tim das riesige Appartement von Benni. Das Treffen mit Franziska hatte ihn nicht wirklich weiter gebracht, eher noch mehr Fragen aufgeworfen. Gerade als er eines der Klos passierte öffnete sich die Tür und Stefan kam heraus. "Hey, Timi. Wie lief es? Habt ihr irgendwas besprochen?" fragte er den Älteren leise und legte einen Arm um ihn. Benni hatte ihnen natürlich erzählt dass er Tim zu Franziska gebracht hatte damit sie redeten.

Tim lächelte bitter und zuckte mit den Schultern. "Ich hab ihr die Wahrheit gesagt, über meine Gefühle. Aber wir haben nichts wirklich geklärt. Wir lassen alles wie bisher aber gehen erstmal auf Abstand um unsere Gefühle zu ordnen. Ich weiß es einfach nicht. Ich liebe Franziska und den Kleinen aber noch viel mehr liebe ich Lukas. Er ist der Sinn in meinem Leben, ohne ihn gäbe es mich schon längst nicht mehr."

Stefan nickte und umarmte ihn. Er wusste dass Lukas immer für den Älteren da gewesen war. Lukas hatte Tim direkt in sein Herz geschlossen und hatte ihn aus seiner tiefen Depression befreit. Zu der Zeit war Tim kurz vor dem Suizid gewesen und hatte einige Zeit in der psychiatrischen Klinik in Bielefeld verbracht. Von dort aus hatte er Lukas im Internet entdeckt. "Na komm. Wir gehen ins Wohnzimmer. Marcel und ich haben einiges in Lukas Wohnung entdeckt. Das solltest du auch hören. Lukas ist den Weg nicht nur wegen dir gegangen." Stefan führte den Älteren in Bennis Wohnzimmer wo er ihn aufs Sofa drückte. Tim sah echt schlecht aus. Er hatte tiefe dunkle Augenringe und seine Augen waren vom vielen weinen ganz rot und geschwollen, den Bielefelder schien das ganze sehr mitzunehmen, noch mehr als sie alle dachten.

Marcel legte seinen Arm um seinen besten Freund. "Timi. Wir haben in Lukas' Wohnung Beruhigungsmittel gefunden. Nicht gerade wenig. Außerdem haben wir eine Art Tagebuch gefunden. Wir wollten aber nicht dran gehen. Du bist sein engster Freund. Lies du es." Er legte seinem Freund ein kleines wunderschön eingebundenes Notizbuch in den Schoß.

Mit zitternden Fingern strich Tim über den Einband. Er kannte dieses Buch, Lukas hatte es immer bei sich gehabt und hin und wieder etwas hinein geschrieben. Er war aber davon ausgegangen dass es Songtexte waren. "Ist es okay, wenn ich das Buch erst später lese? Ich brauche jetzt erstmal ein Bier und noch einen Spliff."

Igor nickte und reichte ihm einen vorgedrehten Joint. "Du kriegst sogar was von meinem besten Zeug. Wie lief es denn bei Franzi?" fragte er und lehnte sich im Sofa vor um Timi ansehen zu können.

"Es war... Gut? Keine Ahnung. Ich hab ihr die Wahrheit gesagt. Aber mehr ist nicht passiert. Wir haben theoretisch eine Art Beziehungspause eingelegt, wenn man das so nennen kann. Damit wir, vor allem ich unsere Gefühle ordnen können." Er zündete sich den Joint an und nahm einen Schluck von dem Bier welches Benni ihm hingestellt hatte. "Also du hattest Recht, ich werde die beiden nicht verlieren auch wenn ich mich für Lukas entscheiden sollte. Aber ich weiß nicht wie Lukas darüber denken würde. Würde er mich mit meinem Sohn und dessen Mutter teilen? Ich hab Angst dass er damit nicht klar kommen würde."

Benni nickte nachdenklich. Natürlich war das möglich. Gerade weil Lukas mit dem Älteren niemals eigene Kinder haben könnte, da er niemals mit einer Frau schlafen würde. Marcel und Stefan hatten in seiner Wohnung nämlich auch noch einen Brief gefunden den er an seine Fans hatte schicken wollen. Darin outete er sich tatsächlich als schwul. Es war keine Überraschung für ihn gewesen, hatte er sich doch immer zurück gehalten wenn sie anderen Groupies abgeschleppt und hinterher darüber geprahlt hatten. "Natürlich müssen wir das bedenken, aber du kennst doch Lukas am besten. Er würde dir niemals deine Familie vorenthalten, er weiß doch wie wichtig dir Familie ist. Aber als allererstes muss Lukas wieder aufwachen, was noch dauern kann. Timi, lass das alles auf dich zukommen. Euer Kleiner soll wann auf die Welt kommen? In zwei Wochen? Wer weiß was sich bis dahin getan hat."

Tim nickte seufzend. "Mal was anderes. Was hat Lukas denn euch geschrieben? Bisher hab nur ich erzählt was er mir geschrieben hat. Ich muss das einfach wissen."
Erschöpft rieb Tim sich über die Schläfen.

Benni meldete sich als erstes zu Wort. "Also mir hat er nur geschrieben dass er nicht mehr kann und sein Leben beenden will. Hat mir aber auch geschrieben dass ich aufpassen soll dass du nicht an irgendwelche Drogen kommst und dir den goldenen Schuss setzt. Ich hätte merken müssen dass Lukas Stress hatte. Er hat sich so zurückgezogen." Benni exte ein Bier. Lukas Suizidversuch setzte ihm mehr zu als er es vor den anderen zeigte. Gerade für Timi musste er stark sein. Er wusste wie labil der Ältere werden konnte.

Als nächstes fing Stefan an zu erzählen. "Also mir hat Lukas vor allem für unsere Freundschaft gedankt und... Dass er mir alles erzählen konnte. Timi... Ich wusste von euch. Ich wusste von eurem Sex und davon wie sehr Lukas dich liebt. Das hat er mir vor langer Zeit schon anvertraut. Ich habe aber versprochen es für mich zu behalten. Er hat sich nur vor mir wirklich geoutet. Ich habe ihm auch damals schon gesagt dass er entweder auf Abstand zu dir gehen soll oder dir die Wahrheit sagen. Hat er nicht gemacht. Dafür hat er sich in seiner Mail an mich entschuldigt und auch mir gesagt dass ich mich besonders um dich kümmern soll dass du keine scheiße baust. Tim, Lukas liebt dich wirklich über alles. Er wird mit dir ohne Zweifel zusammen sein wollen wenn er wieder aufwacht. Er wollte mit dir alt werden wenn er sich getraut hätte es dir zu sagen. Und das will er auch immer noch, da bin ich mir sicher." Er legte eine Hand auf Tims Schulter und strich drüber. Er hatte Timi und Lukas in den letzten Jahren immer wieder zusammen beobachtet und es war eigentlich ein Wunder, dass die beiden es einfach nicht geschnallt hatten. Mit Benni und Igor zusammen hatte er immer Späße gemacht und die beiden aufgezogen wenn sie mal wieder nicht mit feiern waren und lieber die Zeit zusammen im Hotelzimmer verbrachten. Stefan hatte immer die Hoffnung gehabt, dass Lukas nun endlich Klartext reden würde und Timi die Wahrheit sagte.

Tim lächelte traurig. Es war ja schön dass ihm jeder sagte dass alles gut werden würde. Aber er musste das erstmal selbst glauben. Die Angst dass Lukas nie wieder aufwachen würde war immer präsent. Und dann war er wirklich derjenige der an seinem Tod schuld war, denn er hatte die Patientenverfügung und Lukas wollte nicht künstlich am Leben gehalten werden. "Benni?" er schaute seinen Freund flehend an. "Hast du noch was von deinem Zeug? Ich brauch das jetzt einfach. Bitte!"

Die anderen schauten sich skeptisch an. Es war eigentlich keine gute Idee Tim jetzt an Drogen zu lassen aber andererseits wussten sie auch wie abhängig er nun einmal war. Besser sie waren dabei und hatten ein Auge auf ihn als wenn Tim sich den Stoff sonst wo besorgte und hinter der nächsten Straßenecke verreckte. Benni war schließlich derjenige der nickte. "Du weißt ja wo alles ist." Er deutete auf die Schublade in der er seine Drogen sammelte.

Mit zitternden Beinen stand Tim auf und ging zur Kommode. Aus der Schublade holte er sich ein relativ großes Tütchen mit Kokain und ein Ziehröhrchen. Geübt legte er sich eine lange Line und zog sie mit einem Mal weg. Tim legte den Kopf in den Nacken und genoss die Wirkung des Kokains. Endlich war sein Kopf frei und die Stimmen die ihm sagten dass er Lukas am besten folgen sollte verstummten endlich mal. Das war so schön, er wollte mehr davon. Er griff erneut nach dem Tütchen doch eine Hand legte sich um seine und nahm ihm das Kokain weg. "Nein Tim, das reicht. Sonst kannst du dich gleich neben Lukas legen. Du hattest gerade schon genug." Marcel war besorgt. Er ahnte, dass Tims Drogenkonsum in den nächsten Tagen wieder rasant steigen könnte. Wie jedes Mal wenn er viel Stress hatte und dieses Mal konnte er nicht mal von Lukas abgelenkt werden.

"Marcel. Ich bin kein Kind mehr!" Tim war aufgebracht und hatte seine Fäuste geballt. Es machte ihn rasend dass alle so taten als käme er alleine nicht mehr klar.

"Timi Dicker, komm runter. Nein du bist kein Kind mehr. Aber du hast bald eins. Und das brauch dich noch, genau wie Lukas. Wir sind für dich da wenn du uns lässt. Du weißt aber auch selbst, dass es böse enden kann. Timi, du warst schon so lange auf einem guten Weg in ein geregeltes Leben. Mach dir das nicht wieder kaputt. Ich bezweifle, dass du dieses Mal wieder so schnell aus Bethel rauskommen würdest." Igor war aufgestanden und hatte sich vor Timi gehockt. "Tim, bitte. Es wird alles gut. Lukas wacht wieder auf und ihr werdet glücklich miteinander und mit dem Kleinen. Aber du musst stark bleiben, für euch. Am besten gehst du gleich ins Bett. Morgen fahren wir dann auch alle zusammen ins Krankenhaus. Du musst da nicht alleine durch."

In Liebe, Lukas Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt