Ich kann nicht mehr

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"Lukas, würdest du der Pate von meinem Sohn sein? Ich kann mir keinen besseren vorstellen als du."
Immer und immer wieder tönten Tims Worte durch seine Gedanken, wie ein Lied auf Repeat.
Pate. Guter Witz. Vermutlich wusste Tim wirklich nicht was er ihm damit antat. Er konnte es einfach nicht, er würde in dem Kleinen immer nur sehen was er nicht haben konnte, das wollte er dem Kind nicht antun, es konnte ja nichts dafür.

Schon immer hatte Tim und ihn eine tiefe Freundschaft verbunden. Doch Lukas hatte immer mehr gewollt. Seit der Ältere ihn zum ersten Mal am Bahnhof in Bielefeld abgeholt hatte war er unsterblich in ihn verliebt. Im Laufe der Jahre war die Liebe nur gewachsen, er wusste so genau wie Tim war, aber er konnte jede einzelne Macke von ihm akzeptieren, denn sie machten ihn zu seinem Tim.
Tim und er küssten sich zwar seit Jahren bei jeder Gelegenheit. Ob zur Begrüßung oder zum Abschied aber mehr als eine einzige Nacht auf einer Tour mit Blindspot hatte es zwischen ihnen nie gegeben.

Setz dem ganzen jetzt endlich ein Ende. Da war sie wieder, diese penetrante Stimme. Seit Wochen hörte er sie immer wieder. Seit Tim ihm aufgeregt erzählt hatte dass er Vater werden würde. Es war eigentlich nicht mal eine Überraschung gewesen, Tim hatte Lukas immer wieder erzählt wie gerne er eine Familie hätte und seit einiger Zeit war Tim mit Franziska zusammen die er über Benni kennengelernt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen bis sie schwanger wurde. Mach es endlich. Wer wird dich schon vermissen? Ohne dich kann Timi vollkommen glücklich sein. Er wird dich vergessen. Du bist ihm nicht wichtig. Er wird dich nie lieben." damit hatte seine innere Stimme vermutlich sogar recht.
Tim würde eine Familie gründen und hätte ihn vermutlich bald schon vergessen. Er wusste ja nichts von Lukas' Innenleben, auch wenn sie sich schon so lange kannten hatte Timi es noch immer nicht gelernt ihn zu lesen.

Lukas lächelte bitter. Es war vermutlich doch nicht die tolle Freundschaft die er mit Timi hatte die sie immer nach außen gaben. Der einzige der von seinen Gefühlen für Tim wusste war Stefan, ihm hatte er sich schon vor Jahren anvertraut. Eines Abends hatte er deutlich zu viel Wein getrunken und hatte dem Polen sein Leid geklagt. Stefan war ungewöhnlich einfühlsam gewesen und hatte ihm geraten etwas auf Abstand zu Tim zu gehen. Doch das konnte er einfach nicht, Tim war schließlich sein engster Freund.

Sein Blick fiel auf ein Tütchen mit weißem Inhalt. Koks, er hatte es Tim vor ein paar Tagen abgenommen da er nicht wollte dass er sich mit Benni wieder in irgendwelche Sphären schoss. Natürlich war es sinnlos, denn wenn Benni eines hätte dann war es genügend Koks um damit den kompletten Vorstand der Deutschen Bank zu versorgen. Aber Lukas tat es auch für sein Gewissen und für sich selbst. Benni hatte vor allem saubereres Koks als Timi es von seinem Stammdealer bekam.
Nimm das Zeug. Er wird eh nicht gemerkt haben dass du es ihm weggenommen hast. Vielleicht kriegst du es dann endlich hin es zu beenden. Du Nichtsnutz!" Lukas presste sich die Hände auf die Ohren, als würde das etwas gegen die Stimme ausrichten.
Aber vermutlich hatte die Stimme wieder recht.

Er schnappte sich sein Netbook und rief Word auf. Dort hatte er schon länger einige Mails vorbereitet. Die längsten und emotionalsten gingen natürlich an Tim und an seine Eltern. Vermutlich war es unfair Tim gegenüber, er verabschiedete sich aus dem Leben und gab ihm auch noch indirekt die Schuld dafür. Wieso er das tat wusste er nicht, wahrscheinlich wollte er Tim den Schmerz zufügen den er ihm die ganzen Jahre angetan hatte. Es war wahnsinnig, Timi würde damit nicht klar kommen, sondern sich vermutlich selbst etwas antun. Aber er konnte nicht mehr, er konnte nicht wieder Rücksicht auf Tim nehmen wie er es immer getan hatte. So oft hatte er sich wegen Tims Krankheiten die Nächte um die Ohren geschlagen, hatte neben ihm wachgelegen und sich seine düstersten Gedanken angehört und ihn in den Schlaf gewiegt. Hatte darauf geachtet dass Tim sich nicht mit diversen Drogen umbrachte. Jetzt mussten andere dafür sorgen, er hatte doch Franziska.

Wieder fiel sein Blick auf das Tütchen Koks, er streckte die Hand danach aus und nahm es an sich. Gedankenverloren schwenkte er es hin und her, dann seufzte er und schüttete das weiße Pulver auf seinen Glastisch, schob es zu mehreren Lines zusammen und zog einen 10 Euro Schein aus der Hosentasche. Benni würde ihn auslachen. Koks mit 10 Euro ziehen, das konnte man als Millionär doch nicht machen. Lukas setzte an und zog die ersten Lines in einem Mal weg. Sein Herz raste und die Gedanken verstummten, diese Penetrante Stimme hielt endlich mal die Fresse. In seinem Kopf war nur noch ein einziger Gedanke, Sein Tod.
Er plante die Mails an Tim, seine Eltern und an seine engsten Freunde. Eine Stunde Vorlauf sollte hoffentlich reichen. Dann war er endlich frei. Er wusste jetzt auch endlich wie er es machen würde. Eine alte Allee außerhalb von Berlin, relativ wenig befahren. Ein perfekter Platz für seinen Tod und die Stelle kannte nur Tim, daher würde es dauern bis man ihn finden würde.

Seufzend setzte er erneut den 10 Euro Schein an und zog die restlichen Lines. Das Koks brachte ihn voran, wieso war er vorher noch nicht auf diese Idee gekommen? Er hätte sich so viel Zeit sparen können.
Er rief noch einmal die Nachricht an Tim auf und veränderte sie ein wenig, ein kleiner Hinweis auf diese Allee musste sein. Ein kleiner Hoffnungsschimmer dass Tim es verstehen würde.
Tim wird es nicht verstehen. Vergiss es. Du wirst elendig und alleine da verrecken.

Lukas schüttelte nur traurig seinen Kopf und stand auf. Seine Wohnung würde er vermissen, er hatte sie sich so schön eingerichtet, und so viel Zeit hatte er hier mit Timi verbracht, hatte ihn heimlich angeschmachtet und ihn beim Schlafen beobachtet wenn sie sich mal wieder sein Bett geteilt hatten.

Hätte er damals auf der Party nur niemals Franziska kennengelernt hätte Lukas es ihm inzwischen bestimmt gesagt. Es war ja fast so weit gewesen, als Tim irgendwann aufgeregt vor seiner Tür stand und ihm was tolles sagen wollte. Eigentlich hatte Lukas ihm an dem Tag sagen wollen dass er sich in ihn verliebt hatte und hatte für einen kurzen Moment die Hoffnung dass Timi ihm das gleiche sagen wollte.
Doch dann kam Tim rein und erzählte ihm dass er jetzt mit Franziska zusammen war und sich für sie sogar vorstellen könnte nach Berlin zu ziehen. Das hatte gesessen, Lukas hatte ihn nur kurz beglückwünscht und sich dann mit einer Ausrede dass er gerade mitten in einem neuen Song steckte verabschiedet. Als Tim weg war hatte er sich nur weinend in sein Studio gesetzt. Er konnte nicht mehr.

Lukas riss sich von seinen Gedanken los. Es war vorbei. In einer Stunde wäre sein Leben endlich vorbei. Nichts konnte ihn mehr aufhalten. Er schnappte sich seinen Autoschlüssel. Wofür hatte er sonst ein so übertriebenes Auto, wo er doch sonst immer mit dem Fahrrad fuhr oder mit den Öffentlichen.

Ein letzter Blick in seine Wohnung und er verließ sie ein letztes Mal für immer.

Ja hoppla. Da war ich doch mal ein bisschen schneller als sonst beim Schreiben des ersten Kapitels. Mit "Ich hol dich da raus" geht es aber auch bald weiter

In Liebe, Lukas Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt