Beifahrt

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Autobahn. Sie fährt, ich fahre ... bei, eine Konstellation, die beinahe Seltenheitswert besitzt, weil ich der Gernfahrer von uns beiden bin, was mich normalerweise hinters Lenkrad expediert. Doch immerhin passiert es, gelegentlich - und ist nicht unproblematisch für sie und mich.

Autobahn. Vor uns ein Wagen, der scheint, statt gefahren, getragen zu werden, von seinem Piloten. Wir kommen näher ... von hinten. Schon droht Bumperkontakt, sollte der plötzlich bremsen. Ich versuche Gelassenheit zu finden, noch fehlt ja ein Stück ... chen zum finalen Kontakt. - Das find ich bei anderen Fahrern beknackt und bin nicht beglückt, dass sie, meine Frau, genauso "drückt". Drum öffne ich schließlich den Mund und tu ihr mit Unschuldsmiene kund: "Ok, ich hab nun gesehen, dass der Kofferraum leer ist. Du kannst nun auf Sicherheitsabstand gehen - oder vorbei fahren, falls Dir grade so wäre."

Ihr wäre gerade so, sie zieht nach links und blinkt danach. Es hupt hinter uns. Ich staune: "Ach. Jetzt weiß ich, was ich immer falsch gemacht habe. Man fährt zuerst und blinkt erst dann, nach dem Überholen, irgendwann. Das muss man einem doch sagen! Dem hinter uns war das scheinbar auch neu."

Sie beschleunigt - ein wenig - und schiebt uns gemächlich an dem vorfahrenden Schleicher vorbei. Ich dachte, es sei sinnvoll, führe man in so einem Fall etwas schneller, weil der hinten mit dem Aufblendlicht zeigt, dass er ihrer Fahrpraxis durchaus abgeneigt ist, was er dadurch unterstreicht, dass er nun seinerseits auf Hautkontakt fährt. Das find' ich verkehrt, aber kann es letztendlich ein bisschen verstehen, denn auch das find ich im Alltag nicht schön, von meinen Mitmenschen praktiziert. Es wird kommentiert von mir: "Mit 110, würd das Überholen vielleicht zügiger gehen?"
Sie scheint das einzusehen und tritt aufs Gas überholt und ordnet sich ein. Nun glaube ich, es könnte erwähnenswert sein, dass 130 im vierten Gang auf Dauer nicht hilft, Benzin zu sparen. Wie sage ich's freundlich?
"Man hat vor ein paar Jahren begonnen, die Autos, die die so hatten, mit 5-Gang Getrieben auszustatten. Und manche, ich weiß, das macht Dich perplex, die haben inzwischen sogar schon sechs."

Sie schaltet und seufzt ein wenig dabei - wie auch der Motor und ich. Sie wählte ... Gang 3! Das Getriebe scheint jedenfalls ungehalten. Es jault laut auf. "Oops! - Hab mich verschalten", erklärt sie, "weil Du mich so unsicher gemacht hast.
Und nun hab ich auch noch die Ausfahrt verpasst."

Das ist problematisch, denn für eine Zeit kommt nun keine weitere Möglichkeit, die Autobahn legal zu verlassen. 'Gelassenheit!', beschwöre ich mich - innerlich und sie fragt, ob ich bei den Freunden einmal anriefe, dass es wohl später würde, mit unsrer Ankunft.

Endlich erreichen wir die Stelle und ich stelle fest, dass rechtzeitiges Blinken nicht zu meiner Holden Stärken gehört. Ich bin deswegen leicht angepisst, weil auch das zu den Dingen zu zählen ist, die mich beim Pendeln quälen, wo man sie mir häufig demonstriert. "Hast Du mal probiert, ob es geht, dass man vor dem Abbiegen blinkt?", frage ich und meine Stimmung sinkt weiter.
Auch sie wirkt nicht sehr erheitert, ob meiner Meckerei und sie antwortet, dass es bedeutungslos sei, wann sie blinke, es wäre ja - in diesem Fall hier - niemand da gewesen und außerdem hätte sie es nur diesmal vergessen. Sonst würde sie alles ganz genau so halten, wie ich. Auch könne ich gern den Rest des Wegs fahren, um ihr mein Jammern zu ersparen. Denn sie  pendelt zur Arbeit gleich mir - alltäglich. Und ihr Stil - ist sie sicher - sei durchaus erträglich.

Also halt ich den Mund - und sie fährt ab. Ich döse ein bisschen und plötzlich hab ich ... im übertragnen Sinne ... die Hosen voll. Just in dem Moment, in dem ich hoch blicke, zieht sie raus und murmelt: "Jetzt hab ich's dicke!" und vorbei geht's, an einem BMW, in ner Linkskurve, deren Ende ich nicht sehen kann.
"Wenn jetzt hier einer kommt", denke ich noch, "dann gute Nacht!" Und ich sage: "Das hatte ich nicht gemacht. Der schien doch nicht wirklich ein Schleicher ..."
"Mag sein", fällt sie ein, "aber ich war grade so schön im Schwung." - Für sie augenscheinlich genügend Begründung für den Selbstmordversuch, denn schon erscheinen Lichter, gegenüber. Man könnte meinen, das sollte sie zum Handeln bewegen, Einordnen, etwa, doch sie bleibt verwegen links, bremst den BMW aus und macht sich scheinbar gar nichts draus, dass der Lichthupt und hinter dem Steuer explodiert. Auch der Gegenverkehr interessiert sie wenig.

"Steck doch mal das Navi an!", bittet sie und ich kann noch nicht wieder sprechen, ich schnapp noch nach Luft, wegen Nahtod und so. Und so leiste ich nur schweigend dem Wunsche Folge.

"Biegen Sie rechts ab!", fordert die Stimme von maps. "Huch!", höre ich von ihr, "Abbiegen? War das wirklich schon hier? Ich fahr noch schnell über die Kreuzung drüber, denn in die Rechtsspur komm ich nicht rüber." Die Ampel grünt und sie startet mit Schwung, ignoriert des Navis Ankündigung, sie müsse wenden, der Straßenzug, den sie befährt, würde enden, in 300, 200 Metern und dann, würd es schwierig, weil man da nicht wenden kann.

Das stimmt, wie sie feststellt, als sie hält, weil ihr eine Treppe den Weg verstellt. Rückwärtsgang - und vorsichtig retour, was halbwegs klappte, wäre da nur dieser Stein nicht gewesen...

Letztendlich ist es geschafft, wir fahren zur Kreuzung zurück. Wo mit einem Blick man erkennt, warum ein Stöhnen erklingt, das sich meiner Kehle entringt, denn man darf nur nach Rechts fahren - und geradeaus. Das Navi rechnet die Korrekturroute noch aus, braucht noch etwa fünfzehn Sekunden ... Da! "Route gefunden!", lese ich. Bin aber dennoch nicht glücklich, denn die Verzögerung wegen des Umwegs liegt um 20 Minuten rum.

Inzwischen stellt sich ein Einbruch ein. Es ist die Dunkelheit, die bricht herein. Nun wird es mit dem Kaffetrinken wohl eher nichts. Ich ruf nochmal an, zwecks Lageberichts und um zu fragen, ob bittesehr, eine Übernachtung denkbar wär...

Ok, wir haben dann hin gefunden. 200 Kilometer in knapp vier Stunden, das ist aktuell unser Reiserekord, so ganz ohne Stau, darauf habt ihr mein Wort und ich ich schlag meiner Frau vor, dass ich heimwärts fahren werde. Und sie sagt: "Genau. Und ich werd tun, was Du getan hast. Jammern und Meckern, wenn Du mal nicht aufpasst oder schnell oder langsam oder überhaupt fährst...
Mal sehn, ob Du Dich dann wieder beschwerst, solltest Du - und das stellt nicht bald sich ein - irgendwann mal wieder ... Beifahrer sein."


SlamtasiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt