Familienfeier

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Auch in meiner Familie gibt es diese Tradition, dass man sich gelegentlich zu gemeinsamem Verzehr des gesamten Speisekammer- und Kühltruheninhalts zusammenzufinden habe. Eine Teilnahme steht außer Frage und so trage ich mir die entsprechenden Termine rechtzeitig in den Kalender ein. Was sein muss, muss eben sein, auch wenn ich selbst einer anderen Aktivität zugeneigter wäre, nämlich der des Verzichts.
Aber es hilft alles nichts, die Bande hat uns fest im Griff, und ich instruiere meine Gattin, welche Klippen es zu umschiffen gilt, soll die geplante Zusammenkunft nicht zur wilden Schlammschlacht degenerieren. Das Osterfest zu zelebrieren ist nichts, was ich zu den einfachen Übungen zählen würde. Die erste Hürde besteht in der Wahl der Geschenke. Mein Blutdruck steigt, wenn ich daran denke, dass wir vor Jahren schon übereingekommen waren, uns nichts mehr ...
Das fand ich damals sehr angemessen, hatte ich doch zweimal vergessen, dem Kind der einzigen Großkusine eine Gabe zu geben, man fand, es erschiene seltsam, dass ich gerade sie ...
nicht bedacht hätte, weil die Mutter des Kindes vor sieben Ewigkeiten erwähnt hat, sie könne meine Frau nicht gut leiden. - Die vorige, die Erstfrau, das sollte man wissen. Ich fand das zwar damals beschissen, in deren Beisein herzuziehn, über ihren  angeblich mangelnden Stil. Ich nannte das noch nie "zivilisiert", wenn man andersartige Dinge nicht toleriert, sich über das, was man nicht versteht, mokiert und damit das Gegenüber gedankenlos brüskiert.
Aber das war, ich sagte es schon, vor Äonen, heute wohnen wir, die Erst- und ich,  getrennt und man kennt sich kaum noch, dennoch glaubt die Bagage, ich trage der Kusine die Blamage meiner früheren ... nach. Das ist freilich Unsinn, zumal ich nur zu gern geneigt bin, allen Kindern Geschenke zu schenken. Der Haken ist einfach, ich muss daran denken.


Doch zurück zu der leidigen Schenkerei. Natürlich hat jeder "was Kleines" dabei und ist konsterniert, kriegt er selbst nichts präsentiert. Drum haben wir, also ich und Frau zwei, eine riesige Plastiktasche dabei, die von dem, was wir zu verschenken gewillt sind, fast platzt, zumindest aber überquillt. Das lässt Hoffnung aufkommen, dass wir komplett gerüstet sind, fürs Familienbankett.

Die Feier beginnt, sobald wir vollzählig sind, das heißt, aus den Fenstern am winzigen Bauernhaus hängen, in meinem Kopfkino, schon Arme und Beine heraus, denn die Wohnküche fasst die Massen kaum. Doch das allein ist nicht der vollständige Albtraum, denn es gibt einen holzbeheizten Herd ...
Nun, niemand begehrt derartige Hitze im überfüllten Raum, doch solche Gedanken kann man kaum den alten Eltern nahebringen. "Warm muss es sein, vor allen Dingen!", erklärt meine Mutter, die seltsamerweise nicht schwitzt, obwohl sie gleich neben der rotglühenden Herdplatte sitzt.
Meine Schwester hat schon reagiert und eine Lüftung organisiert, indem sie die Tür zur "Guten Stube" geöffnet hat. Das Fenster dort steht offen, man schöpft neuen Mut, bis der Vater sagt: "Zugluft tut Mutter nicht gut", und die Meere der Gäste (so zwanzig Mann) zu durchqueren sucht, was er aber nicht kann, denn das brauchte Platz, den auf zwölf Quadratmetern Küche selbst er nicht mehr hat.

Mein Bruder und Schwager, die Schwägerin auch, die drängen nach draußen, denn das Rauchen im Raume ist nicht erlaubt - und auch nicht möglich, was wohl jeder gern glaubt. Ich schließe, gemeinsam mit meinem Schatz,  mich denen an, weil man drinnen eh nicht mehr atmen kann und weil ich zwischen zwei Leuten verklemmt bin, die ungehemmt (links und rechts an mir vorbei) sich streiten, als ob niemand  sonst anwesend sei.
So eilig wie möglich drängen wir der Frischluft entgegen. Das kommt meiner Schwester sehr gelegen, denn als ich nun die Versammlung verlasse, bildet sich eine winzige Gasse, die jeder begeht, dem auch der Sinn nach Beatmung steht.

So klärt sich im Haus die Situation, denn schon nach ein paar Minuten fluten die meisten Gäste heraus. Und drinnen wird nun der Festschmaus präpariert. Die Sitzordnung wird dahingehend modifiziert, dass die "Gute Stube" nun doch mit besetzt werden muss. Dadurch ist erst einmal Schluss, mit der Drängelei und als die nach draußen Geflohenen zurückkehren, gewährt ihnen der erweiterte Raum eine kaum erwartete Freiheit.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 18, 2019 ⏰

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