Die Sonne brannte an meiner Haut. Ein Gefühl, das mir fremd geworden ist. Es war sicher schon über 10 Jahre her, dass die Sonne so ungehindert scheinen konnte. Kein dunkler Nebel weit und breit. Und auch der Geruch war angenehm.
Es stank nicht mehr so stark, nein noch besser ich roch etwas angenehmes. Es roch nach Essen. Nach warmen Essen. Noch etwas, was Jahre her ist. Wann habe ich das letzte mal gekochte Nahrung zu mir nehmen können. Ich hatte schrecklichen Hunger.
Ich drehte mich um und sah mich nach der Quelle des Geruches um. Ich sah ein Haus. Nein nicht irgendeines. Es war das Haus meine Eltern. Eine kleine, schmale Frau stand in der Tür. Ihre kurzen dunklen Haare wurden ordentlich zurückgesteckt und ihre zierliche Gestalt trug ein helles Sommerkleid. Meine Mutter. Sie winkte mir zu: „Kiara! Komm iss mit uns!", ihre freundlichen, hellen Augen sahen mich liebevoll an. Ich spürte etwas warmes meine Wange hinunter laufen und fasste mit meinen Finger an diese warme Flüssigkeit. Tränen? Ich war glücklich.
Ich sah wieder auf zu meiner Mutter und wollte gerade zu ihr laufen, da hörte ich eine verzehrte Version der Stimme meiner Mutter. „Komm Kind. Das Essen wartet nicht!", es waren ekelerregend hohe Töne und doch war es eine kratzige Stimme.
Meine Mutter war nicht mehr zu erkennen. Hinter ihr ein brennendes Haus und sie selbst hatte keine Haut mehr und viel zu viele Gliedmaße. Ich erschrak bei diesem Anblick und taumelte nach hinten. Nein! Das war keine Person mehr. Meine Umgebung wurde nicht mehr mit Sonnenstrahlen durchflutet. Es ist dunkel geworden und man konnte nur noch mit Mühe in die Ferne Sehen. Rauch und Nebel. Überall. „Nein", hörte ich mich selbst flüstern. „Nein!", nun war meine Stimme etwas lauter.
Das ist nicht wahr. Meine Mutter... Mein Zuhause! Ich sprang auf die Beine und lief so schnell ich konnte ich die entgegengesetzte Richtung. Ein Fluchtinstinkt packte mich und mein Körper zitterte vor Angst und Adrenalin. Ich rannte gegen etwas hartes und wurde wieder zu Boden geworfen. Ich sah auf. Eine hässliche Gestalt mit langen Zähnen, die wirkten die die Dornen einer Pflanze und Augenhöhlen ohne Augen. Dieses Etwas war nichts als ein Schatten und doch härter als Metall. Ein Körperteil dieses Dämons, ich identifiziere es als Arm, wurde hoch gerissen und kam mit hoher Geschwindigkeit auf mich zu. Aus Reflex hielt ich meine Arme vor mein Gesicht und schrie. Ich schrie so laut ich konnte aber niemand hörte mich. Ein Schmerz durchzuckte mich.
Meine Augen waren offen und die Szenerie war eine komplett andere. Ein weißer Raum mit Licht an der Decke. Eine Lampe? Strom? Ich musste einige Male zwinkern bis ich alles um mich herum erkennen konnte, das Licht war hell und blendete.
Es war so ungewohnt. Unter mir spürte ich etwas weiches. Eine Matratze. Und eine Decke lag über mir. Ich wusste nicht wie es um mich geschah. Als meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten konnte ich um mich herum noch einige Betten erkennen und einen Schreibtisch mit einem anliegenden Regal. Ich lebte schon seit Jahren auf Straßen und in Schuppen. Das hier war reiner Luxus. Nur wenige Orte konnten sich dies leisten und ich musste schlucken als mir bewusst wurde wo ich mich befand.
„Die heilige Burg..", ich redete mit mir selbst. Ich war alleine. Meinen Kopf senkend liefen mir wieder Tränen über das Gesicht. Ich hatte es geschafft. Ich bin gewandert und gewandert um hier her zu kommen. Ich habe so viele Menschen sterben sehen und habe nicht den Mut verloren. Ich selbst habe schreckliche Dinge getan um zu überleben und nun bin ich tatsächlich hier.
Ich verdeckte mein Gesicht mit den Händen. Obwohl niemand in der Nähe war, sollte niemand meine Tränen sehen. Meine dunklen Haare fielen nach vorne und ich fühlte mich sauber. Meine Haare waren nicht mehr verfilzt. Sie waren glatt und gebürstet. Ich selbst roch nach Seife. Sie haben mich gewaschen. Aber meinen schweren Magen fühlte ich noch. Natürlich sie konnten mir nichts zu Essen geben, während ich bewusstlos war.. Ich hörte etwas vor der Tür und schnell wischte ich meine Tränen aus dem Gesicht. Ich muss stark wirken!
Die Tür öffnete sich und der Raum wurde von drei Personen betreten. Jeder von ihnen trug ein langes, weißes Gewand mit dem Kreuz, wie der Ritter auf der Mauer eines trug. Ein großgewachsener, alter Mann, mit weißem Bart und langen Haaren fing an zu reden: „Guten Tag Fräulein. Mein Name ich Benedict. Es freut mich zu sehen, dass Sie wach sind. Wie geht es Ihnen?", den alten Mann mit den freundlichen, grauen Augen schien es wirklich zu interessieren wie ich mich fühlte.
Ich öffnete meinen Mund um ihm zu antworten, doch was ich sagte war brüchig und meine Kehle war trocken: „Danke, gut.." ich wunderte mich, dass der alte Mann mich siezte. In einer Welt wie dieser waren Formalitäten doch hinfällig. Jedenfalls war ich dieser Meinung.
Neben Benedict stand noch eine Frau, mittleren Alters, ihre eigentlich kurzen, blonden Haare wurden von grauen Strähnen benetzt und ihr Gesicht war faltig. Hinter ihr konnte ich einen Mann in Rüstung erkennen. Seine schmalen, braunen Augen musterten mich kritisch.
Die Frau gab mir ein Glas Wasser: „Hier bitte Mädchen, trink.", ich sah die Dame dankbar an und trank das Glas in wenigen Schlücken leer. Mir ist gar nicht mehr bewusst gewesen wie durstig ich war. „Wie heißt du denn? Mein Name ist Mira und der unhöfliche Junge hier ist Rupert. Er ist einer unserer besten Krieger, weißt du?", die Frau, Mira, war sehr nett.. sie erinnerte mich an meine Mutter und ich musste meinen Kopf schütteln, um den Gedanken an sie los zu werden. „Kiara.", antwortete ich kurz und angebunden. Mira sah mich mitleidig an und ich wendete den Blick von der Frau ab. Ich wollte kein Mitleid. Davon werde ich nicht leben.
Benedict räusperte sich: „Schön, Kiara. Mira würdest du dem Fräulein etwas zu essen bringen? Sie ist ja nur noch Haut und Knochen.", wand der Greis sich erst an Mira, dann wieder mir zu: „Kiara du kannst dich hier erst einmal erholen. Dein Körper hat ziemlich viel gelitten. Wir haben die Schnitte und die Verletzungen zwar versorgen und reinigen können aber durch deinen Blutverlust und deiner starken Unterernährung ist es wirklich ein Wunder, dass du noch lebst.".
Ich nickte: „Danke..". Mira und Benedict verließen den Raum, zurückblieb Rupert. Ich verzog mein Gesicht. Rupert.. Ich kannte mal einen Jungen mit dem Namen. Seine Eltern wurden durch die Dämonen-Seuche kläglich dahingerafft. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. „Was willst du hier?", ich wurde aus meinen Gedanken Gerissen und sah direkt in das Gesicht des Mannes vor mir. „Was?", verwirrt fragte ich, obwohl ich ihn akustisch verstand. Der schlaksige Mann sah mich mit verengten, strengen Augen an: „Dies ist kein Ort für schwache Menschen. Wenn du hier bleiben willst musst du vorweisen ein nützlicher Teil unserer Gesellschaft zu sein.".
Ich musste bei seinen Worten schlucken. Ein nützlicher Teil? Ich bin jahrelang gewandert und habe nur überleben wollen, nützlich zu sein hat mich nie interessiert. Ich war sicher nicht nützlich also antwortete ich ihm nicht. Er war mir unsympathisch. Ich hörte, wie Rupert mit der Zunge schnalzte: „Menschen wie du sind es nicht wert, dass man Medizin und Nahrung an sie verschwendet. Du bist nur eine Last.", er ging raus und Mira kam rein. Verdutzt sah sie Rupert hinterher und dann kam sie zu mir rüber, um mir die Schüssel mit der Reissuppe zu geben. „Egal was er gesagt hat, nimm es ihm bitte nicht übel. Er meint es nicht so.", sprach sie doch ihre Augen waren traurig. Ich fühlte mich allerdings nicht beleidigt. Ich konnte Rupert verstehen, da er Recht hatte. Ich war nichts und konnte nichts und doch werde ich hier versorgt.
Ich legte meine Hand auf Miras Schulte: „Vielen Dank.". Diese Worte waren mein vollkommener Ernst. Ich habe mich schon lange nicht so wohl gefühlt. Dann wollte ich anfangen zu Essen doch Mira stoppte mich. „Hier, im Schutz der Mauern, beten wir zu den Göttern. Wir sagen danke, dass es uns gut geht und bitten um weiteren Schutz vor dem Bösen.", erklärte sie mir, als wäre ich eine dreijährige.
Das passte mir nicht. „Wenn die Götter so mächtig sind und darauf hören, wenn wir sie um Schutz bitten, warum sind dann die Dämonen nun auf der Erde? Wir müssten nicht hungern und sterben, wenn die Götter uns nicht von Anfang an Schutz schenken würden.", meine Stimme war zornig und ich widerstrebte gegen das Gebet. Es hatte mir noch nie geholfen.
Mira seufzte: „Kind, wenn wir nicht so undankbar in Sünde gelebt hätten, hätten die Dämonen auch keinen Zugang in unsere Welt gefunden. Wir sind selbst dafür verantwortlich. Wir, die Menschen selbst, verbannten die Götter aus unserem Leben und baten diese schrecklichen Kreaturen hier hin. Wir haben diese Strafe verdient.", sie sprach sanft aber mit Ernst in der Stimme. Ich schluckte. „Ich will nicht beten.". „Dann wirst du nicht essen.", Mira nahm die Suppe und ging hinaus.
Hier lebten die Menschen nach Prinzipien. Da sollte ich mich dran gewöhnen. Außerdem hatte ich schrecklichen Hunger also rief ich so laut wie ich konnte nach Mira, und es war trotzdem nicht laut genug. Also stand ich auf und musste mich an der Wand abstützen um nicht zu fallen. Ich hatte kaum Kraft. Aber trotzdem ging ich langsam bis zur Tür und musste schwer atmen als ich ankam. Ich öffnete diese und rief noch einmal: „Mira! Es tut mir Leid! Ich werde beten! Wirklich!". Da sah ich auch schon wie sie um die Ecke kam und lächelte: „Geht doch!". In mir stieg leichte Wut auf die aber sofort verschwand, als ich die Suppe sah. So schnell wie es mir möglich war ging ich zurück zum Bett.
„Wie betet ihr vor dem Essen?". „Hör zu. Ich werde diesmal für dich beten und nächstes Mal machst du es dann alleine, einverstanden?", ich nickte. Sie schloss ihre faltigen, blutunterlaufenen Augen und begann:
„Gott der Ernte, wir danken dir für dieses Mahl.
Gott der Liebe, danke, dass du uns beistehst in Trauer und Not.
Gott der Rettung, schenke uns deine Kraft um zu besiegen was uns Unheil bringt.
Gott des Verderbens, kämpfe mit uns und schicke unsere Feinde in den Abgrund zurück.
Gott der über Allem steht, nimm unsere Reue an und schicke deine Engel zum Schutz der Welt die du erschufst.
So sei es!", sie öffnete ihre Augen und nickte und ich griff zu meinem Löffel und aß. Ich hatte so großen Hunger, dass mein Magen schmerzte. Ich war glücklich als ich diese warme Suppe aß und mir war im Moment vollkommen egal, was ich dafür machen musste. Ich musste diese Gebete ja nicht ernst meinen. Ich konnte es ja einfach als Form annehmen, wenn ich dann so gutes Essen bekam.
Mein Magen verkrampfte sich. Ich hatte solange keine Nahrung mehr zu mir genommen, dass mein Körper diese abstieß. Ich hustete und mir stiegen Tränen in die Augen.
Mira klopfte auf meinen knöcherigen Rücken und ich spuckte aus, was in meinem Mund war. Ich hielt meinen Bauch und krümmte mich. „Eine Strafe der Götter, mein Kind. Wir sind hier innerhalb der heiligen Mauern. Du hast Verrat gegen sie in deinen Gedanken gegangen. Du musst noch eine Menge lernen.", Mira sprach ruhig und ich sah voller Unverständnis an. Sollte das heißen das meine Gedanken hier nicht frei waren?
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Befallen
FantasyEine Welt ist vom Untergang bedroht. Die Dämonen haben sie heimgesucht und verderben die Umwelt und alle Lebensbedingungen für die Menschen. Nur die Heiligen Ritter, die mit der Magie des Himmels kämpfen, haben eine Chance. Kiara, ein junges Mädchen...