Ich sehe mich, wie ich damals schreiend auf Tom los gegangen war, nachdem er mir gesagt hatte, dass unser Kind wohl unter einer Schneedecke verschollen war. Bis Helga mich von ihm weg gerissen und mich ins Schlafzimmer gesperrt hatte, wo ich drei Tage lang nur getobt, geheult und geschlafen hatte. Als ich wieder ruhiger geworden war, war Tom fort gewesen. Die Wochen waren dahin geschlichen und wir hatten das schlimmste Weihnachten hinter uns bringen müssen, das ich je erlebt hatte, selbst das erste Weihnachtsfest als Tom's ungeliebte Frau war fröhlicher gewesen. Dorothea, Toms Mutter, hatte ständig nach Felix gefragt. Hanna und Luise hatten mich hilfesuchend angeschaut, und schließlich hatte ich meine Schwiegermutter mit Klosterfrau Melissengeist abgefüllt und zu Bett bringen lassen. Zum Glück hatte mein Vater es nicht mehr erleben müssen, er war im letzten Jahr gestorben.
Natürlich hatte ich gewußt, dass Tom mich brauchte. Doch ich war wütend auf ihn, weil er nicht auf unser Kind aufgepasst hatte! Als ich es Helga so erklärt hatte, hatte sie mir eine gescheuert und ich hätte sie fast entlassen. Sie hatte mich angefahren, dass der liebe Gott es so gewollt hätte und Tom nichts dafür könne. Ich hatte mir die Wange gehalten und zurück geblafft, dass Tom der beste Kletterer in der Gegend wäre. Er hätte Felix nie verlieren dürfen!
Doch als Dorothea gestern morgen mit Tränen in den Augen gefleht hatte:
„Hol meinen Jungen zurück!" war ich schließlich los gewandert.
Es war fünf Uhr, ich hörte, dass Leopold im Gastraum rumorte. Ich hatte die ganze Nacht kein einziges Auge zugetan. Sprang auf und zog die Hose und den Pullover über die dicke Wollunterwäsche, denn wir hatten Februar und überall lag Schnee. Leopold hatte mir ein Fresspaket gepackt und ich zog los. Ich hatte noch knapp einen halben Tagesmarsch zu wandern und ich überlegte, was ich tun würde, wenn Tom sich umgebracht hätte. Allerdings glaubte ich fest daran, dass ich es gespürt hätte, so, wie ich gespürt hatte, dass meinem Jungen etwas zugestoßen war. Der Weg wurde beschwerlicher und ich erinnerte mich an die Male, als mein Mann mich gehalten hatte. Ich spürte einen Kloß im Hals. Wie vermisste ich Toms Umarmungen, mehr, als die körperliche Liebe, die in den letzten Jahren wieder zu kurz gekommen war. Am Morgen, bevor Tom mit Felix aufgebrochen war, hatte mein Ehemann sich nach einer Ewigkeit mal wieder an mich heran gekuschelt, hatte mich sanft aus dem Schlaf geküsst und wenn Felix nicht aufgeregt an die Tür geklopft hätte, wäre ich wohl damals wieder in den Genuss seiner Liebe gekommen.
Ich seufzte auf. Sah die Sonne zwischen den Felsen hindurch scheinen und wußte, dass ich nicht mehr lange brauchen würde. Kletterte schneller, folgte dem schmalen Pfad und schließlich sah ich die Hütte in der Abendsonne leuchten.
Mein Herz klopfte schneller vor Aufregung. Dann zogen Wolken über der Szene auf. Schwarze Wolken, doch als ich näher kam, sah ich, dass es Krähen waren, sie hockten nun allesamt auf dem Dach. Die Sonne war untergegangen und in dem schummrigen Licht sah es unheimlich aus. Jedoch war ich ein begeisterter Leser von Schauermärchen, was Tom oft dazu verleitet hatte, mich erschrecken zu wollen- vergebens. Im Gegenteil, mich faszinierte dieser Anblick und ich wünschte mir, ich hätte eine Kamera dabei. Dennoch bedeuteten diese Vögel vielleicht, dass in dem Haus eine Leiche lag. Ich ballte die Fäuste und rannte die letzten Meter, die Vögel stiegen erschrocken auf.
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I dreamed of a tall man twice
ФанфикHier nun der zweite Teil der Tom "the magnificient" Hiddleston- Storysammlung. Denn im ersten Teil verliert man bei über ACHTZIG Teilen langsam die Übersicht. Und da ist noch soviel Material auf meinem Computer...