Kapitel 8: Seelendurst

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Oh Gott, ich bin so naive und so verdammt blind gewesen.
Ich wusste doch ganz genau, was passieren wird, oder etwa nicht?
Ich wusste doch, dass sobald ich am nächsten Morgen aufwachen werde, ich alleine im Bett liegen werde, ohne eine Nachricht von ihm.
Ich wusste doch, dass er mich nur benutzt hat und nur aus Freundlichkeit, ja aus falscher Freundlichkeit mich geduldet hat.

Wieso hat er nur solche Macht über mich?
Wie schafft er es, dass ich ihn in den einem Moment fürchte, ja verabscheue und hasse, während in dem anderen ich mich verzweifelt nach seiner Nähe sehne, ihn wirklich gern habe?
Vorallem aber wieso hat er sich gestern Abend nicht geholt, was er scheinbar die ganze Zeit schon gewollt hatte und wo in aller Welt ist er jetzt schon wieder hin verschwunden?

Ich bin es leid mir ständig über Jacob den Kopf zu zerbrechen, er wird immer mein großes Fragezeichen bleiben, das Rätsel, welches ich nie lösen werde, das Schloss zu dem mir der Schlüssel fehlt.
Es soll wohl auch einfach nicht sein.

Gekränkt hob ich meine zerknitterten Klamotten vom Boden auf und verschwand über den Balkon zurück in mein Zimmer. Dort suchte ich einen Pulli mit extra langen Ärmeln und eine passende Jeans heraus, weil mir bewusst war, dass ich um den Termin heute beim Psychologen wohl nicht mehr herum kommen würde, außer ich würde die Dummheit wagen, und wegrennen wie ein kleines verzweifeltes Kind. Aber selbst das schien mir aussichtslos.

Beim Frühstück erzählte Mrs. Parker wieder irgendwelchen Klatsch über ein neues Mitglied aus ihrem Frauenverein. Jedes mal wenn sie dieses Thema anschnitt, versuchte ich bewusst noch weniger Interesse als ohne hin schon zu zeigen, nicht dass sie noch auf die überaus bescheuerte Idee kommt mich mit in ihre Teetrinkergesellschaft zu schleppen. Denn das war nun wirklich nicht meine Szene, ich würde nicht in diese perfekte Welt der Damen passen, ich würde es nie wagen in einem Rock hinaus in die Öffentlichkeit zu gehen, zu mal das wegen meiner ganzen Wunden und Narben ohnehin nicht ganz möglich wäre, außer ich würde darauf bestehen, dass ich zur Zielscheibe aller Augenpaare werde, und Aufmerksamkeit ist nun wirklich nicht mein Spezialgebiet, genauso wenig wie anpassen. Ich bin einfach ich, anders eben.

Die Autofahrt über schwiegen wir. Ich nehme mal an, dass dieser Frau bewusst war, wie verdammt unangenehm und schwer das ganze für mich ist. Ich habe all die Jahre niemanden gebraucht, der mir zuhört, mir Ratschläge und all so einen scheiß erteilt, aber jetzt plötzlich sollte ich es brauchen?

Jetzt plötzlich sollte es mir helfen können, jetzt plötzlich sollte es einen Unterschied machen?
Ich bin immer noch ziemlich sauer auf Mrs. Rainbow, sie hat das alles über meinem Kopf hinweg entschieden, obwohl sie genau wusste wie ich zu dieser Sache stehe.

Über vergangenes redet man nicht. Man lässt es einfach ruhen, nimmt es hin und versucht zu verdrängen.

Zumindest war meine Lebensphilosophie bisher immer so gewesen, wieso also sollte ich sie jetzt ändern?
Sollte ich es? Ein wenig unsicher war ich mir zugegebenermaßen schon, was vor allem daran lag, dass ich mich noch nie in einer solchen Situation befunden habe, irgendwie ist das alles neu, alles so schrecklich fremd. Ja, ein wenig Angst habe ich tatsächlich verspürt, aber wer würde nicht auch Angst empfinden, wenn man bisher immer alles aufgeschoben, alles immer nur verdrängt hat, und nie wirklich Schwäche zugelassen hat. Den ganzen Morgen verfolgte mich schon das Gefühl, als würde mein Kartenhaus zusammenbrechen, wenn ich es nur wagen würde, die Karten nach einander aufzudecken.

Die Therapiestunde war irgendwie komisch, unerwartet.
Man schickte mich erst einen langen farbenfrohen Gang entlang und am Ende wartete eine braunhaarige Frau im Bleistiftrock und einer blauen Bluse auf mich.

"Du musst Scarlett Cooper sein."

*Scheint so. Meine Akte liegt doch mit Bild vor ihnen?*

Broken Hearts.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt