Kapitel 10: Stille Sehnsucht

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, spürte ich gleich, dass etwas anders war. Ich war nicht alleine in meinem Bett. Jacob ist tatsächlich geblieben. Mit seinen tiefblauen Augen beobachtete er mich. Als er bemerkte, dass ich wach wurde, lächelte er mich an und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

"Na, bist du zufrieden?"

Natürlich war ich das. Ich konnte nicht fassen, dass er tatsächlich die ganze Nacht hier neben mir lag. Auch konnte ich nicht glauben, dass ich schon lange nicht mehr so gut schlafen konnte wie in der vergangenen Nacht - vielleicht wollte ich es mir auch nur nicht eingestehen.

"Du bist also wirklich der Meinung, dass diese eine Nacht etwas verändert hat?"

"Scarlett worauf willst du hinaus?"

"Naja, ich weiß auch nicht. Ich bin mir einfach immer noch nicht sicher, ob es richtig ist, was wir hier tun..."

"Hm, du willst mich jetzt abservieren, oder?"

"Das habe ich doch gar nicht gesagt."

"Aber du meinst es so. Das habe ich schon verstanden. Ich verstehe nur nicht, warum du mir nicht wenigstens die Chance gibst dir zu zeigen, dass ich es vielleicht bin, der dich retten, ja der dich verdammt nochmal lieben könnte, obwohl du dich nicht einmal selbst lieben kannst."

Sein Ton wurde lauter. Ich wusste, dass ich ihn mit dem ganzen hier verletzen würde, vor allem nachdem er sich gestern so vor mir geöffnet hat. Allerdings sehe ich keinen anderen Ausweg. Ich muss das ganze jetzt beenden, bevor ich mich in diesen Jungen noch ganz verliere. Er macht mich schwach. Er lässt es zu, dass ich in Fantasien abtreibe. Mein ganzer Körper sehnt sich so sinnlich nach ihn, dass ich das ganze einfach nur noch beängstigend finde. Ich kenne Gefühle dieser Art einfach nicht, höchstens aus meinen unzähligen Romanen, die ich gelesen habe.

"Jacob, es tut mir leid..."

"Quatsch, das muss es nicht. Mir tut's leid, dass ich dachte, dass ich einen Unterschied machen könnte. Lass mich einfach in Ruhe, ich ertrage dich jetzt nicht."

Mit diesen Worten verließ er den Raum, und ließ mich leerer zurück als je zu vor. Mir war ja klar, dass sobald ich ihn wegstoße, dass er dann gehen würde. Mir war aber nicht klar, dass er mit seinem Verlassen ein riesen großes Loch hinterlassen würde. Ich hasse mich dafür, dass ich ihn hab gehen lassen, dass meine Angst größer war als mein Sinn nach Liebe. Vor allem aber verabscheue ich meine bescheuerte Rationalität, die wieder einmal zeigen musste, dass bei mir der Verstand mehr wiegt als Herz und Bauch zusammen. 

Stumm und mit leerem Blick fixierte ich die Tür, durch die Jacob eben marschiert ist. Das alles ist fast schon surreal. Was ich damit sagen  möchte ist, dass ich nicht ganz begreifen kann wieso ich erneut etwas von mir wegstoße, was ich gerade so dringend brauche, was ich vielleicht sogar liebe.

 Habe ich wirklich gerade das Wort "lieben" im Zusammenhang mit mir selbst verwendet? Das kann doch nicht möglich sein. In all den 17 Jahren meines so kläglichen Lebens ist es mir nie über die Lippen gekommen. Selbst in meinen Gedanken war das Wort "Liebe" nicht wirklich präsent. Warum auch? Ich habe immer nur alles und jeden gehasst, und am meisten schon immer mich selbst. Ekelhaft.

Tränen steigen mir in die Augen. Ich bin plötzlich wieder so unfassbar traurig. Ich fühle mich wieder so unendlich einsam. Dieses mal, weil ich es wirklich bin. Mein Körper beginnt zu zittern, zu beben. Viel zu gerne würde ich jetzt schreien, mir den Frust einfach nur von der Seele kreischen. Aber ich kann es nicht. Es kommt einfach kein Ton aus meinem Mund. Ich falle in mich zusammen, zerbreche an der vorherrschenden Stille und lasse es zu, dass sich meine Augen ergießen. Ich bin so verloren. Ich bin ohne Jacob so verloren. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 15, 2019 ⏰

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