Kapitel 4: Weihnachten

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Freya hatte in der Zeit, in der James in seiner Wohnung gewesen war, Weihnachtsmusik aufgelegt und ihre Haare zu einem Dutt aufgesteckt. Ausserdem hatte sie begonnen den ersten Teig zusammen zu fügen. Pfefferkuchenmänner sollten die ersten Kekse sein. Sie war so in ihr Werk versunken, dass sie überhaupt nicht hörte, wie der Dunkelhaarige zurück kam. Deshalb zuckte sie zusammen als er plötzlich neben ihr stand. "Oh gott, du schleichtst dich auch immer an", stiess sie zwischen den Zähnen hervor und liess vor Schreck die Schüssel fallen. Zum Glück reagierte James unglaublich schnell und rettete diese vor ihrem Tod auf dem Fliesenboden. Er stellte sie wieder zurück auf den Tresen und erneut zierte ein leichtes Lächeln seine Züge: "Entschuldige". Inzwischen hatte sich auch Freya wieder gefasst und tat das ganze als halb so wild ab: "Schon gut. Ich mache gerade den ersten Teig. Könntest du den Esstisch abwischen und etwas Mehl darauf verteilen. Die Förmchen sollten da in der Tasche sein." Dabei nickte sie mit dem Kopf zu der Tasche, die noch auf dem Boden stand. James ging sofort an die Arbeit und wenige Minuten später war auch der Teig fertig. Freya brachte ihn zum Esstisch ins Wohnzimmer, wo ihr dunkelhaariger Gast gerade vor dem Bücherregal stand. "Liest du viel?", fragte sie ihn während sie den Teig in zwei Stücke teilte und ihren Teil schon auszuwallen begann. "Ja, ziemlich", erwiderte James und trat nun zu ihr an den Tisch. Sie reichte ihm das Nudelholz als ihr auffiel, dass der Dunkelhaarige immer noch einen Handschuh trug. Wow, er musste diesen ja wirklich sehr mögen. "Ich denke das geht aber besser ohne den da, wäre doch schade wenn der dreckig würde", gab sie zu bedenken und deutete auf seine Hand. Für einen Moment hatte sie das Gefühl dass ihr gegenüber erstarrte. Als die Rothaarige aufblickte, wurde sie direkt von dessen Blicken durchbohrt. In ihrem Magen bildete sich ein mulmiges Gefühl, hatte sie etwas Falsches gesagt? Dann aber wurde der Blick ihres Gegenübers weicher und er konzentrierte sich darauf seinen Handschuh auszuziehen und in die Hosentasche zu stecken. Was darunter hervorkam, hätte Freya niemals erwartet: James linke Hand war vollständig aus Metall.

Die Rothaarige konnte es sich nicht verkneifen für einen Moment zu starren, auch wenn sie insgeheim wusste, dass das ihrem Gegenüber bestimmt unangenehm war.  Ausserdem war es unhöflich. "Ich wusste gar nicht, dass du eine Prothese hast", brachte sie dann schliesslich heraus und blickte wieder in James Gesicht. Dessen Ausdruck machte es eindeutig, dass er nicht darüber reden wollte und so unterliess sie es, nach der Ursache zu fragen. Auch wenn es sie extrem wunder nahm. Stattdessen atmete sie einmal tief durch und bot ihm an: "Wenn du einen Gummihandschuh brauchst, damit sie nicht kaputt geht, so was hab ich da." Ihr Blick glitt immer wieder zu dem glänzenden Stück Metall, welches unter James Ärmel hervor schaute. Es war ihr noch nie aufgefallen, dass der Dunkelhaarige in irgendwelcher Weise eingeschränkt war. Was auch immer das für eine Prothese war, sie muste unglaublich fortschrittlich und teuer sein. "Nicht nötig, ist robust. Wenn ich jetzt bitte das Nudelholz haben dürfte", holte ihr Nachbar sie aus ihren Gedanken und Freya sah etwas verwirrt auf das Stück Holz, welches immer noch in ihrer Hand lag. "Ah ja, natürlich", lächelte sie dann und reichte es ihm. Das Thema war damit auch vom Tisch und spätestens als Freya ihre ersten Pfeffermänner in den Ofen gesteckt hatte, waren ihre Gedanken wieder vollkommen sortiert. Sie backten an diesem Nachmittag noch zwei weitere Arten von Keksen, welche alle verziert werden sollten. 

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So war es draussen schon lange dunkel als sie immer noch am Verzieren der Pfefferkuchenmänner sassen. Freya hatte Bucky von ihrer Arbeit erzählt, von ihrem ersten Artikel und von ihrer Heimat New Orleans. Er hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört, Fragen gestellt, aber nicht wirklich selber von sich gesprochen. Es war ihm ganz recht, dass die Rothaarige so viel zu erzählen wusste. So musste er keine Geschichte über sein Leben erfinden und sie anlügen. Denn bereit ihr zu sagen, wer er wirklich war, war er nicht. Er genoss es, dass sie ihn wie den normalen Nachbarn von nebenan behandelte. Und das sollte so bleiben. "Weisst du was, mach einfach hier weiter. Ich hab Gumbo mit Hühnchen vorbereitet, muss es nur noch fertig kochen. Ich hoffe du magst das", sagte sie dann plötzlich nachdem ihr Bauch geknurrt hatte und riss den Dunkelhaarigen damit aus seinen Gedanken. "Gumbo kenn ich nicht, aber ich bin offen für Neues", erklärte er und legte den Pfeffermann, den er gerade in der Hand hielt zurück auf das Blech. "Dann wird es aber Zeit!", kommentierte sie nur und verschwand in der Küche. Wirbelwind, das war wirklich ein passender Spitzname für Freya. Sie war extrem begeisterungsfähig und spontan. Und schnell in ihren Entscheidungen. Mit einem Lächeln auf den Lippen verzierte der Soldat auch noch die letzten fünf Pfeffermänner. Dass ihm das solchen Spass bereiten würde, hätte er nicht gedacht. Als sie alle mit buntem Zuckerguss verziert nebeneinander auf dem Blech lagen, erhob Bucky sich und streckte sich einmal. Langes Sitzen war er sich einfach nicht gewohnt. Sein Blick streifte durchs Wohnzimmer. Die beachtliche Büchersammlung hatte er bereits vorher schon bestaunt. Darin standen auch einige Exemplare, die er selbst auch schon gelesen hatte. Dieses Mal glitt sein Blick jedoch zu etwas anderem. Auf dem Schreibtisch daneben stand eine Underwood-Schreibmaschiene. Solche kannte er von seinen Jugendjahren nur zu gut. Ein nostalgische Gefühle beschlichen den Dunkelhaarigen und er durchquerte das Zimmer um sie sich näher anzusehen. Da fiel ihm der Bündel an Blättern auf, der daneben lag. Viele der Seiten waren verkritzelt, mit Notizen darauf. Es dauerte ein paar Minuten bis Bucky verstand, was er da in der Hand hielt: Es sah ganz nach einem Gerüst für eine Geschichte aus. Einen Krimi.

Ich wohne neben an - eine Bucky Barnes FF [Originalfassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt