Gefängnis aus Stille

36 5 2
                                    

Rumms.
Ein weiteres Schlagloch erschütterte den Bus und alle die, die darin saßen.
Eines von weingen Geräuschen, die die Stille durchbrachen und nur eine Sekunde später schaukelten sämtliche Hinterköpfe vor mir wieder gleichmäßig im Takt der Straße, über die der Bus fuhr.
Ich drehte den Kopf zur Seite, um der bedrückenden Stille zu entkommen, doch die dunkel getönten Scheiben verhinderten die Sicht auf die abgestorbene Landschaft durch die sich die Straße wand und verstärkte noch dazu das Gefühl von eingesperrt sein.

Eingesperrt.

Ja, das waren wir.
Eingesperrt in einem Gefängnis beängstigender Stille.
Was sollte das hier alles? Wohin fuhren wir? Und vor allem warum war ich hier?
Niemand hatte uns bisher eine zufriedenstellende Antwort darauf gegeben.
Um es besser zu sagen: Keiner hatter uns überhaupt irgendeine Antwort gegeben.
Ich drehte meinen Kopf wieder in Fahrtrichtung. Es machte ja doch keinen Unterschied.
Wobei es imgrunde doch einen Unterschied machte, denn je mehr ich darüber nachdachte, was passiert war, machte alles auf einmal einen Sinn.
Die Stromausfälle, die Verringerung der Mahlzeiten, der Transport. Alles was in den letzten Wochen passiert war machte deutlich das es irgendein Problem gab. Ein Problem mit dem das System nicht fertig wurde.
Etwas das danach verlangte uns loszuwerden. Keine Ressourcen an uns zu verschwenden.
Uns, den Abschaum unseres Systems.

Sie wollten uns aus dem Weg schaffen.

Und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wurde ich mir bewusst, dass diese Fahrt vermutlich eine meiner letzten gewesen sein wird.

Vor 100 Jahren, nach dem Krieg, brach alles zusammen. Die Menschen die überlebten waren gezwungen in Notunterkünften zu leben.
Limitierte Nahrung.
Notdürftiger Platz.
Begrenzter Sauerstoff.
Strenge Regeln.

Kein Raum für Kriminelle.
Wer will schon seine Möglichkeit zu leben aufs Spiel setzen für ein paar Verbrecher.

Natürlich Niemand.

Kriminell.
War ich das wirklich? Was hatte ich getan?
Einen Apfel hatte ich gegessen. Ein Apfel.
Damals ein banales Stück Obst in jedem Supermarkt und auf jeder Wiese zu finden.

Heute eine der kostbarsten Luxusgüter die wir besitzen.

Diese Güter sind den Höhergestellten vorenthalten. Wir einfachen Menschen müssen uns mit den kaloriengenau abgewogenen Rationen aus Getreidebrei und Wasser zufriedengeben. Mit Ausnahme von einer Vitamintablette täglich um unser Überleben zu garantieren.

Was ich getan hatte war demnach so fatal wie damals der Diebstahl von Gold.
War es das wert?
War es das wert jetzt in einem Bus zu sitzen mit anderen Kriminellen wie mir an die keiner seine Rationen an Essen und Luft verschwenden will?
War es das wert einen Apfel zu stehlen nur um jetzt auf meine "Beseitigung" zu warten?

Sicherlich nicht.
Es war dumm, naiv, egoistisch von mir.
Ich zittere.
Was wird passieren? Werde ich sterben?
Wahrscheinlich.
Nein, sicher sogar.

Ich werde sterben.
Die Frage die bleibt ist Wann? Wo? Wie?

Was ich weiß ist, das ich nur eine lästige Ratte bin die einem nur unnötig Platz und Nahrung raubt. Ich bin es nicht wert zu leben!

Ich werde sterben!

Jetzt bleibt mir nur noch mich auf meinen Tod vorzubereiten.

Stories- or how words can create whole worlds #writingLoveAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt