Silence

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Stille.
Ein einfaches Wort. Zwei Silben, Sechs Buchstaben. Nichts Besonderes. Ein Wort.
Nur ein Wort von tausenden der deutschen Sprache. Eines von Millionen, gar von Milliarden auf der Welt.
Und doch ein Wort, das so viele Bedeutungen haben wie kaum ein anderes.
Es gibt peinliche Stille, geheimnisvolle Stille, erschreckende Stille, angenehme Stille.

Und dann gibt es noch Totenstille. Die Art von Stille, die diejenigen von sich geben, deren Blut still steht.

Ich möchte mich dir vorstellen. Mein Name ist Hannah. Ich bin 15 Jahre alt.
Und ich bin Still. So still wie man nur sein kann.
Nicht schüchtern. Nein. Ich bin der extrovertierteste Mensch den man sich vorstellen kann.
Aber seit ich meine Augen geöffnet habe und nichts als Dunkelheit sie empfing, bin ich still.
Ich gebe keinen Mucks von mir. Keinen einzigen Laut. Nicht, weil ich Angst davor habe. Nicht, weil ich die Stille genieße.
Ich kann es einfach nicht. Ich versuche meinen Mund zu öffnen und der Luft, die hindurchströmt, einen Ton zu geben. Doch ich kann nicht einmal die Luft selbst hören.
Ich spüre nicht, wie mein Atem in meine Lungen gesogen wird, höre nicht mein Herz pochen. Obwohl es in dieser Totenstille eigentlich so laut, wie eine Basstrommel schlagen müsste. In meinem eigenen Lebensrhythmus.

Genauer gesagt, höre und spüre ich überhaupt nichts. Und diese Dunkelheit hier macht mir allmählich Angst.
Was ist los mit mir?

Gedanken in meinem Kopf wabern umher, wie zähes, dickflüssiges Wasser, obwohl mein Kopf mir sagt, dass Wasser nicht dickflüssig sein kann.

Etwas sagt mir, dass ich mich bewegen muss. Der Untergrund auf dem ich liege, verursacht mir so langsam Rückenschmerzen. Ich versuche mich bequem hinzulegen, doch meine Glieder bleiben still.
Was ist los?
Hatte ich einen Unfall und erwache gerade gelähmt aus einem Koma? Oder ist das alles nichts weiter als ein paradoxer Traum, der meinem Unterbewusstsein klar machen will, dass ich ab und zu mal meine besserwisserische Klappe halten soll.
Wache ich gleich etwas auf und alles ist wie vorher? Ich liege in meinem Bett und kann mich an nichts mehr erinnern. Dann macht das mit dem zähen Wasser auch wieder Sinn.

Aber es dauert lange, aufzuwachen, wenn man nur so da liegt.
Ich halte die Stille nicht mehr aus.
Die Ungewissheit.
Die Unfähigkeit.
Die Unruhe in meinem Kopf.

Ich fange an zu zählen.

Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Wie lange muss ich das noch ertragen? Acht. Neun. Zehn. Wach auf, du dummes Mädchen. Elf. Zwölf. Nun mach schon verdammt! Dreizehn. Vierzehn. Es ist unlogisch so lange in einem luziden Traum festzustecken, wenn man aufwachen will. Fünfzehn.

Ich gebe auf.

Ich weiß nicht was mit mir los ist. An meinem Zustand ändert sich nichts. Ich höre, spüre noch immer nichts und bin immer noch in dieser Dunkelheit und zähflüssigen, unrealistischen, unwirklichen Wirklichkeit gefangen.
Ich träume nicht.
Ich kann nicht mehr träumen. Das ist zu lange.
Ich bin noch immer still. Und die Stille macht mir Angst.

Diese Totenstille.

Bin ich das? Totenstill? Ich bin still, aber bin ich tot?

Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt tot zu sein, also kann ich auch nicht wissen ob ich tot bin oder?
Und der Rest. Die Stille, die Unfähigkeit mich zu bewegen, die Dunkelheit. Bin ich tot?
Vielleicht.
Was tut man wenn man tot ist? Demnach habe ich viel Zeit übrig. Wie vertreibe ich mir die Zeit? Zählen ist furchtbar. Nichtstun ist furchtbar.

Ich denke.

Allein. Ein einfaches Wort. Zwei Silben, Sechs Buchstaben. Nichts Besonderes. Ein Wort.
Nur ein Wort von tausenden der deutschen Sprache. Eines von Millionen, gar von Milliarden auf der Welt.
Und trotzdem etwas, das für jeden etwas anderes Bedeutet.
Manch einer ist gerne alleine, ein anderer hasst es.

Und dann gibt es noch dieses allein, dass man ist, wenn man sich hilflos fühlt, weil man rein gar nichts tun kann um etwas zu ändern.

Ich möchte mich dir vorstellen. Mein Name ist Hannah. Ich bin 15 Jahre alt. Ich bin still. Nicht schüchtern. Ich bin der extrovertierteste Mensch den man sich vorstellen kann. Einfach still.
Ich bin tot.

Und ich bin allein.

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