Hunted

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Gewidmet an Teddy_1807

Als ich den Wald betrete, atme ich tief ein, um den Duft des Lebens aufzusaugen.
Das tiefe Grün hüllte mich ein in eine eigene Welt.
Meine Welt.

Ich war in diesem Wald groß geworden.
Hatte gelernt welche Pflanzen essbar waren und welche nicht, welche Teile des Waldes man besser nicht betreten sollte und wie man jagt.
Gritt, Sohn des Anführers meines Stammes und mein bester Freund, hatte es mir beigebracht.

Er hatte mir auch gezeigt, wie ich mir Waffen bauen konnte.
Pfeile, Bogen, Speere, Messer. Mindestens eine davon trug ich immer bei mir. Hier im Wald kann niemand wissen was einem als nächstes passiert.

Langsam gehe ich weiter. Laub raschelt unter meinen Füßen und ich versuche mein Gewicht gleichmäßig zu verteilen, damit mir die potentielle Beute nicht davonläuft bevor ich auch nur in ihre Nähe kommt.
Leise.
Ein Ast knackt in meiner Nähe und als ich mich umdrehe um nachzusehen, erblicke ich einen Hasen.
Er ist kohlrabenschwarz und ich halte die Luft an um in nicht zu erschrecken.
Ein seltener Fund, der mir sicherlich nicht nur ein gutes Abendessen bescheren, sondern auch noch einen guten Preis für sein Fell garantieren wird.

Vorsichtig nehme ich meinen Bogen von der Schulter und platziere einen Pfeil auf der Sehne. Ich spanne den Bogen und atme ruhig ein und aus.
Ich ziele.

Plötzlich erschüttert ein kreischen den Wald und vor Schreck lasse ich los.
Der Pfeil schießt davon und verschwindet im Dickicht. Der Hase schreckt ebenfalls hoch und ist mit ein, zwei Sätzen im Unterholz.

Verärgert stöhne ich auf, doch der Schreck über das Kreischen sitzt auch bei mir noch tief.
Was zur Hölle war das gerade?

Ich kannte das Geräusch, wusste von was es stammte. Und doch, oder besser gerade deshalb bereitete mir das Kreischen Sorgen.
Denn das, was den Schrei ausgestoßen hatte, gehörte definitiv nicht in diese Zone.
Und doch war eines von ihnen hier in der Nähe. Was bedeutete, dass ich ein Problem hatte.

Ich musste hier weg.
Sofort!

Ein weiteres Kreischen riss mich aus meiner Schreckstarre und ich rannte los.
Scheiße. Ich war zu weit vom Waldrand entfernt um es in diesem Tempo hier rauszuschaffen. Wenn das Ding wusste, dass ich hier war, hatte ich keine Chance.
Ich beschleunigte noch etwas, nur um kurz darauf von Seitenstechen ergriffen zu werden.
Ich hätte mich vor Schmerzen krümmen können, doch dann hätte ich mir genausogut einfach mein Messer ins Herz stechen können.
Also rannte ich weiter.

Hinter mir hörte ich Äste brechen und Blätter rauschen, gefolgt von einem weiteren Kreischen.
Kein Zweifel. Es war hier um zu jagen. Und ich war seine Beute.

Im Rennen zog ich einen Pfeil aus meinem Köcher und spannte ihn auf die Bogensehne.

Direkt über mir brach ein Ast. Ich duckte mich erschrocken und blieb stehen.

Das hatte mir wohl das Leben gerettet, denn kurz darauf schossen rasiermesserscharfe Krallen genau dort durch die Luft, wo vorher mein Kopf gewesen war.
Mein Jäger kam mit einem Krachen vor mir auf dem Boden auf und ich blickte ihm direkt ins Gesicht.
Ich hatte recht gehabt. Mein Verfolger war ein Woodripper.
Waldgeister, die ebenso schnell wie tödlich waren.
Der Woodripper richtete sich bedrohlich auf und ich konnte die Sehnen erkennen, die sich zwischen seinen langen Gliedern spannten.
Er hatte kein Gesicht. Nur ein Maul aus messerscharfen Zähnen, das er nun aufriss um einen weiteren Schrei auszustoßen.

Dieses Mal machte er mich beinahe taub.
Reflexartig ließ ich den Pfeil los und die Sehne schnellte vor. Der Pfeil traf den Woodripper kurz unterhalb der Stelle, an der bei jedem Menschen das Herz gewesen wäre.
Verflucht.
Vor Schmerz oder Schreck kreischte er erneut auf, doch ich hörte es nur noch wie durch einen Schleier.

Dann holte mich mein Verstand wieder ein und ich rannte weiter. Der Woodripper ließ sich nicht lange aufhalten und nahm erneut die verfolgung auf. Endlich war ich so weit, dass ich das Ende des Waldes schon sehen konnte. Meine letzte Hoffnung auf Rettung. Woodripper verlassen nie ihren Wald. Und sollte er beim nächsten Mal wirklich angreifen, war ich tot.
Ich keuchte vor Anstrengung. Viel weiter laufen konnte ich nicht mehr.
Dann plötzlich schoss ein heißer Schmerz durch mein Bein.
Ich fiel und überschlug mich mehrfach. Ich wollte aufstehen. Doch sofort schoss eine weitere Welle an Schmerz durch mein Bein und ich brach wieder zusammen. Diesmal verlor ich beinahe das Bewusstsein.
Etwas warmes rann an meiner Wade hinab.
Verzweifelt tastete ich nach meinem Bogen, doch ich fand ihn nicht. Ich musste ihn bei meinem Sturz verloren haben. Jetzt hatte ich nur noch mein kurzes Messer. Der Woodripper hatte sich Zeit gelassen um seinen Triumph auszukosten.
Bei allen Göttern! Diese Biester waren nicht nur tödlich, sondern auch noch grausam.
Jetzt holte er für einen neuen Angriff aus. Schnell rollte ich zur Seite. Gerade noch rechtzeitig um zu sehen wie seine Krallen vor meinem Gesicht in die Erde schlugen.
Ich keuchte erschrocken auf.
Mit meiner freien Hand versuchte ich mein Messer aus meinem Gürtel zu ziehen, doch ich wurde von einem weiteren Angriff des Woodrippers davon abgehalten.
Dieses Mal war er schlauer. Er hatte sich über mich gebäugt, sodass ich nirgendwohin ausweichen konnte.
Ich war tot. Sowasvon tot.
Mein Angreifer holte erneut aus. Der folgende Schlag würde meinen Rücken aufreißen und wenn ich mich nicht mehr bewegen konnte, hätte der Woodripper alle Zeit der Welt um mich sterben zu lassen. Ich konnte die Häme im Grinsen der Bestie sehen als er die Klaue auf mich zuschnellen ließ.
Ich schloss meine Augen und wartete auf den Schmerz.
Doch er blieb aus.
Ein schrilles Kreischen ging auf einmal von dem Woodripper aus und ich hörte ein gewaltiges Krachen.
Ich riss die Augen auf um zu sehen was passiert war.
Der Woodripper lag reglos auf dem Waldboden neben mir. Ein schwarzer Pfeil ragte aus seinem Rücken.
Ich atmete erleichtert auf. Doch dann machte sich mein Bein wieder bemerkbar.
"Leave?", hörte ich eine vertraute Stimme neben mir, "Leave! Geht es dir gut?" Ich stöhnte. Jemand beugte sich über mich und ich erkannte Gritt, meinen Freund. Langsam konnte ich spüren, wie sich der Blutverlust bemerkbar machte, denn meine Sicht verschwamm immer mehr. "Ach du Scheiße!", hörte ich Gritt, wie durch eine Nebelwand, "Leave, du musst jetzt durchhalten. Ich bringe dich ins Dorf." Benommen nickte ich und wollte aufstehen, doch Gritt drückte mich zu Boden. "Nicht. Beweg dich nicht. Du schaffst es eh nicht aufzustehen. Spar dir deine Kräfte." Ich wollte etwas erwidern, doch innerlich wusste ich, dass er recht hatte. Ich spürte, wie er seinen Arm unter mich schob und auf den Arm nahm. Der Schmerz der durch mein Bein schoss, als er mich hochhob, gab mir endgültig den Rest und ich verlor das Bewusstsein.

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