Kapitel 2

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"So Jungs, lauft euch warm. 3 Runden und dann treffen wir uns wieder hier." unser Trainer klatscht in die Hände. Murrend setzen sich alle in Bewegung. Ich laufe neben Leon und Max, die sich natürlich wieder irgendwie ärgern. Schweigend sehe ich auf meine Füße, die Meter um Meter hinter sich bringen. Ich habe Kopfschmerzen und das Gefühl, dass ich mich übergeben muss. Ich sehe auf; es dreht sich alles. Schnell schüttele ich den Kopf und versuche mich wieder auf meine Füße zu konzentrieren.

"Alessandro? Kommst du mal bitte zu mir?" ruft mich Domenico und ich ahne schon worum es geht. "Was ist denn, Coach?" frage ich ihn und versuche möglichst unschuldig und unauffällig zu klingen. Domenico verdreht die Augen, dann deutet er auf mein Gesicht. "Was ist das?" fragt er mich. Mist. "Also, das- Ich bin hingefallen." antworte ich. Das klang dämlich. Herzlichen Glückwunsch. "Hingefallen? Alessandro, verkauf' mich nicht für dumm. Was ist passiert?" fragt er mich abermals und ich weiß, dass ich um die Wahrheit nicht drum herumkomme. "Ich weiß es nicht, ich kann mich an nichts erinnern." gebe ich zu.

Unser Trainer verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich skeptisch an. "Und du kannst dich nicht erinnern, weil..." "Weil ich gestern wieder in irgendeiner Kneipe war." beende ich seinen Satz kleinlaut und sehe beschämt zu Boden. Ich kann praktisch spüren, wie er verständnislos mit dem Kopf schüttelt. Dann seufzt er. "Das kann so nicht weitergehen, Alessandro. Wirklich, es muss etwas passieren."

Ich nicke mit dem Kopf. Das weiß ich selber, aber ich kann das nicht bewältigen. Ich habe keine Energie etwas zu verändern. "Und jetzt geh' dich umziehen. Du fährst jetzt nach Hause und ruhst dich aus. Hast du ein Auto hier?" "Nein, ich bin mit Max und Leon hergekommen." antworte ich ihm. "Dann bringt Enrico dich nach Hause. Ich werde ihm sofort Bescheid sagen."

Niedergeschlagen trotte ich in Richtung Kabine. Zum Glück ist heute kein öffentliches Training, sodass die Fans mich nicht so sehen können. Das gäbe unangenehme Fragen. Ich öffne die Tür und betrachte die vielen Schränke und Sporttaschen, die verteilt im Raum liegen. Ich gehe zu meinem Spind und ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf. Danach werfe ich meine Sportsachen in den Wäschekorb und den Rest schmeiße ich einfach wieder in meine Tasche.

Enrico wartet schon vor der Kabine auf mich und hat die Arme verschränkt. "Können wir?" fragt er und ich nicke. Enrico weiß, was vorgefallen ist, weil er mich am Morgen nachdem ich die beiden erwischt habe und aus der Kneipe gekommen bin, zum Trainingsplatz gefahren bin und Enrico mich dort gefunden hat. Er hat mich nach Hause gebracht und sich um mich gekümmert. Ich bin ihm dankbar, denn er stellt auch keine Fragen. Das ist genau das, was ich brauche.

Als der Wagen hält, sehe ich auf. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass wir schon da sind. "Danke." sage ich leise. "Kein Problem, Alessandro. Aber ich muss jetzt doch etwas sagen. Als ich dich vor ein paar Monaten morgens aufgegabelt habe, dachte ich, dass du dich wieder fängst. Und selbst als du das zweite, dritte und vierte Mal angetrunken oder verkatert beim Training aufgekreuzt bist, war das noch im Rahmen. Aber das geht jetzt schon seit Wochen und Monaten so. Ich wollte mich nicht einmischen, aber es muss etwas passieren, sonst wirft Domenico dich aus der Mannschaft. Verstanden?" sagt er und sieht mich ernst an.

"Er will mich aus der Mannschaft werfen? Ja, vielen Dank auch! Solltest du mich deswegen nach Hause fahren? Weil ich nicht mehr wiederkommen soll?" aufgebracht sehe ich ihn an. "Es steht noch Nichts fest, aber ich sage es dir im Vertrauen. Unternimm' etwas und werde wieder der, der sich beim Training den Arsch aufgerissen hat, um zu Spielen. Nicht der, der sich mit einem fetten Veilchen und Alkoholfahne vom Zeugwart nach Hause fahren lassen muss. Okay?"

Benommen von der Ansage, nicke ich und klettere aus dem Wagen. "Morgen 6:30 Uhr Extratraining für dich. Ich erwarte, dass du körperlich unversehrt und nüchtern erscheinst." ruft Enrico mir hinter her, aber ich schließe einfach die Autotür und winke demonstrativ zum Abschied.

Im Haus schmeiße ich meine Trainingstasche in die Ecke und hole mir aus dem Kühlschrank erstmal ein Bier. Dann setze ich mich aufs Sofa und schalte den Fernseher an. Die können mich alle mal. Ich hasse es, wenn mir jemand versucht zu sagen, was ich zu tun habe. Niemand hat das Recht dazu, mein Leben zu bestimmen. Ich will einfach nur allein sein und niemanden sehen.

Erst spät am Abend stehe ich vom Sofa auf und mache mich bettfertig. Da ich morgen nicht noch eine Verwarnung bekommen möchte, gehe ich heute nicht mehr in eine Kneipe oder eine Bar. Auch wenn allein der Gedanke daran sehr verlockend ist. Ich schüttele den Kopf. Das kann ich nicht machen.

Totmüde falle ich ins Bett und hoffe schnell einzuschlafen. Aber natürlich kommen mir meine Gedanken dazwischen. Miriam und mein Cousin. Wer hätte das gedacht? Sieben Jahre Beziehung einfach weggeschmissen. Und für was? Manchmal hoffe ich, dass sie einfach zu mir zurückkommt und sich für alles entschuldigt. Dass sie das wieder reparieren will und dass wir das schaffen können. Aber das ist wahrscheinlich nur Wunschdenken.

forbidden - AS28 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt