Kapitel 3

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"Sehr gut, Alessandro. Und nochmal zwei Runden um den Platz, dann kannst du duschen gehen." Ich höre die Stimme meines Trainers. In meinen Ohren rauscht es und ich sehe ganz verschwommen. Offensichtlich hat mein exzessives Feiern Spuren an meiner Kondition gelassen. Ausgepumpt jogge ich noch zwei Runden und gehe dann zu den Kabinen.

Dort angekommen schmeiße ich mich auf eine der Bänke und greife kraftlos nach meiner Wasserflasche. "Man, Ales. Du siehst echt fertig aus." bemerkt Max, der sich neben mich gesetzt hat. Ich kann nur nicken, mein Hals fühlt sich so trocken an, dass ich kaum Sprechen kann. "Also Leon und ich haben gedacht, dass wir heute ein paar Leute einladen und ein bisschen FIFA zocken." sagt Max. "Wenn du möchtest, kannst du gerne vorbeikommen. Wir treffen uns bei Leon, weil das von hier näher ist."

Da kommt Leon rein. Er hat sein Handy in der Hand. "Ja, ich sage Max Bescheid. Sehen wir uns gleich noch oder fährst du gleich schon?" er hat dieses verliebte Lächeln im Gesicht, das er nur hat, wenn er mit Sam telefoniert. "Okay, dann sehen wir uns gleich. Ich dich auch." beendet er das Gespräch und steckt sein Handy immer noch lächelnd weg.

Ich freue mich ja für Leon, dass er und Sam so glücklich sind, aber ganz ehrlich: Manchmal könnte ich ihm dieses dämliche, verliebte Grinsen sonst wo hinschieben. Es erinnert mich immer an Miriam und was vorgefallen ist. Und dann macht mich das wütend und unglaublich traurig.

Leon setzt sich neben Max und mich. "Hab alles geklärt. Sam fährt heute mit Kate und Grace ins Kino und danach wollen sie noch bei Max und Kate einen Film gucken. Das heißt wir haben sturmfreie Bude!" verkündet er und veranstaltet mit Max irgendeinen kindischen Handschlag.

Max sieht sich um "Jo, Leute! Wer hat Lust auf ein FIFA Turnier bei Leon?" ruft er in die Runde. Allgemeines Gemurmel und Diskussionen brechen aus und am Ende haben neben Thilo und Amine nur Breel, Weston und Calli zugesagt. Das heißt wir sind acht Leute. Das ist okay. Nichts gegen die Mannschaft, aber wenn wir so viele sind, dann endet es meistens im Chaos.

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"Tschüss, Jungs. Viel Spaß!" ruft Sam durch die Wohnung. Sie macht sich jetzt wohl auf den Weg zu Kate. "Tschüss, Sam!" rufen wir alle gleichzeitig und Sam lacht. Sie drückt Leon noch einen Kuss auf die Lippen und dann ist sie auch schon verschwunden.

Sam ist wirklich mehr als okay. Seitdem sie vor gut eineinhalb Jahren mit Leon zusammengekommen ist, haben wir sie alle liebgewonnen. Die beiden passen wirklich perfekt zusammen und man merkt, wie glücklich sie sind. Und das nach all dem, was bei den beiden vorgefallen ist, denn Sam war schon einmal verheiratet. Sie hat mir die Geschichte mal erzählt, als ich bei den beiden zu Besuch war. Man mag es kaum glauben, was sie schon erlebt hat. Aber das alles, so sagt sie, gehört der Vergangenheit an. Und jetzt sind sie und Leon bereits seit einem halben Jahr verlobt.

"Ich spiele als erstes gegen Breel. Da kann ich mich aufwärmen, denn Breel ist kein ernstzunehmender Gegner." ruft Max. "Ey, pass auf was du sagst, du halbe Portion!" erwidert Breel und schnappt sich den Controller. "Ich werde dir schon zeigen, wer kein ernstzunehmender Gegner ist." Das will Max natürlich nicht auf sich sitzen lassen und greift schnell nach dem zweiten Controller.

Wenig später ist das Turnier in vollem Gange und ich spiele gerade gegen Amine. Es sieht gut aus, denn ich führe 2:1 und es sind nur noch wenige Minuten zu spielen. Da nimmt mir Amine im Mittelfeld den Ball ab und läuft auf mein Tor zu. Angestrengt sehe ich auf den Bildschirm und versuche ihn von meinem Tor fernzuhalten. Mein Vorhaben wird jedoch von einem Handyklingeln unterbrochen. Schnell sehe ich zu meinem Handy und tatsächlich habe ich gerade eine Nachricht bekommen.

Als ich den Absender sehe, wird mir schlecht. Miriam. Ich will gar nicht wissen, was sie geschrieben hat. Sie hat sich die letzten Monate immer mal wieder gemeldet. Ich habe ihr nie zurückgeschrieben und die letzten Wochen war es ruhig. Warum sollte sie jetzt wieder anfangen, mir zu schreiben?

Ein lauter Jubelschrei neben mir reißt mich aus meinen Gedanken. Amine hat das 2:2 geschossen. Ich sehe zu dem Fernseher. Die kleinen animierten Figuren flimmern über den Bildschirm. Ich lasse den Controller sinken und schnappe mir mein Handy. Es gibt wichtigeres, als das FIFA-Match.

Ich weiß nicht, ob du die Nachricht lesen wirst. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich morgen meine Sachen aus der Wohnung holen möchte. Wenn du mich sehen willst, dann schreib mir eine Uhrzeit. Wenn nicht, dann sei einfach nicht zuhause, wenn ich komme. -Miriam

Ich kann nicht glauben, dass sie ihre Sachen holen möchte. Auch wenn unsere Trennung jetzt schon zwei Monate her ist, lagen ein paar ihrer Klamotten und Möbel noch bei mir. Es fühlte sich so an, als hätte sie mich nicht endgültig verlassen. Wenn sie das jetzt alles abholt, ist es vorbei. Ein für alle Mal.

Ein Stechen in meiner Brust breitet sich aus. Ich kann an nichts anderes denken, als an sie. Wie soll ich denn heute Nacht gut schlafen, wenn ich weiß, dass ich sie morgen wiedersehen werde? "Ähm Jungs, ich fahre mal nach Hause." sage ich in die Runde und stecke mein Handy wieder ein. "Wie? Mitten im Spiel? Das kann nicht dein Ernst sein!" Amine deutet anklagend auf den Fernseher. Ich zucke mit den Schultern. Max sieht skeptisch aus. "Du kannst doch jetzt noch nicht gehen. Wir haben doch gerade erst angefangen." sagt auch er vorwurfsvoll.

"Sorry, aber ich bin echt müde." versuche ich mich herauszureden und sehe demonstrativ auf die Uhr. "Wir haben es ja auch schon, ähm... 19:30 Uhr. Ich muss wirklich ins Bett." beharre ich und gähne versuchsweise, aber es muss kläglich ausgesehen haben. "Mein Patenkind geht später ins Bett als du, und die Kleine ist vier Jahre alt." wirft Leon ein und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Habe halt einen geregelten Schlafrhythmus. Ich muss jetzt auch wirklich los. Tschüss, Jungs!" sage ich und laufe schnell zur Tür, ehe noch jemand etwas sagen kann.

Im Auto atme ich tief durch. Dann mache ich mich auf den Weg nach Hause. Es ist ja nicht gelogen, dass ich jetzt ins Bett gehen will. Nur kennen meine Teamkollegen den wahren Grund dafür nicht. Auch wenn es vielleicht kleinlich oder komisch ist: Wenn ich an Miriam denke und was geschehen ist, dann fühle ich mich einfach nur müde und kraftlos.

Zuhause angekommen nehme ich mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank, ohne das ich heute Nacht sicherlich nicht einschlafen könnte. Ich lege mich in mein Bett und schalte den Fernseher an. In der Hoffnung, das würde mich ein wenig ablenken. Und irgendwann spät in der Nacht schlafe ich tatsächlich ein. Mit meinen Gedanken bei Miriam und dem morgigen Tag.

forbidden - AS28 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt