Ein neuer Fall

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Zivas P.O.V.


Ich ging aus dem Aufzug. Eigentlich rannte ich eher. Und zwar direkt in Gibbs Arme.
„Morgen, Boss“, sagte ich.
„Du bist zu spät“, stellte er in seinem üblichen Tonfall fest.
„Ja, tut mir leid.“
„Du fährst.“ Er warf mir den Autoschlüssel zu. 
„Was ist passiert?“, fragte ich, während ich Ellie Bishop, dem Ersatz für Tony und mich, zunickte.
„Petty Officer Frist Class Miley Rickson und General Selena Wayne sind tot“, teilte Gibbs mir mit. „Es ist nicht hilfreich, dass ihr euch abwechselt. Wenn ihr beide arbeiten würdet, müsstet ihr euch in den Fall nicht dauernd wieder einfinden und wäret direkt auf dem Laufenden. Deshalb gibt es Regel Nr. 12. Hättet ihr sie beachtet, wäre das alles nicht passiert.“
„Du weißt, dass es nicht anders geht, Gibbs. Ich ertrage es nicht, die ganze Zeit zu Hause zu sein und Kelly ist nun mal erst fünf Monate alt! Tony muss auch mal ran!“, erklärte ich zum hundertsten Mal. Nur mal zur Erklärung: Tony und ich hatten eine Tochter, Kelly. Man kann sich ja vorstellen, was Gibbs gemacht hat, als er davon erfahren hat. 
Am Tatort angekommen übernahm McGee die Sache mit den Fotos, während Ellie und ich zwischen den Autos umhergingen und eventuelle Zeugen befragten. Wir betraten ein kleines Restaurant, zu dem der Parkplatz, auf dem das Auto der beiden Toten stand, gehörte. 
„Morgen“, sagte ich und wir gingen zur Bar.
„Guten Morgen, die Damen!“ Der Bartyp zwinkerte uns verführerisch zu und setzte ein Lächeln auf.
Wir hoben unsere Hände und zeigten ihm gleichzeitig unsere Eheringe.
„Oh, mist, zwei Ehefrauen“, seufzte er und verzog das Gesicht.
Ich warf ihm einen tödlichen Blick zu.
„Was kann ich für sie tun? Einen Kaffee zum Wachwerden?“, fragte er, weniger enthusiastisch. 
„Nein, danke“, sagte ich uns zeigte ihm meinen Dienstausweis. „NCIS.“
Ellie zeigte ihm ebenfalls ihren Ausweis.
„Oh, ähm, war die Musik zu laut? War ich betrunken am Steuer? Bin ich zu schnell gefahren?“, haspelte er.
„Dafür hätten wir wohl die Homeland Police kommen lassen“, sagte ich kalt.
„Sagen Sie“, fragte Ellie. „Wissen Sie nicht, was da draußen auf dem Parkplatz passiert ist?“ Sie machte ein ungläubiges Gesicht.
„Was soll denn dort passiert sein?“ Er grinste uns an.
„Dort draußen sind zwei Frauen ermordet worden!“, fuhr ich ihn an. „Wollen Sie mir weismachen, dass sie davon nichts gemerkt haben?“
„Davon wusste ich bis gerade nichts“, sagte er und machte ein wenig überzeugendes betroffenes Gesicht.
„Lügen Sie mich nicht an!“, fauchte ich. 
Ellie hielt mich davon ab, ihn gleich umzubringen. „Ist Ihnen zwischen 22 und 3 Uhr etwas Merkwürdiges aufgefallen? War irgendetwas anders als sonst?“
„Hm, nö. Außer, dass der geile Chevrolet da seit etwa 20 Uhr steht und der Besitzer sich aus dem Staub gemacht haben muss. Lasse ihn wohl gleich abschleppen.“
„Nicht nötig. Das ist unser Tatort“, sagte ich grimmig.
„Sagen Sie, verkaufen Sie ihre Tatorte?“, fragte der Bartyp kackfrech.
„Wie bitte?“, fragte ich. 
„Ich habe Sie gefragt, ob…“, begann er, doch ich unterbrach ihn: „Ich habe Sie gut verstanden. Und Sie kommen erst mal mit raus. Oder muss ich Sie zwingen?“ Ich hielt die Handschellen hoch.
„Nein, nein, schon gut!“, wehrte er ab. „Obwohl ich gegen die Handschellen eigentlich nichts einzuwenden hätte.“
Ich sprang vor.
Ein paar Sekunden später lag der Typ auf dem Boden und krümmte sich. „Sie gewalttätige Frau“, krächzte er.
„Ziva!“ Ellie schüttelte den Kopf. „Das ist ist doch echt nicht zu fassen, wie aggressiv du wieder bist!“
„Er hat mich aufgeregt!“, verteidigte ich mich.
„Wenn du das mit allen deinen Zeugen machst, lässt dich Gibbs bald Schreibtischarbeit machen“, meinte Ellie und wir hievten den Bartypen hinaus an die frische Luft.
Gibbs kam uns entgegen. „Ich denke, das hast du zu verantworten, Ziva“, meinte er mit Blick auf den Bartypen.
„Er hat uns angemacht“, grummelte ich. „Wie heißt der eigentlich?“ Ich kramte in seinen Taschen und fand einen Ausweis. „Gordon Tanner. 37 Jahre alt, verheiratet. Ehrlich? Und der wollte uns anmachen?“
„Ist er ein Tatverdächtiger?“, fragte Gibbs.
„Ihm gehört das Restaurant. Oder er arbeitet dort“, teilte Ellie ihm mit.
„Ich übergebe ihn mal unseren Leuten. Ihr schaut euch die Autos hier auf dem Parkplatz an. Vielleicht findet ihr ja irgendwas“, befahl Gibbs.
Wir nickten und begannen am Tatauto.
„Schicke Karre, stimmt schon“, gab ich zu und klopfte ans Fenster. Die Scheiben waren abgedunkelt und man konnte von außen nicht hineinsehen.
„Wie teuer das wohl gewesen sein muss?“, fragte Ellie und legte den Kopf schief. „Aber ein General kann sich das schon leisten, denke ich.“
„Auf wen ist das Auto gemeldet?“, fragte ich und besah mir das Kennzeichen. 
„Auf General Selena Wayne. Sie hat ihn anscheinend mit dem Petty Officer gemeinsam gekauft“, meinte Ellie.
„Waren sie verheiratet?“
„Nein, der Petty Officer hat eine Beziehung geführt, der General war Single.“
„Okay.“ Ich öffnete den Kofferraum. „Oh. Ich glaube, ich weiß, warum sie umgebracht worden sein könnten.“
Der Kofferraum war voller Drogen.

„Gibbs, Gibbs, Gibbs, Gibbs!“, rief Abby, als wir im Büro ankamen.
„Abby, was gibt’s?“, fragte Gibbs.
„Wo sind meine Drogen?!“
„Abby!“, sagte McGee.
„McGee!“, sagte Abby und stemmte die Hände in die Hüften. „Als ich das letzte Mal Drogen analysiert habe, bin ich fast gestorben! Du auch! Dieses Vorurteil meinerseits gegen Drogen muss ich beseitigen!“
„Hier hast du deine Drogen“, sagte ich und gab Abby den Koffer in die Hand. „Kannst du nächste Woche nochmal zum Babysitten kommen? Wir sind auf einem Geburtstag eingeladen.“
Abby nickte begeistert. „Ja, dann kann ich Kelly wieder meine Playlists vorspielen! Das liebt sie!“
Ich machte schlagartig ein ernstes Gesicht. „Nein. Das tust du nicht.“
Abby sah enttäuscht aus. „Na gut. Aber den neuen James Bond könnte ich ihr zeigen…“
„Abby!“
„Schon gut. Mickey Mouse?“
„Viel besser.“ Ich ließ den Koffer los und Abby verschwand in Richtung des forensischen Labors.

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