Ein neuer Anfang

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Tonys P.O.V.

Eine vollkommen fertige Ziva hatte ihren Kopf auf meine Schulter gelegt und schluchzte vor sich hin. „Wir hätten sie nicht im Stich lassen dürfen!“, jammerte sie. „Wir hätten ihnen einen Brief schreiben müssen! Wir hätten…“

„Schhhh“, machte ich und versuchte, mich bequemer in meinem Sitz im Flugzeug hinzusetzen. Es war ein gewöhnlicher Economy-Sitz und somit sehr ungemütlich. Besonders, weil meine Bewegungsfreiheit begrenzt war, da ein fetter Mann neben mir saß. An der anderen Seite saß Ziva und ihr Kopf auf meiner Schulter machte das ganze nicht unbedingt bequemer.

„Marie, bitte beruhige dich“, versuchte ich es. Der fette Mann neben mir schnarchte laut. Unwillkürlich musste ich grinsen.

„David, ich will mich aber nicht beruhigen! Wir haben Kelly einfach dort zurückgelassen!“ Wieder schluchzte sie.

„Sie werden sich gut um sie kümmern“, bekräftigte ich. Wenn das Mädchen bei Gibbs aufwachsen würde, würde sie wahrscheinlich tischlern lernen. Und wenn sie bei Abby aufwachsen würde, würde sie Goth werden. Und wenn sie bei McGee aufwachsen würde… würde sie Spießerin werden. Das kann ich jetzt nicht „gut kümmern“ nennen, aber egal. Ich wollte nur, dass Ziva aufhörte, zu weinen und nicht mehr darüber nachdenken.

Ohne, dass ich es gemerkt hatte, war Ziva eingeschlafen und ihre langen, blonden Locken (ich hasste diese Haarfarbe bei ihr, auch wenn sie natürlich auch damit gut aussah) umrahmten ihr Gesicht.

Dass wir untertauchten, war schon länger geplant gewesen. Als dann der zwanzigste Brief gekommen war, hatten wir unseren Plan wahrgemacht. Wenn Ziva Morddrohungen bekam, waren weder ich, noch Kelly in ihrer Gegenwart sicher. Also hatten wir dafür gesorgt, dass es so aussah, als wären wir gestorben. Wir hatten es niemandem gesagt, damit es möglichst echt wirkte. Niemandem, wirklich niemandem, außer Jenny. Ich hatte darauf bestanden, dass wir wenigstens ihr etwas sagen. Jenny hatte uns neue Identitäten besorgt, neue Jobs, eine Wohnung und ein Auto. Sowie den Flug und abhörsichere Handys, damit wir mit ihr in Kontakt bleiben konnten. Wir hatten einen Plan ausgearbeitet, wie wir die Leute, die Ziva Morddrohungen schickten, fassen konnten. Jenny wollte das Team und einige andere unauffällig auf die Auftragskiller hetzen und wir sollten Auftraggeber ausschalten. Weswegen wir nach Deutschland mussten. Über die Monate hatten wir nämlich herausgefunden, dass der, der die Fäden zog, in Deutschland saß. Und er wollte sich für irgendetwas an Ziva rächen. Wir hatten keine Ahnung, wer es war, wo genau er lebte, oder was Ziva ihm getan hatte. Somit waren wir jetzt David und Marie Meyer. Waren seit vier Jahren verheiratet, hatten keine Kinder und wohnten in einer hübschen Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin. Ich war von Beruf Englischlehrer an einer Gesamtschule und Ziva, also Marie, war Bodyguard und wurde an verschiedenen Veranstaltungen eingesetzt, zu denen Prominente kamen. Wir waren beide fünfunddreißig Jahre alt, das heißt, dass man mich zwei Jahre jünger gemacht hatte und Ziva zwei Jahre älter. Ich war, laut meines Reisepasses und meines Personalausweises, in New York geboren. Ziva war in München geboren worden. Wir hatten uns kennengelernt, als ich ein Auslandsjahr in Deutschland verbracht hatte. Wir waren zusammen nach Amerika gezogen, hatten dort bei meinen Eltern gelebt und, nachdem wir fünf Jahre zusammen gewesen waren, geheiratet. Und jetzt zogen wir, auf Maries Wunsch hin, nach Deutschland zurück.

Ziva grummelte im Schlaf. Ich musste lächeln. Diese verdammten Kontaktlinsen in meinen Augen nervten mich entsetzlich! Außerdem sah ich mich braunen Augen total scheiße aus. Genauso, wie ich Zivas schöne, braune Augen vermisste, die durch hellblaue ersetzt worden waren, vermisste ich ihre wunderbaren, braunen Haare. Blond war einfach nicht ihre Farbe. Und mit Locken sah das ganze noch schlimmer aus.

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