Es knallte ohrenbetäubend. Meine kleine Schwester Mira, die gerade dabei war, mir ein Stück Fladenbrot zu reichen, hielt erschrocken inne. In ihrem Gesicht stand der Schock deutlich geschrieben. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich überall um uns herum Männer auf, die mit Gewehren und Fackeln bewaffnet waren. Einige trugen Fackeln, mit denen sie im Vorbeilaufen den Wald anzündeten, während andere mit ihren Gewehren wild umherschossen und alles töteten, das ihnen im Weg stand.
Durch den Lärm schrie ich ihr zu, sie solle in Deckung gehen, doch da war es schon zu spät. Mehrere Kugeln kamen in unsere Richtung geschossen. Mir gelang es gerade noch, den Tisch umzukippen und dahinter abzutauchen, doch für sie war es bereits zu spät. Eine Kugel traf sie mit voller Wucht in die Brust.
Während sie zusammensackte, sog ihr weißes Oberteil sich langsam mit ihrem Blut voll. Dickes, warmes, tiefrotes Blut. Dass sie auf der Stelle tot war, wurde mir erst bewusst, als ich ihren leblosen Körper in meinen Händen hielt und ihn fest an mich drückte. So sehr ich auch auf das Gegenteil hoffte - ich konnte kein Lebenszeichen mehr wahrnehmen.
Mira, wisperte ich lautlos und starrte in ihre, nun so leeren, Augen. Meine Stimme klang heiser, als ich ihren Namen vor mich hin flüsterte. Mira. Wie paralysiert saß ich hinter dem, auf der Seite liegendem, Holztisch und drückte den kleinen Körper an mich. Meterhohe Flammen loderten um uns herum und fraßen gierig die Bäume auf. Auch in mir tobte ein Feuer.
Ich wollte weinen, doch es ging einfach nicht. Keine einzige Träne verließ meine Augen. Dafür saß der Schock zu tief. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich gerade den Tod meines letzten, gebliebenen Familienmitglieds miterlebt hatte. Zuerst mussten meine Eltern, dann Luna, und jetzt auch noch Mira dran glauben.
Es war eine Erkenntnis, die mir schwer zu schaffen machte und wie eine schwere Last auf mir lag. Sie hinderte mich am Atmen. Ich schluckte schwer.
Ich wusste nicht wann, aber die Schüsse um uns herum wurden immer weniger, bis schließlich eine erdrückende Stille über dem gesamten Platz lag. Ich wollte weglaufen, doch meine Beine bewegten sich keinen Millimeter. Sie waren wie festgewachsen. Stattdessen wiegte ich den Körper in meinen Händen.
Mehrmals wisperte ich ihren Namen. Vielleicht habe ich ihn auch geschrien. In dem Moment war es mir egal, denn er war alles das mir jetzt noch blieb. Eine letzte, schmerzhafte Erinnerungen an eine wundervolle Person, die ich mit ganzem Herzen geliebt hatte. Meine Gedanken waren völlig vernebelt, ich konnte nicht mehr klar denken.
Noch immer herrschte eine Totenstille über dem Platz. Genau wie vorhin, als meine Welt noch heil gewesen war.
Plötzlich packte mich jemand äußerst unsanft an meinem Oberarm und zog mich hoch. Zunächst trat ich noch mit aller Kraft um mich, sah dann doch recht schnell ein, dass es keinen Zweck hatte. Der Feind war in der Überzahl, aber alles was für mich zählte, war meine Schwester, die ich immer noch fest an mich drückte. Da ich mich nicht weiter zur Wehr setzte, ließen sie kurzzeitig von mir ab, bevor sie mehrmals versuchten, mir den leblosen Körper aus den Händen zu reißen.
Anstatt jedoch loszulassen, klammerte ich mich am Saum ihres schmutzigen Shirts fest, der nach wenigen Sekunden riss, sodass ich nur noch einen Stoffstreifen in meinen Händen hielt. Fassungslos starrte ich auf den zerrissenen Stoff, während sie mich quer durch den Wald zerrten. Den Leichnam meiner Schwester ließen sie ungeachtet an Ort und Stelle liegen.
Erst als wir vor einem, im Gebüsch verstecktem Auto ankamen, realisierte ich was gerade passiert war. Die ersten Tränen traten in meine Augen, während eine Gruppe von muskulösen Männern, die um mich herum standen, mir neugierige Blicke zuwarfen.
Sieht gesund aus, der Kleine, meinte einer von ihnen mit harschem Tonfall. Jung und bis auf weiteres unverletzt - das ist unser Mann.
Als er hämisch grinste, kam eine Reihe hässlicher, krummer, gelblicher Zähne zum Vorschein. Alle anderen lachten herzlos.
Dann wurde ich ohne weitere Worte in den Wagen bugsiert, wo man mich anschließend einsperrte. In meiner rechten Hand hielt ich den Fetzen verborgen, mit der linken wischte ich mir nassen Spuren aus dem Gesicht.
Als der Motor schließlich laut aufheulte und der Wagen durch das Gehölz holperte, schwor ich mir, meine geliebte Familie zu rächen.
DU LIEST GERADE
Der Fluch der Unsterblichkeit #ProvisorischerTitel
Short StoryEine fantasievolle Kurzgeschichte, ohne Klappentext und Cover, die demnächst überarbeitet werden soll und die mit einem Wortlimit geschrieben wurde. Einmal durchzulesen dauert nicht allzu lange, da bleibt sogar Zeit, um mein bescheuertes Geschreibse...