5. Vertrauen ist Alles

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Obwohl wir uns erst wenige Minuten kannten, ertrug ich es nicht, sie so zu sehen. Ihr Zustand ließ mein Herz, zu schmerzen. Ich wollte sie trösten, sie all das hier vergessen lassen. Ich wollte, dass sie glücklich war - sie hatte das hier nicht verdient. Es war einfach nur ungerecht!

Ohne lang darüber nachzudenken, überwand ich den geringen Abstand zwischen uns und schloss mit klopfendem Herzen meine dünnen Arme um sie. Zu meiner Überraschung wehrte sie sich nicht, sondern drückte sich nur festes an mich. Der blumige Duft ihrer Haare kitzelte meine Nase. Ich sog ihn tief in mich hinein. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte das Gefühl, dadurch noch enger mit ihr verbunden zu sein. Das Band wurde stärker.

Nach einer Weile löste ihr warmer Körper sich jedoch von meinem. Die Blase des Wohlbefindens platzte. Wir befanden uns wieder in der Realität. Sie schniefte, meine Zähne klapperten wegen der plötzlichen Kälte.

"Es muss doch irgendwas geben, das wir machen können!", wisperte sie verzweifelt und sah mich an. Nasse Spuren glänzten auf ihren Wangen. In ihren feuchten Augen konnte ich eins ganz klar erkennen: Verzweiflung. Sie in diesem Zustand zu sehen, löste etwas in mir aus. Etwas das ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Etwas, das mich dazu brachte, meine eigenen Probleme zu vergessen, und meine gesamte Aufmerksamkeit auf die junge Frau zu richten. Mitleid.

Mit meinen Daumen strich ich ihr die Tränen aus dem Gesicht, sodass nur ein leichtes Glitzern auf ihren weichen Wangen zurückblieb. "Hör zu", flüsterte ich ihr zärtlich ins Ohr, "Es wird alles gut werden, das verspreche ich dir!"

Woher ich diese Gewissheit nahm? Keine Ahnung. Eigentlich war ich mir sogar sicher, dass nichts gut werden würde. Und trotzdem kam es mir das Gesagte richtig vor, denn tief im Inneren zweifelte ich dieses "nichts" an.

"Sicher?" Unsere Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich konnte ihren warmen Atem an meiner Wange spüren, als sie meinen Blick suchte. Ihre Finger spielten nervös mit einem losen Faden, den sie zuvor von ihrem Shirt abgerissen hatte.

"Bestimmt." Beruhigend legte ich eine Hand auf ihre Schulter und drückte leicht zu.

Dennoch blieb ihr Blick voller Angst vor dem Unvorhersehbaren. "Wie kommen wir bloß hier raus?", wisperte sie zaghaft und schmiegte sich wieder an mich.

Ich tat so, als würde ich die Antwort nicht wissen, obwohl ich wusste dass sie gar nicht lautete. Dann nahm ich ihre wärmenden Hände in meine kalten. "Wir brauchen etwas um das Schloss aufzubrechen. Etwas dünnes, flexibles, das gleichzeitig auch stabil ist - wie Draht zum Beispiel!" Ich deutete in eine der dunklen Ecken, während sie verständnisvoll nickte. "Mit den Steinen dort drüben könnten wir anschließend die Kameras außer Betrieb setzten."

"Das bedeutet, wir brauchen nur etwas um die Schösser aufzubrechen und danach wären wir frei?" Hoffnung mischte sich in die Angst in ihrem Blick.

"Theoretisch ja." Ich nickte. "Allerdings wird durch das Zerstören der Kameras ein Alarm ausgelöst, der uns recht wenig Zeit für eine Flucht lässt. Aber sicherlich rechnen die Menschen nicht damit und wir haben freie Bahn."

Plötzlich ging ein Leuchten über Naomis Gesicht und sie begann hektisch in ihren Haaren zu wühlen, bis sie mir triumphierend einen kleinen, metallenen Gegenstand vor die Nase hielt. "Haarnadel gefällig?" Mit einem triumphierenden Grinsen hauchte sie mir einen zarten Kuss auf die Wange, der noch Minuten später prickelte. Während ich versuchte, das gerade Geschehene zu realisieren, drückte mir das Ding in die Hand.

Der Fluch der Unsterblichkeit #ProvisorischerTitelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt