„Don't stress, do your best, forget the rest."
(Unbekannt)
„Ich hatte wirklich gedacht, ich wäre letztes Mal verdammt aufgeregt gewesen", erzähle ich meiner guten Freundin am Abend vor dem Tag, der mir hoffentlich den Sieg bringen wird. „Ich habe mich bitter getäuscht."
„Das ist doch normal. Ist man einmal gescheitert, ist man beim zweiten Mal nur umso nervöser."
„Nervös? Ich kann von Glück reden, wenn ich den morgigen Tag erlebe und nicht schon heute Nacht krepiere", erwidere ich.
„Du wirst überleben, keine Sorge."
„Ja, ich werde es schaffen. Ich werde siegen. Ich muss ja auch siegen, ich habe mich so sehr angestrengt, das ist die einzige logische Konsequenz. Außerdem, wenn ich es dieses Mal verbocke, dann–"
„Versuchst du dich gerade an Optimismus?"
„Ja. Ist noch nicht ganz ausgereift, ich weiß", gestehe ich.
„Du solltest dich nicht so stressen. Das hast du nicht nötig. Und füg deinem Optimismus noch eine Priese Realismus hinzu, dann wirst du ihn dir auch besser abkaufen können", rät sie mir.
„Realismus?"
„Es gibt zwei mögliche Ausgänge, entweder gewinnst du oder du scheiterst. Sei dir darüber bewusst. Es macht keinen Sinn, nur das Positive oder nur das Negative zu sehen, die Kunst ist es, beides zu sehen, aber dennoch auf das Positive fokussiert zu sein."
„Aber die Tatsache, dass ich scheitern könnte, macht mich krank. Ich muss sie einfach ausblenden. Würde ich sie einblenden, würde das doch bedeuten, dass es mir nicht so wichtig ist, zu gewinnen. Dabei ist mir nichts wichtiger", werfe ich ein.
„Nein, das bedeutet es nicht. Ganz und gar nicht. Vielmehr nimmst du dir damit die unter Druck setzenden Gedanken, dass nur Gewinnen eine Option für dich ist. Und ohne diese Gedanken hast du Platz für andere, zielführendere Gedanken."
„Aber Gewinnen ist ja auch die einzige Option. So ist es einfach", sage ich.
„Ein solches Mindset reißt einem bei einer Niederlage den Boden unter den Füßen weg. Kommt dir das nicht bekannt vor?"
„Schon."
„Genau. Du warst schon an diesem Punkt. Du bist schon mal gescheitert, als du dachtest, dass Gewinnen die einzige Option wäre. Aber war es wirklich die einzige Option? Nein. Dein Leben ist weiter gegangen. Du hast eine Alternative gefunden. In diesem Falle jene, es erneut zu versuchen. Du wirst immer Alternativen finden, es wird immer Wege gebe, die dir deine Niederlage nicht verbaut und die dich ansprechen werden", führt sie ihre Gedanken aus.
Ich schweige nur, weil sie irgendwie Recht hat, ich das aber nicht zugeben will.
Also spricht sie weiter: „Mach dir nicht nur bewusst, dass eine Niederlage im Bereich des Möglichen liegt, wenngleich sie eher unwahrscheinlich ist, sondern auch, dass sie kein Weltuntergang wäre."
„Na schön", lenke ich ein.
Ich schaue zu ihr. Sie schweigt.
Verwirrt sehe ich sie an. „Kommt noch was?"
„Nein, ich warte."
„Worauf?"
„Darauf, dass du es dir klar machst und endlich aufhören kannst, dich total zu stressen, weil du weißt, dass dir nichts passieren kann."
Und dann stehen wir eine Weile lang da, sie schweigt und ich versuche, die neuen Gedanken meinem Verstand als die Wahrheit zu verkaufen. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ich ruhiger werde.
Ich bin bereit zu siegen.
Atmen.
Ich bin optimal vorbereitet, meine Chancen stehen hervorragend.
Atmen.
Wenn ich nicht siege, ist das kein Weltuntergang.
Atmen.
Ich habe schon eine Niederlage überlebt, ich würde auch eine zweite überleben.
Atmen.
Jede Niederlage wird mich etwas Neues und Wichtiges lehren.
Atmen.
Es wird immer einen Weg für mich geben. Ich kann gar nicht versagen.
Atmen.
Ich bin bereit zu siegen.
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Ein Schritt zurück
Historia Corta„Ein Schritt zurück ist nicht immer ein Rückschritt." Kurzgeschichte über eine Niederlage, an der jemand wuchs. (c) kvnstlermxdchen All Rights Reserved April 2018