Prolog

28 3 6
                                    

Eine Gestalt schlich auf leisen Sohlen durch das Labyrinth an dunklen und engen Gassen der Stadt.

Die Sterne standen schon hoch am Himmel und das rege Treiben, das tagsüber herrschte, war der stillen Nacht gewichen. Der Mond tauchte, die sich im Wind knarzenden Hütten, in ein silbriges Licht. Dicht an dicht gedrängt standen sie da, fast so als wollten sie sich gegenseitig wärmen.

Den tiefschwarzen Umhang fest um sich geschlungen und die Kapuze tief in das Gesicht gezogen, verschmolz die Gestalt mit den Schatten der Nacht. Bedacht darauf nicht entdeckt zu werden, huschte sie von Nische zu Nische. Tastete sich vorsichtig, an den von Wind und Wasser gezeichneten Hütten, weiter die düstere Gasse entlang.

Plötzlich öffnete der Schatten ohne Vorwarnung eine versteckte Tür, über der ein Schild mit abgeblätterter Farbe zum „weinenden Messer" verkündete und schlüpfte schnell hindurch.

Im Inneren herrschte lautes Stimmengewirr, von dem an den vom Alkohol klebrigen Tischen, sitzenden Kunden. Eine einzige flackernde Öllampe tauchte den vollbesetzten Raum in schummriges Licht. Doch das schien die Menschen nicht daran zu hindern Karten zu spielen und sich lautstark über das Schummeln anderer zu beschweren, während sie selbst einige Karten unbemerkt verschwinden ließen.

Die geheimnisvolle Gestalt durchquerte, das Gesicht immer noch verdeckt, mit wenigen Schritten den Raum und blieb vor einer kleinen Theke aus sprödem Holz stehen. Ein desinteressierter drein schauender Mann dahinter putzte mit einem schmutzigen Lappen ein fleckiges Glas und schnauzte: „Was soll's sein?", wendete sich dann jedoch sofort wieder seiner Beschäftigung zu, wobei er es dreckiger machte als es eh schon war. Der Fremde beugte sich vorüber die Theke und flüsterte dem Mann etwas zu. Seine Stimme war kratzig, wie Stein auf Stein. Keinerlei Emotionen schwangen darin mit.

Der Wirt erstarrte mitten in der Bewegung, schaute die Gestalt mir zusammengekniffenen Augen an und nickte dann ergeben. Er drückte auf eine unscheinbare Klingel auf dem Tresen.

Kurz darauf erschien ein dürrer Junge in einer Tür hinter ihm. Er trug eine abgewetzte Latzhose und fettige Schuhe. Ein Träger hing lose an ihm herab. Seine Haut erschien unter den kohlrabenschwarzen Haaren noch blasser als sie ohnehin schon war. Die Augen weit aufgerissen, huschten sie im Raum umher. Erschrocken zuckte er bei dem Klang der barschen Stimme des Wirtes zusammen. „Diego! Bring unsern Gast in die Kammer", der Mann scheuchte den Jungen mit einem knappen Wink weg. Welcher ängstlich nickte und rasch in Richtung einer anderen Tür hastete. Bei ihr angekommen versicherte er sich noch einmal mit einem Blick über die Schulter, ob ihm die Gestalt auch folgte und hielt sie für den Fremden auf. Der geschmeidig über die Schwelle trat und ungeduldig wartete bis das Kind sie schloss.

Es führte ihn, nun schon nicht mehr so eingeschüchtert, einen muffigen Gang entlang und stieg dann hastig eine ächzende Treppe hinunter, die in einem schwarzen Loch endete. Die Gestalt blieb oben stehen und kurz darauf flammte ein Lampe im Keller auf, erhellte dadurch die Treppe.

Anmutig, so als würde sie schweben, schritt der Fremde die Stufen hinunter in die bedrückende Stille. Nur das Geräusch der schwarzen Stiefel auf Stein durchbrach sie. Unten angekommen führte der Junge die Gestalt eifrig weiter durch ein Labyrinth aus stockdunklen nach Moder riechenden Gängen. Selbst das Licht der schläfrigen Lampe hatte Mühe nicht von der hungrigen Dunkelheit verschlugen zu werden.

Nach einiger Zeit endlich, wurde Diego langsamer. Er öffnete eine hölzerne Falltür in der tiefen Decke, die sich dort fast unsichtbar befand. Das Kind gab der Gestalt die Öllampe, bedacht darauf ihm nicht in die Augen zu blicken. Rasch zog sich der Junge hoch in die schwarze Öffnung. Kurz darauf schob sich quietschend eine verrostete Leiter durch das Loch und senkte sich zu dem Fremden herunter.

Das vergessene LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt