Die geheimnisvolle Schatulle Teil III

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Yia musste für einen kurzen Augenblick ihre Augen schließen, zu geblendet war sie von den Öllampen, die den Korridor vor ihr in weißes Licht tauchten. Im Schein der prunkvollen Kronleuchter konnte sie Taylan zum ersten Mal richtig betrachten.
Er sah gut aus. Seine dunklen, nicht zu kurzen Haare harmonierten mit dem atemberaubenden blau seiner Augen. Die Nase saß wie maßgeschneidert auf in seinem kantigen Gesicht und er strahlte Freundlichkeit aus, wie kein anderer. Doch das konnte täuschen, wusste Yia jetzt. Ihr Blick fiel auf seine schlanken Finger, perfekt um Cembalo zu spielen. Oder eine gefährliche Waffe zu führen, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.

Als sie seinen fragenden Blick spürte, errötete sie und trat schnell über die Schwelle. Wie peinlich, dass er sie beim Starren erwischt hatte. Sie drehte sich um, um ihn nicht ansehen zu müssen und rief sich in Erinnerung, dass er sie wie ein Stück Dreck behandelte. Schönheit war keine Entschuldigung für sein Verhalten, sie war er ein Grund noch mehr Vorsicht walten zu lassen. Schöne Menschen waren die gefährlichsten, dies hatte sie schon viel zu früh gelernt. Schnell schob sie den Gedanken an ihre erste Liebe und der tief sitzende Verrat beiseite.

Gespielt interessiert beobachtete Yia wie sich die Tür hinter ihr schloss. Sie offenbarte ein grässliches Gemälde, welches auf der Rückseite der Tür hing.
Das Bildnis zeigte einen alten Mann mit kalten Augen, die bis auf den Grund ihrer Seele blicken konnten. Der emotionslose Blick brachte sie zum schaudern und Yia spürte wie sich kalte Finger um ihr Herz schlossen.

Er war einer der ersten Herrscher dieses Landes gewesen und war berüchtigt für seine Grausamkeit. Seine beiden Töchter hatte er in einen Käfig gesperrt und sie in der Wüste ausgesetzt. Ohne etwas zu essen oder zu trinken, zusammen mit einem zu Tode gehungerten Adler, der sie langsam auffraß. Stück für Stück. Den Grund kannte niemand, doch die verzweifelten und qualvollen Schrie der beiden Mädchen hatten selbst noch die Bürger dieser Stadt, zwei Tagesmarsche entfernt, gehört. So erzählte man es sich. Doch sein Name war schon längst in Vergessenheit geraten und das Namensschild unter dem Rahmen war von irgendwelchen Plünderer gestohlen worden.

Yia drehte sich darauf hin doch lieber dem Prinzen zu - eindeutig war er das kleinere Übel - und folgte ihm dann durch die verwirrenden Korridore der Festung.

Ihr Weg führte vorbei an tausenden von Bildern. Die Einen stellten die anderen Werke in den Schatten, die Anderen ließen einem verächtlich wegsehen. Yia bewunderte vor allem, die unbezahlbaren Kronleuchter, die an der Decke hingen. So etwas schönes hatte sie noch nie gesehen. Das Licht spielte mit den Edelsteinen und verströmte eine angenehme Wärme. Manchmal hörte man das Singen der Steine aufgrund von Luftzügen, die durch die Gänge tanzten. Die Böden waren ausgekleidet mit längst ausgerotteten Holzsorten. Weiches, federndes Holz, dass einem jedem Schritt darauf anbot. Die dicken roten Teppiche darüber schluckten jedes Geräusch. Alles hörte sich unwirklich und dumpf an. Sie begegneten niemanden, nicht einmal Dienern. Alles war Still, zu still und so liefen schweigend nebeneinander her. Yia konnte es kaum erwarten, dass der der Prinz die versprochenen Informationen über ihre Mutter herausrücken würde. Doch sie wusste, wie alle Geschäfte würde sie ihren Anteil erst nach der Arbeit bekommen.

Plötzlich blieb Taylan vor einer, aus hellem Holz geschnitzten, Tür stehen und schaute sich aufmerksam um.

„Könntest du diese Tür öffnen?", fragte er höflich. Yia erschrak etwas, vergessen hatte sie schon den Klang seiner Stimme. Sie machte den Anschein rau zu sein, doch bei näheren Hinhören erklang sie weich, mit ein Hauch von Heiserkeit.

„Ja sicher", ihre Stimme zitterte etwas vor Aufregung. Rasch löste sei die zwei kleinen Nadeln aus ihrem Haar. Dann widmete sie sich dem Schloss, spielte mit ihm. Das Geheimnis jedes Türknackers war Gefühl. Man musste es bis in die Fingerspitzen fühlen, ein leichtes aufgeregtes Prickeln, dass einem den richtigen Weg leitete.

Das vergessene LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt