3. Der Engel auf seinem weinroten Grab

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Seine langen, dürren Finger krallten sich in das trockene Holz. Er lehnte sich noch ein Stück weiter vor und spähte um die Ecke des Hauses. Der Wind wehte die Stimmen von zwei jungen Personen, in nicht allzu weiter Entfernung, zu ihm herüber. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn, als er die beiden musterte und er spürte wie sich seine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln verzogen. Es waren schon zu viele Tage vergangen, seit dem er zuletzt diese Bewegtheit in sich wahrgenommen hatte. Die kribbelnde Vorfreude auf das Bevorstehende, die berauschend durch seine Adern floss.

„Danke Yia. Hier, dein Geld." Der Junge nahm ein paar Dokumente entgegen. Das Kind hatte ihm sein Gesicht zugewandt und er konnte seine hellen Haare und die verschmitzten, hellblau funkelnden Augen erkennen. Das erfreute ihn. Diese Sorte von Mensch mochte er am liebsten. Sie rannten als erstes vor ihm davon. Rannten um ihr Leben, wie eine kleine Maus vor einer Katze. Dieses Spiel liebte er, denn er gewann immer. Immer.

Das Mädchen, stand mit dem Rücken zu ihm und schloss ihre Finger um die Silberstücke, die ihr der Junge hinhielt. Es war zart, so zart. So weich. So einfach aufzuschlitzen. Seine Nägel würden ihre Haut wie Butter durchschneiden.

„Wir sehen uns", verabschiedete sie sich und lief federnden Schrittes davon. Hinein in die behagliche Dunkelheit. Der Junge hob die Hand, doch das Mädchen sah es nicht mehr. Gedankenverloren lies er sie sinken und schaute ihr hinterher.

Die Zeit war gekommen. Jetzt war er am Zug, bestimmte das kommende Spiel.

Er löste sich von der Wand und bewegte sich in Richtung seines Opfers. Er roch es. Die Süße. Es lies ihn erschauern. Er reckte seine Nase in die Luft, wollte mehr von diesem lieblichen Duft. Zog ihn genüsslich ein. Lautlos schlich er auf den Jungen zu, die Dunkelheit folgte ihm unterwürfig.

Der Mond überzog die dunkle Haut des Kindes mit silbernen Licht und legte sich wie ein Heiligenschein um ihn. Es entflammte seine Lust. Seine Finger zitterten vor Erregung, seine Beine bewegten sich wie von selbst.

Da nahm der Junge ihn war, blickte direkt in seine Augen. Unschuldig. Ein wohliges Gefühl breitete sich ihm aus. Er lächelte, gierig. Das Kind lächelte zurück und ließ sein ganzes Gesicht erstrahlen. Es wusste nicht auf ihm zu kommen würde. Sah sah seine Absichten nicht. War viel zu naiv.

Er hatte sich geirrt. Der Junge würde nicht fliehen, er würde um sein Leben betteln. Doch das beflügelte ihn nur noch mehr.

Er trat einen Schritt vor, umfasste plötzlich mit beiden Händen den kleinen gebrechlichen Hals und drückte zu. Hob das Kind in die Luft. Nun konnte er es in Ruhe betrachten. Er genoss den Anblick von Grauen auf dem zierlichen Gesicht. Ein Lachen entglitt seiner Kehle. Oh, wie sehr er diesen Duft von Angst liebte, er war beinahe süchtig danach. Es durchfuhr ihn wohlig, als das Kind anfing zu röcheln, unter ihm zuckte. Wie schwach es nur war.

Abrupt lies er es los. Hilflos, wie ein Fisch, schlug es mit einem dumpfen Geräusch vor ihm auf den Boden. Sank vor ihm nieder. Bettelte um sein Leben. Tränen rannen seine Wangen hinunter. Bäche voller Todesangst. Er fing sie auf. Sie waren heiß in seiner Hand. Brannten wie Feuer. Es war ein wunderbares Gefühl. Er streichelte die weiche Haut. Der Junge wich auf Knien zurück. Sein längst vergangenes Lächeln war einer Grimasse aus Furcht gewichen. Die hellblonden Haare fielen ihm in die Augen. Der Anblick des Jungen benebelte ihn, versetzte ihn in einen euphorischen Rausch. Das Kind verbreitete eine unbeschriebne Schönheit. Eine Schönheit vom Tod gezeichnet. Er liebte diesen Ausdruck in seinem Blick. Die Erkenntnis des Todes. Das Gewissen den letzten Atemzug zu tun.

Er beugte sich über das zusammengekauerte Geschöpf.

In seiner Pupille spiegelte er sich. Fasziniert beobachtete er sein Abbild. Die wunderschönen Augen, schwarz wie der Tod. Er fuhr sich über die wulstige Narbe und genoss den Anblick seiner weiblichen Konturen. Dieser Körper war eine Wohltat und die Energie ein Segen.

Sein Herz machte einen Hüpfer, als er die pochende Ader am Hals des Kindes entdeckte. Sie sprang unaufhörlich. Versuchte seinen Fingernägeln zu entfliehen. Ein Glucksen formte sich in ihm. Kam aus seinem tiefsten Inneren und bahnte sich seinen Weg nach oben, befreite sich.

Zärtlich strich er über die Pulsader. Kostete jeden Augenblick aus, jede Regung in seinem Minenspiel: Panik, Horror, Entsetzten. Ein Wimmern entschlüpfte dem Jungen. Das letztes Wimmern, das letztes Betteln, der letzter Blick, der letzter Atemzug. Dann fuhr er mit seinem Finger über seine hauchdünne Haut, schlitzte sie auf.

Ein roter Strich erschien. Wechselte von einem Rinnsal aus Blut, zu einem spritzenden Strom. Tropfen für Tropfen berührten seine Haut. Überschütteten ihn mit Wonne.

Die Farbe wich aus dem kleinen Gesicht. Eine Leere trat an dessen Stelle. Der Schleier des Todes lag auf seinen Augen. Er sackte zu Boden. Nun lag er da, auf seinem eigenen weinroten Teppich. Mit einem Kranz aus weißen Haaren.

Er hatte dieses Wunderwerk geschaffen.

Und er lachte. Lachte vor Glückseligkeit.



Boa irgendwie liebe ich aus der Sicht eines Bösen zu schreiben ^-^

Das vergessene LandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt