02; unordnung

511 31 15
                                    

t e s s a

Ich holte noch ein letztes Mal tief Luft, hob dann im nächsten Moment meine Hand und drückte mit dem Zeigefinger auf die goldene Klingel, die zu der Tür gehörte, vor der ich stand. Ich blickte auf die dunkelbraune Holzfläche und wartete darauf, dass mir aufgemacht wurde. Ich hatte den Bewohner am vorigen Tag wegen dem Job als Babysitterin angerufen und nach einem Gespräch wurde mir gesagt, dass ich vorbeikommen sollte, um noch ein paar Details zu besprechen.

Es dauerte ein paar wenige Sekunden, aber nach kurzem Warten ging die Tür dann endlich auf. Ich wollte einen guten ersten Eindruck machen und verzog meine Lippen deshalb reflexartig zu einem höflichen Lächeln, während ich mitansah, wie die Haustüre sich einen Spaltbreit öffnete. Zu meinem großen Erstaunen erblickte ich dann aber keine männliche Figur, wie ich eigentlich erwartet hatte, sondern einen kleinen, blonden Kopf, welcher noch nicht mal die Hälfte meiner eigenen Körpergröße erreichen konnte.

Verwirrung stieg in mir auf und ich musste erstmal richtig hinsehen, ehe ich realisieren konnte, dass das kleine Persönchen, das da vor mir stand, mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit eben das Mädchen war, auf das ich vielleicht schon in naher Zukunft aufpassen durfte. Ich hatte zwar keine Ahnung, wieso ausgerechnet sie mir die Haustür aufgemacht hatte, aber schon bei ihrem Anblick glaubte ich zu fühlen, wie mein Herz mit einem Mal schneller schlug. Sie war klein und zierlich, hatte große Augen und blonde Haare, welche ihr bis zu den von einem pinken T-Shirt bedeckten Schultern gingen - kurzum, sie war einfach zu süß.

"Oh, uh-hi!", machte ich überrascht, während ich ein paar Mal schnell hintereinander blinzelte und mich gleichzeitig ein wenig bückte, um mein Gesicht so auf die ungefähre Höhe des kleinen Mädchens bringen zu können, ihr so näher zu kommen. In meinem Kopf ratterte es bei ihrem Anblick und ich schaffte es zum Glück noch, mich an den Namen zu erinnern, den ihr Vater mir am letzten Tag netterweise schon verraten hatte. "Du bist bestimmt Ellie, nicht wahr?"

Ich schenkte ihr ein Lächeln, aber das kleine Mädchen schien gar nicht daran zu denken, es zu erwidern. Sie klammerte sich bloß mit ihren Händen an der Tür fest und presste die Lippen fest aufeinander, schaute mich mit ihren blauen Augen an. Sie wirkte ziemlich ängstlich, schien sich vor meiner Gestalt fast zu fürchten. Ich wusste nicht wirklich, was ich tun sollte, aber mein Herz hielt es irgendwie nicht aus, so starr und intensiv von einem kleinen Kind angestarrt zu werden, ohne etwas dagegen tun zu können. Ich war unschlüssig, versuchte trotz allem noch möglichst freundlich auszusehen, wollte, dass die Blondine begann, sich etwas wohler zu fühlen.

"Bist du alleine?", fragte ich sie sanft, wobei ich einmal unauffällig hinter sie blickte, um durch den schmalen Spalt in die offene Wohnung sehen zu können. "Ist dein Vater nicht da?"

Wieder keine Antwort.

Ich runzelte die Stirn, aber bevor ich mir unnötige Sorgen über die An- oder Abwesenheit ihres Vaters machen konnte, sah ich auf einmal, wie die Haustür jetzt weiter aufgemacht wurde, wie plötzlich eine etwas größere Person in mein Blickfeld trat. Die Blondine schaute ebenfalls nach oben und ich richtete mich reflexartig wieder auf, sodass ich dem Jungen, der eben gekommen war, ins Gesicht schauen konnte. Und ja, ich nannte ihn absichtlich einen Jungen, weil seine Gesichtszüge und seine gesamte Erscheinung noch so jugendlich wirkten. Ich wusste im ersten Moment überhaupt nicht, was ich sagen sollte, starrte nur wie hypnotisiert in die erwartungsvollen Augen meines Gegenüber, während er mich ganz offensichtlich für eine kurze Nanosekunde zu mustern schien.

"Hey.", begrüßte er mich dann endlich, seine Stimme kratzig und tief. "Bist du Tessa?"

"Ja, uh- ja.", stammelte ich verwirrt, legte den Kopf schief. "Und, uhm- du bist- uh-"

nightmare ❀ taddl, ardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt