6. Kapitel

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"Du hast doch gemerkt, wie sie drauf ist- das wird hier sonst alles nicht funktionieren!", rief Zayn, offensichtlich aufgebracht von Harrys Entgeisterung. "Wir beide sind auf einer Seite, verstehst du? Ich habe einfach für einen kurzen Moment die Kontrolle verloren. Hier steht viel auf dem Spiel.", sagte er aufgewühlt und fuhr sich wieder durch die dunklen Haare.

Harry nahm wieder etwas Abstand von Zayn, sein Kiefer war jedoch immer noch angespannt.

"Ist mir klar, aber das passiert nicht noch einmal. Wir verletzen sie nicht. Es war so abgemacht, Zayn, wir sind nicht so.", sagte Harry leise und eindringlich.

"Man schlägt keine Frauen.", fügte er hinzu.

Mit diesen Worten wendete er sich ab und ging zügig über den großen Parkplatz in Richtung eines ähnlichen Autos wie das, in dem wir schon den ganzen Tag gefahren waren. Zayn warf mir einen Blick zu und ich rappelte mich sofort auf, um mit ihm hinter Harry herzugehen.

Die Präsenz der Waffe in Zayns Hosentasche war beinahe spürbar, fast so, als würde sie die Gefahr greifbar ausstrahlen. Er ging zwar vor mir, aber uns beiden war klar, dass ich jetzt keinen Gluchtversuch starten würde.

Ob Harry von der Waffe wusste? Natürlich tat er das. Warum nur fühlte ich mich in seiner Nähe besser? Nur weil er weniger aggressiv war als sein Komplize? Es war dumm von mir, das zu glauben. Zu glauben, dass er gut war. Er hatte mich schließlich entführt. Aber trotzdem...

Anscheinend hatte Harry Decken und Kissen besorgt, abgesehen davon gab es in dem neuen Wagen Wasser und belegte Brötchen, deren Anblick mich erfreuten.

"Wir wollten das Auto doch erst morgen wechseln. Warum haben sie es schon gebracht?", sagte Zayn.
"Keine Ahnung. Vielleicht fahren wir besser noch ein kleines Stück, bevor wir uns hinlegen. Der Parkplatz hier könnte morgen früh viel voller sein. Sicher ist sicher.", erwiderte Harry schulterzuckend.

"Seit wann bist du der Vorsichtige?", fragte Zayn lächelnd. Das war ein komischer Anblick. Harrys Blick streifte mich so kurz, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es mir nur eingebildet hatte.

"Ich gehe vorher noch zur Toilette, wo wir einmal bei einer Raststätte sind.", sagte Zayn.
Geschickt fing er die Zahnbürste auf, die Harry ihm zuwarf.

Sie hatten echt an alles gedacht. Das alles hier war nicht nur beängstigend, sondern auch verwirrend. Warum wurden Menschen entführt? Zur Erpressung? Aber das machte in meinem Fall keinen Sinn, meine Eltern waren nicht außergewöhnlich reich.

Nachdem Zayn wieder zurückgekehrt war, gingen Harry und ich zur Toilette. Er kam mit mir in die Damentoilette, was ihm anscheinend peinlich war, was ich amüsant fand.

Er bestand darauf, dass wir uns die Zähne im Herrenklo putzten und ich konnte geradeso ein Glucksen unterdrücken.

Als wir uns dann die Zähne putzten überkam es mich einfach; als ich sah, wie er sich mit einer pink glitzernden Kinderzahnbürste die Zähne putzte, lachte ich unkontrolliert los.

Es gab einfach ein absurdes Bild ab, wie die Zahnbürste beinahe komplett in seinen Händen verschwand. Und dann auch noch die Farbe, kombiniert mit seinen dunklen Tattoos.

Von meinem Lachen angesteckt, fragte er, was ich denn so belustigend fände.

"Die hatten hier keine anderen", nuschelte er schmunzelnd, mit einem leicht beleidigten Unterton in der Stimme.

Als ich mich wieder eingekriegt hatte, murmelte ich beschämt: "Jetzt werde ich schon wahnsinnig, das ist wohl meine Art, das hier zu verarbeiten.", sagte ich und machte eine umfassende Handgeste.

Mein Spiegelbild sah mir mit leuchtenden Augen entgegen, meine Wangen waren gerötet. Auch Harry betrachtete mich durch den Spiegel, nach meiner letzten Aussage wieder ernst geworden. Er hatte seine Arme auf das Waschbecken gestützt und den Kopf ein wenig schief gelegt, wodurch ihm seine Haare ein bisschen im Gesicht hingen.

Ich bemerkte sehr wohl, dass ich mich ihm gegenüber gerade sehr aufgeschlossen verhielt, was mich selbst verwunderte.

"Harry?", fragte ich leise und schlug die Augen nieder, sein Blick machte mich unsicher.
"Hm?", antwortete er

"Kannst du mir bitte eine Antwort geben? Ich... habe Angst und ich würde einfach gerne wissen, was ihr von mir wollt.", brachte ich vorsichtig hervor, während er mich konzentriert ansah.

"Mit was für einer 'großen Sache' habe ich denn schon zu tun? Warum habt ihr gerade mich gewählt? Das ist wirklich absurd, ich kann mir einfach nicht vorstellen, was-", stammelte ich, aber ich kam nicht weiter, da er sich vom seinem Waschbecken abdrückte und auf mich zukam, was mich sofort verstummen ließ.

"Es gibt Dinge, die du nicht weißt.", er zögerte, "Viele Dinge."
"Na super, jetzt verstehe ich alles.", rutschte es mir sarkastisch heraus, bevor ich mich stoppen konnte. Ich schlug mir die Hand vor den Mund.

Er streckte seine Hand aus, was mich zusammenzucken ließ.
Kurz sah er traurig aus. "Ich tue dir nichts, Holly.", sagte er leise und nahm mein Handgelenk und zog mich sanft zu ihm hin. "Wie könnte ich?"


Kidnapped by Harry Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt