7.Kapitel

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Ohne es kontrollieren zu können, fiel mein Blick auf seine Lippen. Einen kurzen Moment war ich wie elektrisiert, aber dann konnte ich wieder klar denken. Dieser Typ hatte mich entführt und hielt gerade meine Hand und ich ließ es zu, ohne mich zu wehren. Also zog ich sie weg und trat einen Schritt zurück. "Naja.. hast du bereits.", sagte ich leise.

Ich bildete mir ein, dass er für eine Millisekunde gekränkt aussah, bevor sich seine Augen wieder verschlossen. Warum tat er das hier eigentlich? Was war er für ein Mensch und was war mit seiner Familie? Er und Zayn, der absolute Psychopath mit seiner Waffe, waren die einzigen Personen, mit denen ich im Moment sprechen konnte, aber ich wusste nichts über sie.

"Meinst du das mit deinem Ellenbogen? Entschuldigung. Sollen wir das noch verarzten?", fragte er ernst.
Ihm war genau bewusst, dass ich nicht darauf hinauswollte, die offensichtliche Verletzung war der Raub meiner Freiheit, aber ich beschloss, nicht weiter darauf herumzureiten. Warum sollte er sich überhaupt dafür interessieren, was ich von der ganzen Aktion hielt?

"Genau genommen war ich das aber auch nicht.", hörte ich ihn sagen, was mich aus den Gedanken riss. Wie bitte? Er schmunzelte. "Du bist ein bisschen tollpatschig. Wer stolpert über seine eigenen Füße?", fügte er hinzu und ging süffisant grinsend an mir vorbei, um mir die Tür nach draußen aufzuhalten.

Wow. Was für ein Idiot.

"Du bist sowas von..." Ich stockte, mir fielen nicht die richtigen Worte ein, um seine Arroganz zu beschreiben. Er zog eine Augenbraue hoch und wartete belustigt. "unmöglich.", brachte ich schließlich hervor ging an ihm vorbei nach draußen, den Kopf hoch erhoben.

Die frische Nachtluft tat gut, der Himmel war weitgehend klar und man konnte die Sterne sehen. Ihr Anblick beruhigte mich; in genau diesem Moment war meine Familie auf dem selben Planeten, unter den selben Sternen - wahrscheinlich am Durchdrehen vor Sorge und Angst -,  aber sie waren da draußen und warteten auf mich.

So wie ich es verstanden hatte, wurde der neue Wagen von irgendwem, der mit in dieser Entführung verstrickt war, hier hingebracht.
Langsam wurde ich müde davon, immer darüber nachzugrübeln, was passieren würde. Auch mein Körper sehnte sich nach Ruhe, das ganze Adrenalin durch mich durch zu pumpen musste wohl schwere Arbeit gewesen sein.

Seit einigen Minuten diskutierten Harry und Zayn schon im Flüsterton, ein paar Meter entfernt, während ich seufzend meinen Kopf gegen die Tür des Autos lehnte. Harrys Handgestikulation wurde immer wilder, bis er plötzlich die Arme verschrenkte und laut sagte: "Dann musst du es aber machen". Er schien wütend zu sein.

Während Harry kopfschüttelnd stehen blieb, kam Zayn mit grimmigem Gesichtsausdruck auf mich zu. "Leg dich hin, wo du willst."
Wie großzügig.
Ich tat lieber, was er sagte und kuschelte mich in die Decke. Zayn holte etwas hervor: Kabelbinder.

"Warum? Bitte, ich würde nicht weglaufen!", sagte ich panisch und setzte mich hastig wieder auf. "Ja, klar.", schnaubte Zayn und wollte nach meinem Handgelenk greifen. "Nein, stopp!", rief ich laut. Einen kurzen Moment herrschte absolute Stille, dann streckte ich ihm meinem Arm hin.

"Du hast gelernt.", sagte Zayn. Ich ignorierte das Bedürfnis, ihm ins Gesicht zu spucken. Er suchte das Auto ab, aber konnte anscheinend nichts finden, an dem man mich anfesseln könnte. Ein weiteres Mal raufte er sich die Haare und ließ mich durch einen Tritt gegen die Wagentür zusammenzucken.

Harry war mittlerweile aufgetaucht. "Dann machen wir es halt so.". Zayn nahm meine beiden Handgelenke und presste sie zusammen. "Das ist doch bescheuert", rief ich. Mein Herz raste, allein der Gedanke an meine verbundene Hände machte mich verrückt. "Leise", sagte Zayn nur und werkelte weiter.

"Bitte", flüsterte ich niedergeschlagen.  Harry machte ein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen.

"Hey Zayn, ich mache das", sagte er auf einmal. "Stimmungsschwankungen? Na gut, aber beeil dich, ich will schlafen", mit diesen Worten kletterte er in den Innenraum und legte sich hin.

Misstrauisch beobachtete ich Harry dabei, wie er mit geschickten Fingern eine Art Kette aus mehreren Kabelbindern machte. Dann legte er den Kabelbinder am einen Ende um mein Handgelenk und zog ihn zum Glück so locker wie möglich zu. "Hier", sagte er und hielt mir sein eigenes Handgelenk hin, nachdem er ebenfalls in den Wagen geklettert war und sich neben mir niedergelassen hatte.

"Ähm... Ich weiß nicht genau, wie ich..", stotterte ich verunsichert. Er zeigte mir geduldig an einem anderen Kabelbinder, wie man damit umging.

Dann schaffte ich es, das andere Ende der Kette an ihn zu binden. Wir legten uns hin und hatten beide ausreichend Platz, Harry hatte einige Glieder angebracht.

"Danke.", sagte ich und hätte mich im selben Moment gerne geohrfeigt.

Als ich schon im Halbschlaf war, hörte ich ein geflüstertes "Es tut mir leid.".

Kidnapped by Harry Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt