11. Kapitel

146 7 3
                                    

Als ich aufwachte, hatte ich keine Ahnung, wie viel Uhr es war. Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins war unangenehm, ich bekam immer
Panik, stundenlang geschlafen zu haben.

Das Bett in dem Zimmer, in das ich von einem schweigsamen Typen  namens Nick, der eine Brille trug und überhaupt nicht kriminell wirkte, zurückgebracht worden war, war sehr bequem. Anscheinend musste ich meinen Schlafmangel von den stressigsten zwei Tagen meines Lebens - wenn man von Klausurphasen absah- wieder aufholen. Der Gedanke an Schule war merkwürdig; wie unbedeutend im Vergleich zu dem Geschehenen.

Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht uns richtete mich im Bett auf. Der Gedanke, jemand könne mich beim Schlafen beobachten, beunruhigte mich so sehr, dass ich mich mit dem Gesicht zur Wand hingelegt hatte.
Als ich jetzt also die Beine über die Bettkante schwang, erschrak ich mich fast zu Tode, in die leuchtend blauen Augen eines Mädchens zu gucken, das auf dem Sessel neben der Tür saß.

Sie war bildschön, wahrscheinlich ungefähr in meinem Alter und strahlte mich an wie ein Honigkuchenpferd.

"Hi Holly, ich bin Lottie! Wie geht's?", sagte sie so freudig, als hätte ich etwas gewonnen.

"Hallo...gut", sagte ich, es klang eher wie eine Frage. Einen kurzen Moment lang herrschte schweigen, dann warf sie sich die silber-blonden Haare über die Schulter.

"Oh, tut mir echt leid, das ist jetzt wahrscheinlich ein bisschen überraschend, wenn plötzlich jemand neben einem sitzt, wenn man aufwacht, vor allem in deiner Situation. So bin ich einfach, ich hoffe das stört dich nicht.", sie unterbrach sich kurz und schaute mich aus hoffnungsvollen Augen an.

Perplex schüttelte ich den Kopf und sie schien wirklich erleichtert, bevor sie fortfuhr.

"Naja jedenfalls wollte ich mich einfach etwas um dich kümmern, Louis hat es mir zwar verboten, aber das ist mir egal.
Ich weiß ja, dass er es nur gut meint, aber auch ich möchte mal jemanden haben, mit dem ich hier in diesem Irrenhaus reden kann und du bist auch noch ein Mädchen! Ich finde, wie sollten zusammenhalten! Wenn du willst, zeige ich dir den Garten, der ist wirklich - Moment mal. Du hast ja immer noch deine eigenen Sachen an!", sprudelte sie in einer Geschwindigkeit, die ich nicht für möglich gehalten hätte.

"Ich wollte mich nicht einfach bedienen.", erklärte ich und schaute runter auf mein zerknittertes Kleid, genau wie sie mit einem kritischen Blick.
"Kannst du mir sagen, wie viel Uhr es ist?", fragte ich Lottie, die mir schon nach kurzer Zeit sympatisch war; sie strahlte das pure Leben aus.

Ich wollte sie nicht kränken, indem ich ihr erklärte, dass ich mich aus Protest geweigert hatte, die Kleidung zu tragen.

Lottie war aufgestanden und zum Schrank gegangen. Mit dem Rücken zu mir gedreht, machte sie sich daran, in ihm herumzusuchen.
"Es ist acht Uhr zweiundvierzig. Aber Holly! Das habe ich alles für dich herausgesucht, als ich gehört habe, dass du... kommen würdest, habe ich sofort recherchiert und Sachen rausgesucht, von denen ich glaubte, sie würden die gefallen. Hier sind zum Beispiel diese süßen Lackstiefeletten von-"

"Ich muss dich kurz unterbrechen: woher wusstest du denn, was ich gerne anziehe?", fragte ich misstrauisch.
Das erste Mal schien es ihr nicht recht, zu sprechen, sie zögerte und stellte die glänzenden, schwarzen Lackschuhe vor den Sessel, auf dem sie eben gesessen hatte.

"Ich habe Liam quasi gelöchert.", sagte sie dann kleinlaut. Der Liam aus der Stufe über mir? Mir dämmerte, was sie damit meinte, aber trotzdem hakte ich nochmal nach.

"Liam Payne? Hat er hiermit zu tun?"

"Er ist ein netter Kerl, er hat... dich ein bisschen beobachtet.", erwiderte sie, während sie eine kurze Hose hochhielt und sie musterte. Dabei sah sie aus wie ein Schneider und brachte mich zum Kichern.
Mit einem etwas schüchternen Lächeln spingste sie zu mir herüber.

"Du bist in deinem Element oder? Ich denke in Sachen Mode kann man dir vertrauen", sagte ich mit einer Geste Richtung der schönen Farben und Stoffe die zu erkennen waren.

"Ich liebe Mode. Für dich habe ich schon viele Ideen, ich frage mich nur, ob du eher ein Sommer- oder ein Frühlingstyp bist... es ist seltener, dass man eine Mischung hat.", sagte sie grüblerisch. Ich versuchte gar nicht erst zu fragen, was ein Sommertyp war sondern stellte mich neben sie und betrachtete die Auswahl.

Nachdem sie mir erklärt hatte, dass sie mein Outfit für morgen raussuchte  und einen Stilbruch erzeugen wollte, indem sie die glänzenden Stiefeletten mit einem Sweatshirt kombinierte, sagte sie bedrückt: "Hör mal, du darfst nicht sauer auf mich sein. Ich habe keinen Einfluss auf das, was hier passiert. Ich habe Harry und Zayn gesagt, dass sie nett sein sollen. Und Louis... er ist nicht so schlimm, wie man denkt."

Sie schlug die langen Wimpern nieder. Sie wirkte so aufrichtig, dass ich meine Hand auf ihre Schulter legte und sagte: " Das glaube ich dir, keine Sorge. Ist Louis dein Freund?", fragte ich besorgt.

Entweder sie war unglaublich naiv oder sie kannte ihn so gut, dass sie wirklich von seiner angeblichen guten Seite wusste.

Oft waren die liebenswürdigen, verständnisvollen und scheinbar manipulierbaren Menschen diejenigen, die den größten Einfluss auf ihre Mitmenschen hatten. Nicht selten wurden sie unterschätzt.

Lachend berichtigte Lottie mich: "Nein, Louis ist mein Bruder. Harry kenne ich auch schon fast genau so lange." Äußerlich ähnelten die beiden sich schon, jetzt wo sie es sagte. Aber wie konnten zwei Menschen aus der selben Familie so unterschiedlich sein?

Als Lottie fertig war und ich in einem rostroten Sweatshirt einer kurzen Hose und den schwarzen Stiefeletten steckte, fragte sie mich, ob ich Durst hatte. Nach meiner Bejahung führte sie mich aus meinem Raum und ging quasselnd mit mir die Treppe herunter, die ich vor einigen Stunden heruntergestürzt war, auf der Flucht vor ihrem Bruder. In ihrer Gegenwart fühlte ich mich so leicht, es war schön, dass sie mich auf andere Gedanken brachte.

"Deine Haare sind der Wahnsinn!", rief sie gerade entzückt und reichte mir ein Glas Wasser von hinter der Bar. Wir waren in einem riesigen runden Raum ohne Fenster, das wie ein Veranstaltungsraum auf einem Kreuzfahrtschiff wirkte; eine gut bestückte Bar, ein Klavier und glänzendes Parkett lagen in gedimmtem Licht. Fenster gab es nicht und am Rand standen stapelweise Stühle, teilweise mit Laken abgedeckt.

"Wo sind wir hier?", fragte ich Lottie, die um die Bar herumkam und sich neben mich auf einen Barhocker setzte. Sie zögerte kurz.

"Eine Villa. Die haben wir gemietet, sie gehört einem Freund von... unserem Chef. Holly?"
"Ja?"
"Du darfst mich nicht hassen, ich möchte das hier auch schon lange nicht mehr"
"Aber..", ich überlegte, was ich sagen sollte, ohne Gefahr zu laufen, ihre Offenheit zu riskieren,
"Warum ich? Und...weshalb lässt du dann zu, dass dein Bruder und seine so genannten Kollegen anderen Menschen etwas antun?"

Sie starrte mich erschrocken an.

"Nein, nein, Holly! Es gibt hier einen größeren Plan, du bist nur Mittel zum Zweck! Es geht nicht darum, dir etwas anzutun", sagte sie.

"Beruhigend, aber gleichzeitig noch verwirrender..", murmelte ich.

"Wobei du trotzdem auf dich aufpassen musst. Ich.. habe Louis' Schutz, aber wir sind hier mich Menschen, deren Abgründe ich nur ansatzweise kenne."

Plötzlich wirkte Lottie wie ein anderer Mensch, sehr viel ernsthafter als zuvor.
Einen Moment schwieg ich und fuhr am Rand meines Glases mit meinem Finger entlang.
"Auch Harry?", fragte ich schließlich.
"Er ist...", setze sie an.

"Jetzt bin ich gespannt.", kam eine Stimmung aus der Richtung der Flügeltier des großen Raumes.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 15, 2018 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Kidnapped by Harry Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt