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2.7 ♛ Kate

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Der nächtliche Wind pfeift uns kaum merklich in den Ohren, als wir mit raschelnden Schritten durch den Wald laufen. Bei jedem Fußtritt knistert das Laub wie durch einen Verstärker unter unseren Fußsohlen und ich zucke jedes Mal innerlich zusammen. Der Geruch von modrigem Holz und feuchter Erde erfüllt die schwere Luft.

Der Kegel meiner Handytaschenlampe zittert unruhig über den Waldboden und streift dabei immer wieder die dünnen, unregelmäßig wachsenden Bäume, deren Stämme beinahe aussehen wie verschrumpelte Finger, die sich durch dem Boden krallen.

»Wann sind wir endlich da?«, breche ich unser nervöses Schweigen auf.

»In ein paar Minuten«, flüstert Josephine, wie um mir zu sagen, ich solle gefälligst stiller reden. Dann richtet sie ihren Blick wieder konzentriert auf das leuchtende Display ihres Smartphones, das ihre blonden Seidenhaare unheimlich weiß wirken lässt.

Ich werfe einen flüchtigen Blick zu Candice, die in Anbetracht unserer Situation wirklich gelassen wirkt. Verdammt, wie macht sie das nur? Auch wenn es eine modische Katastrophe ist, die sie da auf dem Rücken trägt, so wirkt sie mit diesem Rucksack doch irgendwie gewappnet gegen das Böse.

Plötzlich blitzt etwas Grellgelbes im Schein meiner Taschenlampe auf. Unsere Schritte werden schneller und als wir davor stehen, sehen wir, dass es sich um eines dieser stechend gelben Bänder der Polizei handelt.

POLICE LINE DO NOT CROSS, steht wiederholt in schwarzen Großbuchstaben darauf.

Ich lache etwas spöttisch auf und richte mich an Candice. »Und du dachtest, die würden einen Stacheldraht Zaun da drum bauen?«

»Und du stapfst immer noch mit Absätzen durch den Wald!«, gibt sie mahnend zurück.

Sie muss aber auch immer einen Spruch parat haben.

»Was tun wir dann?«, fragt Josephine unsicher. »Sollen wir wieder umkehren?«

»Nein, verdammt!«, kommt es bestimmt von mir. »Wir sind nicht durch diesen verflucht gruseligen Wald gelatscht, um uns dann von so einem lächerlich dünnen Kunststoffband aufhalten zu lassen.«

Jo sieht Candice hilfesuchend an. Offensichtlich appelliert sie an ihre Vernunft. »Tut mir leid, Jo, aber ich muss Kate recht geben. Und überhaupt haben wir von Anfang an geplant, dass wir auch eine Barriere der Polizei überwinden.«

Ich kann förmlich beobachten, wie die Hoffnung aus Josephines Augen mit jedem von Candice' Worten mehr aus ihnen weicht, bis nichts mehr von ihr übrig ist.

»Dann steigen wir mal drüber, oder?«, meine ich und hoffe, dass Candice zuerst ein Bein über das Band hebt.

»Jo?«, fragt Candice dann an Josephine, um ihr Einverständnis zu erhalten. »Na gut, aber ich überquere das Band als Letzte.«

»Ist gut«, entgegnet Candice.

So stehen wir also vor dem gelben Band, unschlüssig, wer zuerst den Schritt wagen soll. Ich bin jedenfalls furchtbar unschlüssig, wäre auch möglich, dass Candice noch kurz überlegt, wie man eventuell ein Alarmsystem überwinden könnte.

»Und was wenn die Sensoren angebracht haben, die Alarm schlagen, wenn man hinter das Band getreten ist?«, frage ich plötzlich und durchbreche damit erneut die angespannte Stille zwischen uns.

»Du hast recht«, entgegnet Candice nachdenklich und ich bin überrascht, dass sie meinen paranoiden Worten Bedeutung beimisst. »Wir sollten den Boden und die Baumstämme hinter dem Band erst gründlich ableuchten.«

Als wir nichts Verdächtiges finden, schwingt Candice ihr erstes Bein einfach über das Band.

Kurz erstarrt sie dann doch und wartet darauf, dass etwas geschieht. Als sich in der Stille nichts tut, folgt Candice' zweites Bein.

Greyforks | Staffel 1 || SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt