Kapitel Eins

105 3 0
                                    

Wenn dich jemand fragt, ob deine Kindheit eine schöne war, was würdest du antworten?

April...Ich werde in ein paar Wochen 16. Ich sitze auf meiner Fensterbank und mein Vater ruft mir von unserer Einfahrt aus zu >>schönen Tag, Süße<<. Er arbeitete als Virologe in einer Universität und würde alles dafür geben, dass ich nicht in Seine Fußstapfen trette, was aber mein Ziel ist. Der menschliche Organismus beeindruckt mich. Wie über 1000 Sachen, gleichzeitig und richtig funktionieren müssen, um uns gesund zu halten. Kommt nur ein Fehler hinzu werden wir krank, was auch den stärksten Menschen vernichten kann. Er meint, so ein sensibles Mädchen wie ich, sollte sich nicht mit Krankheiten auseinandersetzten müssen.

Es ist Samstagmittag und ich sitze, bei geöffnetem Fenster auf meiner Fensterbank, Musik hörend. Ich denke wieder nach. Ich grübel häufig über theoretisch, unlogische Sachen. Als könnte man einen Spiegel, der 20 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt, in das Weltall befördert, um die Geburt meines Vaters zu sehen. Man hatte mir mal erzählt, wenn man in die Sterne schaut, siehe man die Vergangenheit. Bei solchen Gedanken kann man die Melancholie in meiner Nähe fast schon greifen. Der Einzige der solche Gedanken mit mir teilt, ist mein Nachbar. Lee. Lee ist kein Asiate. Er hat fast schon weiße Haut, für einen Jungen, lange, dunkle Haare die er auf einer Seite ins Gesicht kämmt und Augen, die wie ein klarer, zugefrorener See, der im Winter, zwischen all dem grau, gerade so strahlt. Ich würde nicht sagen, dass wir Außenseiter sind, aber wir haben hauptsächlich nur uns. Wir erzählen uns unsere Gedanken und Empfindungen. Wir hören die selbe Musik und haben dieselbe Weltanschauung. Seine Mutter brachte ihn, eine Woche nach dessen Umzug, zu uns mit der Begründung sie müsste über Nacht fort und wolle Lee nicht alleine zu Hause lassen. Es war ihm sichtlich peinlich. Am Anfang schwiegen wir uns nur an. Nach einer Stunde, die wir uns erwartungsvoll, schweigend anschauten und sich immer wieder unsere Blicke kreutzten, fingen wir doch irgendwann an zu reden. Bereits nach 15 Minuten kam es mir vor, als würden wir uns Jahre kennen. Er kam immer wieder (zu meinem erfreuen). Nach gerade mal vier Monaten ist er wie ein Bruder für mich. Lee macht die Tür auf, stellte mir eine Dose Energy an meine Füße, lächelte mich an und schmiß sich auf mein Bett. Er holt sein Handy raus. >>Ich schlaf hier,ja?<< sagt er. Auf mein sarkastisches >>Ih, ne<< wirft er mir einen Handkuss zu.

In der Abenddämmerung gehen wir nochmal raus. Wir begegnen auf unserer Auffahrt meinen Vater. Ich habe mal gehört, wie mein er zu meiner Mutter meinte, er siehe Lee wie seinen Sohn. Lees Vater ist Tot, weswegen mein Vater und er sich noch besser verstehen. >>Die Arbeit?<< fragt mein Vater streng. >>Jo, drei...Dank deiner Tochter.<< sagt Lee und lächelt breit. Mein Vater legt seine Hand auf Lees Schulter und lobt ihn. Wir laufen durch unsere Siedlung und reden bis es dunkel und kalt wir.  Der Wind strich wie eine Hand ganz sampft über meinen ARM. Ich erschauerte. Lee sieht mich an, grinste, machte Seine schwarze Strickjacke  zu und gibt ein patziges >>nö<< von sich. Dann gehen wir zurück zu meinem Haus. Vor der Haustür bietet er mir  Seine Jacke doch an. Hier ist sie aber nicht mehr für gebrauch für mich. Ich lehne ab.

Ich öffne die Haustür und höre, wie mein Vater in der Küche mit meiner Mutter spricht. >>Noch können wir gehen. Es wir immer schlimmer.<< sagt er und nimmt die Hand meiner Mutter. >>Ich verstehe nicht.<< meinte sie nur. >>Es werden immer mehr. Ich denke nicht, das wir es aufhalten können... Ich kann hier nicht weg. Der Virus entwickelt sich von allein. Bildet eigene Abwehrkräfte. Es wird immer resistenter. Ich will dass du und Veronica hier wegfahrt. Kauft soviele Lebensmittel, wie in unser Bus passt. Fahrt aufs Land. Du sagst ihr, es sei Camping. Ich komme sobald wir was finden.<< entgegnet Vater. Meine Mutter lässt Seine Hand los, als sie Lees und meine Blicke aus den Flur bemerkt. >>Ich gehe nirgendwo hin!<< Mein Versuch stark zu klingen, missglückt mir. Es klingt einfach nur nach Verzweiflung. Mein Vater kommt auf mich zu und meinte, dass wir miteinander reden müssten. Ich geh ohne jegliches Kommentar hoch und ignoriere die Rufe meines Vaters. Nach kurzem Zögern, folgte mir Lee. In meinem Zimmer umarmte er mich. Das ist das erste Mal, dass er mir irgendwelche ernstgemeinten Gefühle zeigt. Ich krallte mich an seiner Kaputze fest. Ich habe schonmal gehört, wie mein Vater über sowas in der Richtung sprach. Er ist Virologe. Aber solche Viren, die ihn zwingen sich von seiner Frau und Tochter zu trennen... Ich hab höllische Angst. Ich spüre Lees warmen Atem an meiner Schulter. Sein Dasein beruhigt mich sehr. So, dass mein Herzschlag wieder normal wird. Es klingt banal, wegen einem Virus so hysterisch zu sein. Aber wenn du einen Virologen als Vater hast...Anscheind hat Lee meinen schnellen Herzschlag bemerkt, denn als er langsamer würde, löst er sich aus unserer Umarmung. Er sagt nichts. Stattdessen setzt er sich auf mein Bett. Ein paar Momente lang, ist es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. >>Ich geh nicht ohne dich!<< Ich wende mich zu Lee. >>Ich hätte dich nicht umarmen dürfen...<< sagte er sarkastisch. Ich lege mich zu ihm ins Bett. Wir schwiegen. Er sieht mich an und nach einer Weile fragt er >> Hast du Angst?<< Als würd ich eine Antwort suchen, durchforste ich mit meinem Blick das Zimmer. Ich stelle mir vor wie mein Vater und Lee hinter dem Auto stehen und meine Mutter auf das Gaspedall tritt und wir weg führen. Ich merke die unsichtbare Last, die einen unerträglichen Druck auf meinen Brustkorb hinterlässt. Mein schweres Ausatmen bleibt nicht unbemerkt. Nach kurzem Schweigen, fragt Lee >> soll ich gehen?<< Keine Antwort meinerseits  lässt ihn tonlos aufrichten. Erst als ich hör, wie seine Füße den Boden berühren, realisierte ich, dass er gehen will. Ruckartig schieße ich hoch, schlinge meine Arme, von hinten, um seinen breiten Oberköper und sag rau >>geh nicht!<<.

It's not fairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt