Newt

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"Ich hab Newt gekannt. Er hat keiner Fliege was zu leide getan! "
Thomas saß heute neben Sonya am nächtlichen Lagerfeuer, wo es immer brannte im Sicheren Hafen.
Drei Tage war es jetzt her, seit sie WCKD gestützt hatten und hier gelandet waren. Sie waren endlich frei, wie sie es sich gewünscht hatten. Keine schrecklichen Experimente mehr, keine dumme Organisationen, keine gefährlichen Cranks. Dazu jedoch verheerende Verluste...
"Ja man, er war der Vernünftigste von uns und ein super Anführer, seit Alby gestochen wurde", pflichtete ihm Minho bei. "Du kannst wirklich stolz sein, dass er dein Bruder ist!"
Sonya lächelte ihm dankbar zu, aber ihre Traurigkeit hielt die Oberhand.
Vor einiger Zeit hatte sie erfahren, dass Newt zu ihrer Familie gehört hatte.
Das war für alle ein Schock gewesen.
Und das Thema Nummer eins bei den Überlebenden.
Viele hatten schon ihr Beileid ausgesprochen und ihr aufmunternd auf die Schulter geklopft.
Denn Newt war nicht mehr bei ihnen. Er war tot.
"Ist echt so, Sonya ", nickte Thomas. Er erinnerte sich nur ungern an seine grausame Vergangenheit.
"Ich weiß, ich weiß ", murmelte Sonya wehmütig. "Ich freu mich ja auch, aber... Ich... ", ein schwerer Seufzer, "Ich hätte ihn besser kennen lernen sollen. Vielleicht hätte ich ihm helfen können..."
Thomas verstand sie sehr gut. Wenn nicht mehr als zu gut.
Er machte sich immer noch Vorwürfe, dass es seine Schuld war, dass sein alter Freund sich selbst umgebracht hatte, nur, um ihn zu retten. ER hätte ihn retten können. Mit seinem Blut. Dem Heilmittel.
Wenn er ihn noch länger aufgehalten hätte, wenn er das geschafft hätte...
Aber er hatte versagt.
Er hatte es nicht übers Herz gebracht, Minho das zu beichten, ihm diese schlimme Wahrheit zu sagen.
Er hatte nicht miterlebt, wie fassungslos Minho gewesen war, als er Newt mit seinem eigenen Messer in der Brust da liegen gesehen hatte. Die Augen schwarz und glasig, das Gesicht von dunklen Striemen durchzogen, das blonde Haar über die kranke Stirn fallend, aus dem Mund die blutartige Substanz laufend... leblos.
Er war den entsetzlichen Ausmaßen der Cranks unterlegen gewesen. Der 'Brand' hatte ihm das Gehirn weg gefressen, ihm seinen ganzen Verstand geraubt. Er hatte tapfer dagegen gekämpft, und verloren.
Als Thomas Sonya gerade aufheitern wollte, kam schon das Abendessen, und ihr Gespräch wurde jeher beendet.
Bratpfanne tischte seine duftenden Speisen auf die Holztische auf.
Er war seinen Kochpflichten treu geblieben, von der Lichtung bis hier her.
Sie aßen gemeinsam und unterhielten sich noch über die ein und andere Sache. Dann wurde gemeinsam abgedeckt, gescherzt, gelacht.
Thomas war so froh, Minho und Sonya an seiner Seite zu wissen, und Brenda und Aris,  Harriet, Jorge, Vince.
Sogar Gally. Er kam mit ihm klar, hatte ihm verziehen für das, was er Chuck angetan hatte.
Chuck...
Er spürte immer noch einen furchtbaren Schmerz, wenn er an ihn denken musste. Der kleine, aufgeweckte etwas dickliche Junge, dem er versprochen hatte, dass sie seine Eltern finden würden, sie es schaffen konnten, aus dem Labyrinth zu entkommen.
Das hatten sie, aber Gally war aufgetaucht, mit der Pistole in der Hand, völlig wahnsinnig,  und hatte ihm sein Leben genommen.
Er hatte sich für ihn geopfert. Er war so unfassbar mutig gewesen.
Und Teresa?
Ja, was war mit ihr?
Sie hatte sie verraten, ihn, Newt, Minho, Bratpfanne und all die anderen Lichter. Doch sie hatte ihn auch beschützt vor Janson, als der sich das Heilmittel in den verletzten Arm rammen wollte, um immun zu sein.
Er wollte es sich vielleicht nicht eingestehen, aber er liebte sie. Und sie hatte ihn geliebt, die gesamte Zeit.
Wie sie eng umschlungen, eingeschlossen vom Feuer und den katastrophalen Zerstörungen, auf den Tod gewartet hatten, zusammen.
Ihr inniger, erster und letzter Kuss, sein Mund auf ihren feuchten Lippen. Sie hatte um ihn geweint, ihm geholfen aufs Berk zu kommen, als er fast tot gewesen war, hatte sich mehr um ihn gekümmert als um sich selbst. Sie hatte sich WCKD angeschlossen, um mit ihnen ein Heilmittel zu finden, und sie hatte es gefunden.
Teresa.
Dieser Name stand, wie alle, die gestorben waren, auf dem großen Stein am Meer.
Alby. Winston. Newt. Ben. Chuck. Zart. Clint. Jack. Marry. Rachel... Sie würden sie nie vergessen.
"Erzähl mir mehr von ihm!", bat Sonya, als es schon spät war und die wenigsten noch wach waren, Minho mit eingeschlossen.
Thomas blickte gedankenversunken in's heruntergebrannte Feuer hinab. Was hatte Newt noch gleich gesagt, als sie in der Brandwüste um die Flammen herum gesessen hatten? Es schienen etliche Jahre vergangen zu sein, als sie durch den gelben Sand gestolpert waren, mit der heißen Sonne im Nacken.
"Wir geben nicht auf. Du kannst jetzt nicht aufgeben. Und ich lass dich auch nicht!"
Er war immer so direkt gewesen, hatte immer gewusst, was ihn bedrückte.
"Einige unsere Freunde sind gestorben, damit wir soweit kommen konnten!
Oh ja, Thomas vermisste ihn.
"Dein Bruder... Er war wohl der tapferste Mann, den ich je getroffenen habe. Er hat uns zusammengehalten und nie aufgegeben..." Das hatte er zumindest versucht.
Als er ihm seinen Abschiedsbrief in die Hand gedrückt hatte, war seine Hoffnung bereits versiegt, das hatte Thomas schaudernd gespürt. Aber war einmal darauf eingegangenen?
Nein, natürlich nicht. Er hatte es nicht wahr haben wollen, hatte ihn unerbittlich weiter mit ihm mit gezogen.
"Bitte, Tommy. Bitte!" Er würde sein unverwandtes Flehen niemals aus seinem Kopf verbannen können.
"Er...", Tränen ließen seine schwarze, sichere Umgebung verschwimmen. Er wollte nicht wieder anfangen zu heulen, es brachte Newt nicht wieder zurück.
Sonyas Hand berührte tröstend seine zitternde Schulter. Sein nervöses Lachen ging in einen heftigen Schluchzer über. Er schämte sich, dass er sich bei ihr so aufführte, als wäre er noch ein kleines Kind.
"Ihn wird es kein zweites Mal mehr geben, hab ich Recht? Er hatte es nicht verdient... zu sterben!"
"Das glaub ich dir." Sonya verstand ihn.
"Ich hätte mich mehr mit ihm beschäftigen müssen. Er ist doch schließlich mein Bruder!" Nun glitzerten in ihren braunen Augen, die Thomas so hart an Newts Dunkle erinnerten, ebenfalls Tränen.
"Du trägst keine Schuld." Thomas stand abrupt auf. Es schaffte ihn einfach zu sehr. Er konnte es nicht länger ertragen.
"Wie ist er umgekommenen? " Auf ihre fast tonlose Frage hin drehte er sich nochmal zu ihr um. "Hat ihn eine Kugel getroffen?"
Ich weiß, dass du den richtigen Weg finden wirst.
Die Zeilen von Newts ergreifendem Brief hatten sich in ihn eingebrannt.
Das hast du immer. Und das wirst du immer.
Er würde ihn nicht enttäuschen,  das schwor er sich hoch und heilig. Er würde für ihn auf sie alle aufpassen.
Er versprach es ihm, und hoffte, dass er es hören würde, dort oben, wo er jetzt war.
"Er ist gestorben wie ein Held!"
Und das stimmte vollkommen.

"Wie war er...?" Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt