Der Kinnhacken saß.
Und auch sein Ellbogen traf Newt gezielt in den Hals.
Doch Newt ließ sich davon nicht ins Boxhorn jagen, er kreischte wütend, als würde ihm keiner seiner Attacken weh tun und stieß Thomas so fest nach hinten, dass er hart auf den grauen Betonboden knallte.
Newt stürzte sich auf ihn, doch Thomas warf ihn wieder von sich und wollte sich aufrappeln, stützte sich auf Hände und Knie, aber Newts sorgenvoller Anblick hielt ihn auf. Er schien irgendwie zu überlegen, was er jetzt tun sollte.
Sein Körper zitterte vor Anstrengung, er atmete so gehetzt, als würde er gleich zusammenbrechen.
Doch dann erkannte Thomas das Messer an seinem Rücken. Und Newts Finger, die sich um den Griff schlossen, es herausholten und - so schwungvoll zuschlugen, dass er sich nur knapp darunter werfen konnte.
Newt holte aus und Thomas packte seine Handgelenke, drückte mit aller Mühe gegen seine gesamte Kraft an, die er in das funkelnde Messer steckte, kämpfte mit sich, mit seiner Erschöpfung, die ihn müder machte als ihm lieb war.
Newt knirschte mit den Zähnen, er ließ nicht locker, er war so stark, so ausgeruht, als hätte er keine erbitterte Auseinandersetzung hinter sich, als hätte er nichts gemacht.
Thomas konnte nicht mehr. Er konnte einfach nicht mehr.
Er spürte, wie ihm viel zu schnell die Kraft verließ, wie ihm die Arme schwer wurden, er nicht mehr anders konnte, als... ja, als endgültig nachzugeben.
Die Spitze des Messers, diese scharfe, spiegelnde Spitze, bohrte sich in sein Hemd, in sein Fleisch und er schrie laut auf, vor Schmerz, vor Hilflosigkeit, vor Trauer.
Seine Hände zogen sich selbstständig - wie, als wollten sie ihm vor etwas noch schlimmeren bewahren - aus seiner Kontrolle, er merkte nicht mal, dass sie zum Schlag ausholten, bekam nicht mit, wie sie Newt eine so stramme Ohrfeige gaben, dass Newt mit einem schrecklichen Fauchen von seinem Bauch flog, dass das Gewicht über ihm plötzlich nicht mehr da war.
Er war nur noch mit dem Schmerz beschäftigt, der ihn in die Bewusstlosigkeit zerren wollte, in den Tod, in dieses schwarze undurchdringliche Loch.
Aber er durfte nicht. Er durfte nicht in das Loch fallen, sonst wäre Newt verloren und er und all seine Freunde. Alles, was sie zusammen durchgestanden hatten, wäre nichts wert gewesen. Die Rettungsaktion wegen Minho, der ganze Plan, wie sie in die Letzte Stadt kommen konnten, Teresas Entführung, um WCKD zu vernichten. Selbst das Entkommen aus dem Labyrinth, wie sie die Griever überwältigt hatte, und das Überleben der Brandwüste, wie sie erstmals von dem Virus erfahren hatten, von den Cranks, dass es alles nur Tests gewesen waren, um ein Heilmittel zu finden.
Er musste durchhalten. Er musste für sie durchhalten.
Und es gelang ihm tatsächlich, diese Beklommenheit abschütteln, wieder klar zu sehen, kämpfte sich weiter raus, gab nicht auf.
Newt. Minho. Brenda. Jorge. Vielleicht auch Gally. Winston. Teresa. Und Chuck.
Für sie. Nur für sie.
Er stellte sich auf die Beine, zitterte und schwitze, schnappte nach Luft, war kaputt, und wich dem Stich des Messers noch um Haaresbreite nach hinten aus.
Newts Augen funkelten in unbändiger Mordlust, er hielt das Messer seltsam vertraut, mit einer Selbstgefälligkeit, dass es Thomas den Rücken kalt hinunterlief. Er schlug einmal, zweimal, sogar dreimal auf ihn ein. Mit so einer Wut, mit so einer Macht...
"Newt, ich bin's! Bitte! Newt!" Thomas wusste, dass er auf sein Flehen nicht eingehen würde, ob er es überhaupt hörte, wagte er stark zu bezweifeln.
Ausweichen nach rechts, nach links, er war es leid, um sein Leben zu rennen.
Seine Lungen brannten, als würde sie heiße Funken sprühen, und sein Körper drohte wegen jeder seiner Bewegungen gleich auseinander zu bersten.
Er schleppte sich nach rechts, machte ein paar schwache Schritte nach hinten und auf einmal war Newt direkt vor ihm.
Er stolperte zurück, versuchte es wenigstens, aber Newt fiel wie ein Stein auf ihn, als hätte ihm jemand gegen den Rücken getreten.
Thomas fing ihn auf, jedoch wartete er vergeblich auf den Schmerz, der ihm das Messer bereiten sollte, dass ihm die Brust aufschneiden sollte, dass ihn töten sollte.
Er schrie nicht und er spürte auch nichts, weder Blut noch sonst etwas.
Als er überrascht den Kopf hob, war Newts Gesicht das einzige, was er ausmachen konnte. Thomas keuchte nicht so heftig wie er, der mehr röchelte wie ein Sterbender.
Er blickte ihn an, mit diesen schwarzen Augen, die jetzt klarer wirkten, lebendiger, mit Schuld, mit Traurigkeit, mit einem Vergib-mir.
Seine Hand löste sich von dem Griff des Messers, der in seiner Brust steckte.
Nein! Das... das war nicht wahr! Newt starb nich. Er starb nicht.
Er konnte gar nicht sterben. Thomas konnte ihn noch retten.
Der Schlag hätte ihn treffen müssen - ihn. Nicht seinen Freund.
"Tommy." Er musste ziemlich erschrocken geguckt haben, dass Newt seinen Spitznamen so sanft aussprach. Und so traurig. Und dankbar.
Er versuchte ihm zu erklären, dass er ihn doch bitte verstehen sollte, dass es besser so war, dass er das alles auch nicht gewollt hatte, dass es ihm leid tat.
Aber Thomas war zu geschockt, um hier irgendwas zu verstehen.
Newt kippte nach hinten, erst langsam, dann so schnell, dass Thomas ihn nicht mehr auffangen konnte, nicht mehr halten konnte. "Nein, nein!"
Mit einem dumpfen Bum-Bum landeten sie auf dem Betonboden, Thomas über Newt.
Thomas schaffte es nicht, seine verzweifelten Tränen in Schach zu halten, er rüttelte Newt, aber es war schon zu spät.
"Newt, nein! Newt, bitte, nein! Newt!"
Seine Worte waren nur ein ersticktes Flüstern, dass er selbst kaum hörte.
Er hätte ihn retten können. Wieso hatte er es nicht getan? Wieso hatte er ihm nicht noch etwas Zeit verschafft? Warum überhaupt er? Warum?
"Newt!", schrie plötzlich jemand von vorne mit einer gellenden herzzerreißenden Stimme, die von einem Mädchen zu kommen schien.
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"Wie war er...?"
FanfictionNach WCKDs Untergang sind Thomas und seine Freunde im Sicheren Hafen gelandet. Doch was erwartet sie dort alles? In einer Nacht muss er jemandem von seinem Freund erzählen, der ein grausiges Schicksal erleben musste... Und davor? Hätte Thomas ihn r...