Zu spät?

58 4 0
                                    

Newt schnappte nach seiner Kehle.
Kraftvoll, zu kraftvoll für ihn, hasserfüllt und absolut ungnädig.
Thomas fiel es immer schwerer, ihn von sich abzuhalten.
Er wandt sich unter ihm, sodass er ihm die Zähne nicht ins Fleisch haute, drückte ihn, schrie, aber er drang nicht durch diese wahnsinnigen Blutrünstigkeit durch.
"Newt, ich bin's, Newt!"
Es war so gut wie hoffnungslos. "Bitte, nein! Nein! Hör auf, Newt! Hör auf!"
Da, ganz plötzlich, wurden Newts Augen klarer, als hätte Thomas' entkräfte Stimme ihn in die Gegenwart zurück geholt, als wäre doch noch ein Teil von ihm da.
Seine Finger lockerten sich um Thomas' Arme, er hörte endlich auf zu beißen, er sah ihn so erschrocken an, so hilflos und verzweifelt, als würde er nicht einmal auf den bloßen Gedanken kommen, ihm etwas anzutun.
"Tommy...", presste er hervor, seine Brust hob und senkte sich wie verrückt und er wirkte so fassungslos, dass er kaum realisiere, auf wem er saß.
"T-tut mir leid, Tommy!" Es tat ihm leid? Es tat ihm leid?
Er konnte nichts dafür. Er konnte gar nichts dafür.
Thomas hätte ihm gerne ins entstellte Gesicht geschrien, dass er sich nicht zu entschuldigen brauchte, das es überflüssig war, dass alles an ihm hängen geblieben war. Weil er nicht schneller gewesen war, weil er sich nicht um ihn gekümmert hatte, als er ihn am dringendsten gebraucht hatte. Er hatte es sich einfach viel zu klein geredet. Er hatte gedacht, dass sie es so schaffen würden, dass ihnen noch Zeit blieb.
Aber dann war es zu spät gewesen. Er tat ihm leid. Er tat ihm so leid.
"Ist okay", keuchte er nur, das Gesicht nass vor Schweiß. "Ist okay."
Er konnte nicht mehr. Er war so erschöpft, zu erschöpft.
Newt gröhlte wieder, es war leise, aber seine schwarzen Augen huschten zu der Waffe an Thomas' Gürtel. Und so rasch, dass Thomas nichts mehr unternehmen konnte, packte er das Holster, riss die Pistole heraus und setzte sie sich an den Kopf
"Nein!", brüllte Thomas. Er schlug ihm die Pistole aus der Hand, dass sein Freund ihn vor Wut regelrecht anspuckte, und bekam einen Tritt gegen seinen Allerwertesten, der ihn von Thomas herunterschleuderte.

"Newt!"
Sonya rannte Brenda hinterher, Minho und Gally dicht auf den Fersen.
Sie mussten sich beeilen. Sie mussten rechtzeitig bei ihm und Thomas sein.
Schüsse fetzten durch die stickige Luft, Feuer brach aus einem zerbombten Auto aus, Rauch stieg zum aschgrauen Himmel empor, es brannte und knallte.
Brenda wich einer Flammenkranate aus, Sonya sprang über zwei Tote mit WCKD-Uniformen, bevor Gally sie hinter einen durchlöcherten Lastwagen zerrte.
Die Bombe schoss haarscharf an ihr vorbei, sie spürte den Luftzug so deutlich wie einen Wirbelsturm, der über ihre Haare hinweg flog, und drehte sich erschrocken um. Minho kauerte hinter Gally, er war zum Glück genauso in Deckung gegangen.
Sie richtete sich auf. Obwohl sie extreme Angst hatte, obwohl sie sich fürchtete, dass sie sterben könnte, von einer Gewehrkugel getroffen werden könnte, hatte sie nur einen einzigen Gedanken. Ihren Bruder.
Sie waren immer noch nicht bei ihm.
Er könnte vielleicht schon...
Gallys Hand, die sie zurückziehen wollte, erreichte sie nicht mehr und Minhos warnender Schrei bündelte ihre Entschlossenheit keineswegs.
Sie wollte Newt auf keinen Fall als Crank in Erinnerung haben. Nein.
Nicht so, nicht als menschenfressendes Tier, dass nicht dachte und einfach tötete, wie es ihm gefiel, das zum Spaß jemanden verletzte.
Sie folgte Brenda, die schon weiter gelaufen war, mit langen, bebenden Schritten und hoffte, dass sie es noch schaffen konnten.

"Wie war er...?" Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt