Bist du bei mir

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Als ich die ersten drei Punkte der Ausarbeitung fertig hatte, fragte ich Paula: "Was hältst du davon, wenn ich jetzt auch schon die Zusammensetzung der Kindergruppe, die Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und die Raum- und Materialplanung schreibe? Weil... Ich will noch nicht weg." Paula streichelte meinen Kopf und schenkte mir einen Kuss. "Nein", flüsterte sie, "Wir bleiben einfach hier sitzen. Wenn Gerd reinkommt, besprechen wir die ersten drei Punkte und in einer halben Stunde müssen die Kinder ins Bett. Danach gehen wir 'zu deiner Praxismentorin', also fahren wir einfach weg und genießen unsere Zweisamkeit noch ein bisschen." Sie lächelte mich unendlich süß an und es fühlte sich für mich an wie Fliegen. Wie sollte es nur in der Schule werden?
"Paula?", fragte ich etwas verunsichert. Sie schaute mich fragend an und gab mir das Gefühl, dass alles in Ordnung wäre. "Was muss ich machen, wenn ich in der Schule Sehnsucht nach dir bekomme?" Paula lächelte und antwortete: "Du wirst Sehnsucht bekommen. Das werde ich auch. Aber wir müssen das überspielen. So wie wir das sonst auch immer überspielt haben." Sie fuhr sich mit ihrer Hand durch die Haare und wirkte nachdenklich. "Oder du fragst mich, ob wir kurz reden können... Also, es darf natürlich nicht zu oft vorkommen, aber das wäre ein Plan für den Notfall, wenn die Distanz uns zu sehr wehtut." Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und genoss diese Nähe zu ihr. Sie streichelte dabei meine Wange und gab mir ein paar Küsse auf den Kopf. "Und wenn ich mich nicht traue aufzuzeigen? Du kennst ja meine Problematik." Paula überlegte kurz. "Dann schaust du mich ganz intensiv an und ich frage dich, ob alles in Ordnung wäre und egal wie du antworten wirst, werde ich dich fragen, ob wir eben vor die Tür wollen." Sie hatte immer Ideen parat, egal worum es ging. Sie war für mich absolut perfekt und das in jeder Hinsicht.

Wir kuschelten uns einfach ganz gemütlich aneinander und genossen den glücklichen Moment. Nun rechneten wir damit, dass Gerd oder die Kinder jederzeit in die Küche kommen könnten, denn schon bald war Bettzeit. Die Kinder waren schon länger im Haus und schienen im Wohnzimmer Mutter-Vater-Kind gespielt zu haben. Im Winter war es auf dem Trampolin einfach zu kalt. Paula hatte es ihnen nur erlaubt, weil sie keine Kraft für weitere Diskussionen hatte und sie wusste, dass die Kinder es bei dieser Kälte ohnehin nicht lange aushielten.

Da klopfte es dann auch schon an der Tür. Paula und ich rückten schnell auseinander. Gerd kam herein, auch er schien sich beruhigt zu haben. Dennoch spürte ich immer wieder einen Stich im Herzen sobald er auftauchte. "Na, wie läuft's?" Paula lächelte mich an und ihr Blick sagte, dass ich nun beruhigt selbst antworten durfte. Also tat ich ihr diesen Gefallen. "Sehr gut. Ich fühle mich schon viel besser, wo die Vorbereitungen fast geschafft sind." Gerd nickte anerkennend. Dann wandte er sich Paula zu. "Ich fange schon mal an, die Kinder bettfertig zu machen. Können die beiden Großen eben zu euch kommen während ich Pia wickle?" Paula sah mich fragend an, ich nickte. Die Anwesenheit ihrer Kinder tat mir lange nicht so weh wie die Anwesenheit ihres Mannes. "In Ordnung", sagte sie und rief die Kinder. Diese kamen sofort und gaben Paula viele Küsse. Ich schmunzelte. Wie gut ich ihre Kinder einfach verstehen konnte... Sie wussten, wie toll ihre Mama war.
Paulas Sohn kam auf mich zu und erzählte mir von Feuerwehrmann Sam, die große Tochter meinte, dass Anna und Elsa viel besser wären und da fing mein Herz auf einmal an, verrückt zu spielen. Elsa, die Eiskönigin hatte eisblaue Augen und lange blonde Haare. Paula hatte sommerhimmelblaue Augen und ebenfalls lange blonde Haare. Somit waren Elsas Augen und Haare nur um wenige Nuancen heller als Paulas. Was wäre also, wenn Paula einen französischen Zopf und ein hellblaues Ballkleid an hätte? Sähe sie dann aus wie Elsa?
Lina meinte immer, ich wäre fast wie Elsa, bei Paula jedoch stimmte das Aussehen noch viel mehr mit der Eiskönigin überein. Nur dass Paula dann nicht die Eiskönigin, sondern die Sommerhimmelkönigin wäre.

Gerd nahm die Kleinste, die mir gerade etwas von Fillys erzählen wollte, und führte sie über den Flur. In der Zeit diskutierten die anderen beiden darüber, ob Feuerwehrmann Sam oder Elsa besser wäre und Paula und ich hörten gespannt zu. "Ich könnte glatt noch eine Situationsbeschreibung zu deinen Kindern schreiben", scherzte ich. Paula lachte und meinte: "Das habe ich auch schon so oft gedacht!"
Nach einiger Zeit kam Gerd wieder und berichtete, dass die Kleinste schon schlief. Dies war für die beiden Großen das Zeichen, ins Bad zu gehen und ihre Zähne zu putzen. "Ich will, dass Ella mir 'Gute Nacht' sagt", bettelte Paulas Sohn. "Ich dann aber auch!", bat ihre Tochter. Paula meinte: "Ihr geht jetzt erstmal mit Papa hoch und Ella und ich kommen, wenn ihr im Bett liegt. Okay?" Die Kinder waren einverstanden. Ich freute mich auf der einen Seite, dass ihre Kinder mich direkt so sehr mochten und spürte gleichzeitig wieder diesen stechenden Schmerz, als Paula "Papa" sagte. Wie konnte ich mich nur zwischen die Eltern dieser bezaubernden Kinder drängen? Ich wollte ihre Familie wirklich nicht zerstören, aber auf Paula zu verzichten, war auch längst keine Option mehr. Ich vermisste sie schon, wenn sie ganz nah bei mir saß und mich kurzzeitig nicht berührte.

Als alle raus waren, fragte Paula mich besorgt: "Wie geht es dir?" Zu ihrer Überraschung antwortete ich: "Gut, wirklich. Deine Kinder sind so bezaubernd. Das haben sie alles von dir." Nun lächelte sie und sah erleichtert aus. "Ja, meine Kinder sind wirklich ganz besondere Schätze und die Kleinste erinnert mich total an dich."
Mein Herz klopfte mir vom Kopf bis zu den Füßen. Hatte sie das wirklich ernst gemeint? Ich legte beide Arme um Paula und gab ihr einen leichten Nasenstupser. "Wenn du bei mir bist, ist alles toll", flüsterte sie. Ich nickte bloß und sie wusste, dass ich dasselbe fühlte.

Auf der Treppe waren Schritte zu hören. Wie von selbst ließ ich Paula wieder los und rückte zur Seite. Gerd kam herein und gab uns zu verstehen, dass die Kinder lagen. Also machten Paula und ich uns gemeinsam auf den Weg nach oben. Zuerst schauten wir nach der Kleinsten, die tatsächlich schon tief und fest schlief. "Wie alt ist sie?", fragte ich leise. Paula zeigte mir zwei Finger und flüsterte: "Und neun Monate." Ich lächelte. Die Kleine war unglaublich süß und schlief wie eine Prinzessin. Die beiden Großen lagen mit offenen Augen in ihren Betten und freuten sich, dass ich tatsächlich mit Paula zu ihnen kam. "Kommt Ella nochmal wieder?", fragte Paulas Sohn. Paula zwinkerte mir glücklich zu und versprach ihm: "Ganz bestimmt."
Nachdem alle Kinder eingeschlafen waren, gingen Paula und ich wieder nach unten. "Bereit?", fragte Paula mich. Ich strahlte und Paula verstand mich wieder einmal ohne Worte. Sie ging zu Gerd ins Wohnzimmer und gab ihm Bescheid: "Ich fahre nun noch mit meiner Schülerin zu ihrer Praxismentorin, um diese über den neusten Stand zu Ellas Prüfung zu informieren. Bis nachher." Gerd nickte bloß desinteressiert. Er hatte irgendeinen komischen Film am Fernsehen eingeschaltet.

Paula schloss die Tür und nahm meine Hand. Ich versprach ihr auf dem Weg zu ihrem Auto, mich ihr gegenüber niemals so desinteressiert zu geben und Paula war darüber so glücklich, dass sie wie eine frisch verliebte Jugendliche vor sich hin gluckste. "Du bist so eine tolle Person", sagte sie im Auto und ich konnte es kaum abwarten, sie endlich wieder zu küssen. "Wo können wir denn hin?", fragte sie. Ich überlegte laut: "Ich hätte dir so gerne mein Zimmer gezeigt, aber meine Eltern sind zu Hause... hm..." Auch Paula war in Gedanken. Sie meinte: "In öffentlichen Cafés oder Restaurants können wir uns leider nicht setzen. Sonst hätte ich dich zum Essen eingeladen." Ich bedankte mich trotzdem vom ganzen Herzen, dass sie theoretisch bereit dazu gewesen wäre, mit mir in die Öffentlichkeit zu gehen, wenn wir bloß nicht Schülerin und Lehrerin gewesen wären.

"Weißt du was, Paula? Wenn du bei mir bist, finde ich alles romantisch. Und säßen wir in Amsterdam am Hauptbahnhof, umzingelt von Müll und Junkies, dann wäre mir selbst das egal. Solange du bei mir bist, fühlt sich alles richtig an." Paula gab super niedliche Geräusche von sich. "Das kann ich nur zurückgeben", sagte sie anschließend.
Da kam mir plötzlich eine Idee: "Wir könnten zu Lina!" Paula sah mich entgeistert an. "Hast du von unserem Verhältnis erzählt?" Ich beruhigte sie: "Lina ist meine unbiologische große Schwester. Sie versteht das und würde uns niemals verraten." Paula überlegte einen Moment lang und willigte dann ein: "Okay, wenn das so ist, gerne. Aber ruf sie bitte vorher an und frage sie, ob das in Ordnung ist." Gesagt, getan und Lina freute sich unglaublich darauf, meine Paula endlich kennenzulernen. Paula war nun auch neugierig auf Lina.
Ich hoffte so sehr, dass die beiden sich verstünden.

Nur wegen IhnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt