Tief im Herzen

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Nachdem ich die Fragen auf Paulas Zettel beantwortet hatte, nahm ich diese und machte mich auf den Weg ins Personalzimmer. Je näher ich dem Raum kam, desto schneller schlug mein Herz. Ich wusste ganz genau, dass Paula mich anschauen würde, sobald ich die Tür öffnete und auf diesen Anblick konnte ich auf keinen Fall länger warten.
So klopfte ich an und trat ein. Eine Gänsehaut machte sich auf meinen Armen breit. So wunderschön war Paula noch nie. Es schien, als würde sie von Tag zu Tag immer schöner werden. Ihre sommerhimmelblauen Augen hatten ihr Strahlen zurück und dieses galt mir ganz allein. Ich lächelte Paula an und als sie zurücklächelte, blieb ich einfach stehen und genoss den Moment.
Meine Praxismentorin zerstörte diesen: "Tau Ella, setz dich. Nicht so schüchtern."

Während ich auf den Tisch zuging, wandte ich meinen Blick nicht von Paula ab. In ihren Augen lag pure Leidenschaft. Wie gerne wäre ich mit ihr alleine gewesen. Sie zwinkerte mir zu und bat mich: "Setzen Sie sich so nah wie möglich zu mir. Sonst höre ich Sie so schlecht." Dieser Satz kam mir bekannt vor und die schönsten Erinnerungen kamen wieder hoch. Ich liebte meine Paula mehr als alles andere auf der Welt.
Natürlich tat ich ihr diesen Gefallen und sie berührte unauffällig mit ihrem Schuh meinen Hausschuh. Mein Herz raste und mir war klar, dass sie diese Nähe genauso sehr genoss wie ich.

"Dann erzählen Sie mal", forderte Paula mich auf, "Ist die Prüfung so gelaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben?" Ich nickte und erzählte, dass zwei meiner eingeplanten Kinder nicht da waren und begründete, weshalb ich dafür die anderen beiden nahm. Über das positive, hochmotivierte Verhalten der Kinder war ich sehr überrascht und total erfreut. Da sagte auch meine Praxismentorin, dass es sehr auffallend positiv war, wie die Kinder mitgemacht hatten. Paula fing an, mit ihren Füßen meine zu streicheln und ich konnte vor Glück kaum noch richtig denken. Sie lobte meine Prüfung und bat mich darum, die schriftliche Reflexion am Dienstag bei ihr abzugeben. "Und jetzt würde ich gerne noch eben mit Ella unter vier Augen sprechen, wenn das in Ordnung ist", sagte sie an meine Praxismentorin gerichtet, die daraufhin aufstand und gut gelaunt den Personalraum verließ.

Paula nahm mich noch einmal in den Arm und streichelte über meinen Kopf. Ich flüsterte: "Paula... Ich habe dich so vermisst." Paula wisperte: "Ich dich auch. Warum warst du nicht in der Schule? Es hat mir so wehgetan." Ich konnte nicht antworten, als mir der eine Montag wieder ins Gedächtnis kam, als sie mich komplett ignorierte. Paula spürte meine Verunsicherung und entschuldigte sich: "Mein Verhalten vor zwei Wochen war total daneben. Es tut mir so leid, Liebes. Ich wollte dir niemals wehtun." Ich sagte mit zittriger Stimme: "Aber es hat unendlich wehgetan. Warum hast du mich ignoriert?"
Paulas Augen füllten sich mit Tränen. Sie antwortete: "Weil ich dachte, dass ich Abstand halten müsste, um dich nicht noch mehr zu verletzen. Aber das hat mir genauso wehgetan. Als Schwester Wilhelmine wieder da war, bin ich auch nach Hause gefahren und habe den ganzen Tag im Bett gelegen und geweint." Ich streichelte ihren Arm. "Lass uns so einen Blödsinn nie wieder denken. Du verletzt mich nicht, wenn wir beisammen sind. Was mir am meisten wehtut ist, wenn wir nicht zusammen sein können." Sie nickte und gab mir einen Kuss. Ich machte es ihr gleich und gleich darauf begann sie, mich richtig zu küssen und ich erwiderte diesen Kuss sofort.
Auf einmal waren alle Sorgen Vergangenheit und alles was zählte, war der Moment. Um uns herum hatte alles an Bedeutung verloren, es gab nur noch uns und die Tatsache, dass wir wieder miteinander vereint waren.

Als wir uns völlig aus der Puste zurück auf unsere Stühle fallen ließen, fragte ich: "Was ist denn jetzt mit Gerd?" Paula verdrehte ihre Augen. "Der kann mich mal. Ich habe mit ihm ein Machtwort gesprochen. Früher habe ich immer getan, was er gesagt hat. Ich musste um 22 Uhr zu Hause sein, immer das Essen machen, welches er wollte, ich durfte außerberuflich keinen Kontakt zu anderen Männern haben, nicht einmal mehr zu meinen Cousins und wurde von ihm in allen Bereichen eingeschränkt. Wenn ich mal los wollte, musste ich mir immer berufsspezifische Ausreden ausdenken. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich habe ihm klar und deutlich gesagt, dass das definitiv keine Liebe ist, denn Liebe bedeutet auch Vertrauen, das habe ich mit den Gefühlen zu dir herausgefunden. Und wenn er sich noch einmal so tyrannisch oder eifersüchtig verhält, schmeiße ich ihn raus."

Ich war völlig sprachlos. Wie konnte dieser Mann sich nur so sehr über Paula stellen, sie in allen Lebensbereichen einschränken und dann auch noch behaupten, dass er sie liebte? Wer wirklich liebt, wünscht dem anderen doch immer nur das Beste, oder? Ich nahm Paulas Hände und versprach ihr, wie auch immer es mit Gerd ausgehen würde, dass ich jede ihrer Entscheidungen akzeptierte und für sie da sein wollte - wenn auch als Kindermädchen. Paula war unglaublich glücklich darüber.
"Übrigens wollte Gerd mein Handy haben. Da musste ich unsere Gruppe verlassen. Kannst du mich bitte wieder hinzufügen?" Ich war nun ganz und gar erleichtert. Also lag es doch nicht an mir. Überglücklich holte ich mein Handy und Paula war wieder in unserer Gruppe. Kurz darauf kam auch schon eine Nachricht von Lina: "Ach moin Paula, willkommen zurück! 😉" Paula und ich lachten und versprachen uns, in Zukunft alles direkt zu klären.

Überglücklich nahmen wir uns in den Arm und verabschiedeten uns voneinander. Denn nun musste Paula ihren Sohn aus der Schule abholen und ich musste beim Mittagessen helfen.
All meine Sorgen waren verschwunden und meine Lebenslust war wieder da. Denn nun hatte ich wieder alles, was ich brauchte: Paula.

Nur wegen IhnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt