Freundschaft und Liebe

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Paula holte ihren Schlüssel aus ihrer Hosentasche und steckte ihn ins Schlüsselloch. Bis zum Anschlag schloss sie die Tür zu und ließ den Schlüssel stecken. "Falls es von außen dann doch funktionieren sollte, hören wir das wenigstens und haben noch kurz Zeit, uns ans Pult zu setzen", begründete sie ihre Handlungen. Sie war eine richtige Lehrerin. Eine ganz besondere, wundervolle, liebenswerte und attraktive Lehrerin. Ich war hin und weg. Wie angewurzelt blieb ich stehen und bewunderte sie vom Kopf bis zu den Füßen und je intensiver ihr Blick in meine Augen fiel, desto verrückter wurde ich. Mit jedem Schritt, den sie auf mich zukam, schlug mein Herz ein bisschen schneller und als sie direkt vor mir stand und ihre Hände auf meine Schultern legte, drehte sich alles. Mir war schwindelig, aber in einem unglaublich positiven Sinne. Es fühlte sich an wie fliegen, frisch und frei wie ein Vogel.
Ich legte meine Hände auf ihre Hüften und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihrem Gesicht ein bisschen näher zu sein. Paula beugte sich zu mir herunter und schloss ihre Augen. Dann geschah wieder alles von selbst.
Ich spürte ihre wunderschönen weichen Lippen auf meinen. Im Kuss stellte ich fest, dass Paula im Lehrerzimmer Kaffee getrunken hatte. In meinem Inneren ging es drunter und drüber, so als entstünde dort ein ganz neues Universum. Es war unglaublich, was Paula immer wieder in mir auslöste.

Ich zog Paulas weiße Shirt-Bluse ein bisschen hoch und legte meine Hände darunter, um ihre Haut spüren zu können. Sie war so weich und so warm. Paula machte ihre süßen Laute und ich versuchte, diese einfach mal nachzumachen. Doch so toll wie Paula konnte ich das gar nicht und wir endeten lachend auf dem Boden.

Sie machte mich so glücklich. Ich hatte mich lange nicht mehr so froh und frei gefühlt wie jetzt mit Paula an meiner Seite.
Da wir sowieso schon auf dem Boden saßen, standen wir auch nach dem Lachanfall nicht auf. Ich rückte ganz nah an sie und nahm ihre Hände in meine. Dabei sah ich ihr tief in die Augen. Kein Wort hätte diese Empfindungen je beschreiben können.

Um uns herum standen Tische und Stühle. Es war ein ganz schlichter und einfacher Klassenraum. Der Boden war hart und kalt und die Wände waren überwiegend weiß. In einigen Ecken hingen Plakate mit Merksprüchen und mathematischen Formeln, unter anderem auch die pq-Formel.
Jeder Mensch hätte diesen Raum als langweilig, vielleicht sogar als lieblos bezeichnet, wenn man diesen mit unserem Klassenraum verglich, der mit Mandalas und vielen weiteren Kunstwerken verziert wurde. Aber mir war das gerade total egal. Mit Paula an meiner Seite war selbst dieser Raum romantisch. Jeder Raum, in welchem Paula sich aufhielt, wurde für mich ganz plötzlich zu einem Paradies. Ihre Schönheit überstrahlte einfach alles.

Eine ganze Weile saßen wir dort händchenhaltend auf dem Boden und sahen uns in die Augen. Meine Gedanken kreisten überall herum und das Zentrum all meiner Empfindungen war stets immer Paula. Obwohl wir kein Wort sagten, war es, als hätten wir uns die ganze Zeit unterhalten.

Plötzlich versuchte jemand die Tür zu öffnen. Paula nickte mir glücklich zu und ganz automatisch standen wir beide auf und setzten uns ans Lehrerpult. Als nächstes hörten wir ein Klopfen. "Ja bitte?", rief Paula. Von der anderen Seite fragte eine junge Frau: "Können Sie bitte eben aufschließen?" Paula verdrehte ihre Augen. Sie sah selbst im genervten Zustand viel zu süß aus.
Ich blieb brav auf meinem Platz sitzen, als Paula zur Tür lief, um diese zu öffnen. Jennifer kam herein. "Frau Sommer, die Gruppe von Frau Klein ist dazugekommen. Frau Klein meinte, dass Sie heute die sechste Stunde gemeinsam unterrichten wollten." Paula erinnerte sich: "Ach ja, genau. Das hatten wir so abgesprochen. Ist es denn schon so spät?" Jennifer zeigte Paula ihre Armbanduhr. "Halb eins ist es schon", sagte sie dabei. Doch Paula ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Sie bedankte sich: "Gut, dass Sie mich daran erinnert haben, Jennifer. Aber ich muss noch etwas mit Ella besprechen. Können Sie Frau Klein bitte Bescheid sagen?" Mit einem Nicken verließ Jennifer den Raum und Paula schloss wieder ab. Sie kam direkt auf mich zu und hob mich hoch.
Wie ein Kind hielt sie mich auf dem Arm und ich spürte ihren Herzschlag an meinem Bauch. Ihr Herz raste genauso schnell wie meins. Daraufhin setzte sie sich auf den Lehrerstuhl und ich saß glücklich auf ihrem Schoß. Meinen Kopf legte ich seitlich auf ihre Schulter und gab ihr ein paar Küsse in den Nacken.

"Ella, ich muss dir was gestehen", murmelte sie plötzlich. Total erschrocken richtete ich mich auf und sah geradeaus in ihr Gesicht. Sie war knallrot und sah irgendwie bedrückt aus. "Was ist los?", fragte ich voller Angst. Paula senkte ihren Blick und beichtete: "Frau Klein weiß von unserer Liebe. Sie ist meine beste Freundin und ich konnte es nicht mehr verstecken."
Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich vor Schreck die Luft angehalten hatte und atmete erstmal aus. Paula war verwirrt. "Bist du mir gar nicht böse?", fragte sie. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und schüttelte meinen Kopf. "Nein, kein Stück. Lina weiß es doch auch. Und Mia hat es vorhin auch herausgefunden. Aber dafür sind beste Freunde doch da. Ich weiß, dass weder Mia, noch Frau Klein uns verraten würden. Und für dich ist es auch besser, wenn du eine Person hast, mit der du offen darüber reden kannst."
Ein erleichtertes Lächeln erschien auf Paulas Lippen. "Danke", flüsterte sie und küsste mich zärtlich.
Dabei hörten wir nicht, wie jemand die Tür auf der anderen Seite aufschloss und den Raum betrat. Erst als sich diese Person räusperte, schreckten Paula und ich auf und stellten uns nebeneinander auf. "Es ist nicht...", fing Paula einen Satz an. Dann lachte sie.
Vor uns standen Mia und Frau Klein mit jeweils einem breiten Lächeln im Gesicht. "Ich hab's gewusst", sagte Mia und klopfte sich selbst auf die Schulter. Frau Klein stand grinsend daneben. "Paula, die Klasse vermisst euch zwei schon. In zehn Minuten ist der Unterricht vorbei. Passt auf, dass ihr euch nicht zu auffällig verhaltet", ermahnte sie uns. Paula kicherte: "Ja, ja, Frau Lehrerin!" Mia kam auf mich zu und zog mich hinter sich her in unseren Klassenraum. Ich war noch immer total neben der Spur und verstand gar nicht, was gerade geschehen war. Meine Lippen aber schmeckten noch immer nach Paula. Diese kam gemeinsam mit Frau Klein direkt hinter uns her und setzte sich neben mich. Frau Klein stellte sich vor die Tafel und sagte: "Mit diesem Thema machen wir nach der Mittagspause weiter. Ich entlasse Sie dann nun etwas früher."
Wie von selbst war auf einmal alles laut und bis auf Frau Klein, Paula, Mia und mir stürmten alle aus den Raum, um sich ihr Mittagessen zu holen.

Sobald alle anderen weg waren, meinte Mia: "Frau Sommer, Sie sollten das nicht zu oft machen. Ich wurde schon von mehreren gefragt, ob Sie irgendwie was mit Ella hätten. Die haben zwar noch nicht direkt an Liebe gedacht, aber dass Ella Ihre Lieblingsschülerin ist, ist für alle offensichtlich." Frau Klein stimmte ihr zu: "Das habe ich auch mitbekommen, als ich vorhin mit meiner Gruppe in die Klasse kam. Einige hatten geäußert, dass du in der letzten Zeit ständig mit Ella reden musst und dass ihr euch komisch verhaltet. Passt bitte auf."
Paula und ich sahen uns fassungslos an. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich wollte Paula niemals in Schwierigkeiten bringen. "Es tut mir so leid", schluchzte ich. Paula legte wortlos ihren Arm um mich und sagte: "Wir werden das schon irgendwie wieder hinkriegen. Und in einem halben Jahr dürfen wir es schon zeigen."
Ein halbes Jahr konnte aber lang werden, wenn es um eine so große Liebe ging. Frau Klein legte ihre Hand auf meinen Rücken. "Ella, es ist alles in Ordnung. Sie müssen keine Angst haben. Sie müssen nur besser aufpassen. Und Paula, du auch." Mia streichelte meinen Arm. "Ach Mausi", sagte sie verständnisvoll. Paula nahm mein Gesicht in ihre Hände und sah mir mit einem ganz besonderen Blick in die Augen. Mit einem Male waren alle Sorgen verschwunden. "Wir schaffen das", sagte Paula bestimmt, sobald ein Lächeln auf meinen Lippen erschien. Wortlos nickte ich. "Können wir jetzt essen?", fragte Mia. Wieder nickte ich, gab Paula noch schnell einen Kuss und sagte: "Bis nachher, Paula!" Sie sah mir glücklich hinterher. Auf dem Flur hörte ich sie noch zu Frau Klein sagen: "Sie ist wirklich bezaubernd." Frau Klein lachte.

Nun war ich froh, dass Mia und Frau Klein Bescheid wussten und uns gewarnt hatten. Paula und ich mussten uns nun wirklich etwas überlegen, wie wir die Schulzeit besser überstehen könnten. Aber dafür hatten wir nun bis Montag Zeit, darüber nachzudenken und dann waren auch schon fast Weihnachtsferien.

Nur wegen IhnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt