Kapitel 1: Ein geplanter Tagesablauf

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Wir leben in einer Welt in der man nichts geschenkt bekommt. Man lebt regelrecht von einem Moment bis in den nächsten. Gutmenschen würden dies vielleicht verneinen, jedoch sind diese von ihrem Egoismus so stark verblendet, dass sie meinen alles was sie tun würde zu Gold werden. Um in dieser Welt zu bestehen, muss man kämpfen. Teils gegen andere oder gegen sich selbst. Auch wenn sich die Menschen oft vor zweiterem fürchten, so muss dieser Kampf geführt werden. Um zu bestehen. Um zu existieren. Auch könnte man nun meinen, dass im Kampf gegen sich selbst man durchaus Hilfe von anderen in Anspruch nehmen kann. Sobald jedoch der Wille des Einzelnen nicht zu dieser Tat in der Lage ist, scheitert man. Jeder ist sich selbst der nächste. Erfolg, Ansehen, Glück und Freude muss man sich erarbeiten. Auch die Menschen, die man Freunde nennt erarbeitet man sich. In der Regel aber verlassen sie einen schneller als man schauen kann. Dann ist man wieder allein

Rogue PoV:

Stille und Dunkelheit. Dunkelheit und Stille. Diese beiden sind meine ewigen Begleiter. Sie sind immer um mich. Es ist wie ein Teufelskreis. Ich kann den beiden nicht entkommen.

Leicht benommen öffne ich meine Augen und starre gegen die grau gestrichene Decke. Mein Kopf ist leer. Der Raum wirkt still, lediglich das Ticken meines Weckers ist zu vernehmen. Ich blicke zu den Seiten. Die Vorhänge sind zugezogen. Kein Licht fällt in mein Zimmer. Meine Haare liegen quer über mein Gesicht. Beim Aufrichten, streiche ich sie mir aus dem Gesicht. Sie sind feucht. Womöglich vom Schweiß. Duschen gehen sollte helfen. Meine Füße hängen vom Bett runter. Gelangweilt sehe ich nun zu Boden. Ich kann schon auf meinem Teppich die Fussel als Knäule bezeichnen. Zum sauber machen hatte ich ewig keine Zeit gehabt. Der Pfarrer lässt mich immer schuften. Zeit für mich habe ich kaum. Ja. Ich wohne in einer Gemeinde. Eigentlich kann man es eher als Sekte bezeichnen. Der selbsternannte Pfarrer nennt sich ,,Erlöser der Ratten“. Diese Gemeinde hat sämtliche Gemeinden verdrängt und ersetzt somit die Kirche oder ähnliche Glaubenshäuser. Alle, die dem Pfarrer nicht folgen,werden verstoßen oder gejagt. Auch die Regierung handelt nicht. Scheinbar fließt im Hintergrund genug Geld…Ich stöhne auf. Warum muss ich hier nur gelandet sein. Ich hab doch eine Familie. Ich weiß doch sogar ihre Namen. Vor 7 Jahren haben sie mich hier abgesetzt. Mutter brachte mich ohne Umschweifen direkt zum Pfarrer. Seit jenem Tag bin ich hier. Man sagte mir, dass meine Eltern mich nicht mehr wollten. Sie hätten wichtigeres zu tun. Natürlich war ich am Boden als ich dies erfuhr. Tagelang lag ich in meinem zugewiesenden Zimmer und weinte. Ich war immerhin grade 12 geworden. Von allem und jedem verlassen. In einer Sekte. Ohne Freunde oder Familie. Mit der Zeit gewöhnte ich mich jedoch. Zuerst dachte ich, ich dürfe bei den prunktvollen 'Hassreden', die der Pfarrer als Lobgesang der Reinhaltung betitelte, als Messdiener mitwirken. Nein. Ich bin ihr Sklave.

Ich erhebe mich endlich von meinem Bett und gehe schwankend zum Fenster. Ich will Licht. Mit einer schnellen Bewegung, reiße ich die schwarzen Vorhänge auf. Das Licht fällt in mein Zimmer. Mir direkt auf die Haut. Das Gefühl der Wärme überkommt mich. Viel zu selten sehe ich die Sonne. Für einen Moment verweile ich im Licht der Sonne. Mit einer eleganten Drehung wende ich mich meinem dunkelbraunen Kleiderschrank zu. Mit gezielten Bewegungen greife ich nach sauberer Kleidung und nach einem großen Handtuch. Eine Dusche brauche ich dringend. Schnell schlüpfe ich in meine Hausschuhe, gehe zur Tür und schleiche in den Flur. Mit gesenkten Kopf streife ich durch die weiten Gänge des Sektenhauses. Durch die großen bunten Fenster scheint das Licht in den Flur. Die bunten Schatten lassen die Gänge lebendiger aussehen. Das Bad ist unglücklicherweise auf der anderen Seite des Gebäudes. Den Architekten sollte man verklagen. Sektenänhänger kreuzen immer wieder meinen Weg. Ich verbeuge mich nur kurz, während ich von ihnen ignoriert werde. Ich bin immerhin ihr Sklave. Ich setze meinen Weg fort. An einer großen Holztür komme ich zum Stehen. Ich öffne die Tür, lege meine Sachen ab und entblöße mich. Während die Terme der Dusche sich erhitzt wage ich einen Blick in den Spiegel des Badezimmer. Meine schwarzen Haare liegn wild und unter meinen dunkelroten Augen sind gräuliche Augenringe. Die Narbe auf meiner Nase wirkt ziemlich blass. Meine Haut selbst ist auch ziemlich blass. Mit einer Kopfneigung nach links und nach rechts fällt mir auf, dass ich zugenommen hab. Vor einigen Monaten war ich wirklich ziemlich dürr. Jetzt bin ich relativ normalfüllig. Auch sonst war mein Körper in guten Zustand. Abgesehen von der Narbe in meinem Gesicht. Dampf erfüllte den Raum. Die Terme scheint Temperatur zu haben. Um noch so wenig Wasser wie möglich  zu verschwenden, betrete ich die Dusche. Das Wasser rinnt meinen Körper herab. Das Gefühl ist jedes mal belebend. Ich verfalle in Gedanken. Gedanken an meinen ersten Tag hier.

[ 7 Jahre zuvor ]

,,Ich bitte sie Pfarrer. Nehmen sie diese Last von uns. Wir können nicht mehr. Er raubt uns den Verstand und den Schlaf. Wir sind am Ende unseres Wissens. Sie als Mann des Glaubens können uns doch retten nicht. Ich flehe sie an. Retten sie uns.“ Eine Frau in einem langen schwarzen Mantel flehte in lauten Tönen. Unmittelbar hinter ihr ein kleiner Junge mit schwarzen Haaren und blasser Haut. Der Mann, der der flehenen Frau gegenüber stand trug eine edle Robe, verziert mit Gold und Silber. Mit einem verächtlichen Geräusch versucht er die Frau ab zu wimmeln, diese lässt sich jedoch nicht so leicht abschieben. ,,BITTE PFARRER. Sie sind unsere letzte Hoffnung. Mein Mann würde ihn töten, wenn ich ihn mit zurück nehme. Dieses Kind zerstört uns, aber mein Mann soll kein Blut an den Händen haben. Nicht von so einem Wesen.“ Sie wimmerte und begann entsetzlich zu weinen. ,,Mama wein nicht“ kam es von dem Jungen. Er näherte sich ihr, woraufhin sie ihn wegstieß. ,,Komm mir nicht zu nah.“ entgegnete sie dem Jungen. Der Pfarrer nährte sich dem Jungen und musterte ihn genau. Er wendete sich ab. ,,So soll es sein. Soll dieser Bursche bei uns gereinigt und erzogen werden. Dafür werden sich jedoch die Gemeinde-Steuern für sie erhöhen. Etwa um das 8fache.“ Er legte ein verachtenswertes Grinsen auf und drehte sich zu der verzweifelten Frau. Er breitete die Arme aus. In jenem Moment fielen Sonnenstrahlen durch die breiten Bogenfenster. Die Frau hob ihren Kopf. ,,Sie sind ein Heiliger. Gepriesen sollen sie sein“ Sie sah ihn in diesem Moment als Entsandten des Himmels an. Ruckartig erhob sie sich und verließ mit federnden Schritten das Gebäude. Der Junge wollte ihr folgen, jedoch versperrten ihm zwei Messdiener den Weg. ,,Schafft ihn in irgendeine Kammer.“ kam es von dem Pfarrer. Er verließ die Kapelle. Die Messdiener packten das Kind an den Armen und schleiften es in ein abgelegenes Zimmer. Lediglich ein Bett, ein großer dunkelbrauner Kleiderschrank, ein Fenster mit schwarzen Vorhängen und ein Nachttisch waren in dem Raum. Sie schubsten den Jungen mit Schwung in diesen Raum und verschlossen die Tür. Der Junge begann bitterlich zu weinen. Er war nun verlassen von allem und jedem.

[ Zurück in der Gegenwart ]

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als gegen die Tür des Badezimmer geschlagen wird. ,,ROGUE! Beeil dich gefälligst. Die Messdiener brauchen ihre Roben!“ Ich schalte das Wasser aus, verlasse die Dusche und kleide mich an. Da ich nicht auffallen darf, entscheid ich mich für meinen langen braunen Mantel. Darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Mit einem letzten Blick in den Spiegel verlassen ich das Badezimmer. Im Flur treffe ich auf eine Schwester. Ihr Name ist Selvia. Sie kann mich, wie viele hier nicht ausstehen. Mir war es ziemlich egal, wer mich mag und wer nicht. ,,Na los Rogue. Die Messdiener warten.‘‘ ihre altertümliche Stimme halte durch den Flur. Ich erhebe als Geste der Verständnis die Hand und machte mich auf den Weg zu der Wäschekammer. Die Roben habe ich gestern bereits gewaschen und zum Trocknen aufgehangen. Sie zu holen ist wohl ein leichtes. Mein Weg führte mich erneut quer durch das Gebäude. Mir ist es sogar möglich, einen Blick in die festlich geschmückte Kapelle zu werfen. Festlicher Schmuck lässt den Raum in einer wunderschönen Atmosphäre erstrahlen. Für einen Moment starre ich nur in die Kapelle, bis ich den Pfarrer erblicke und meinen Weg fortsetze. Auch auf dem Rest des Weges fällt das Licht der Sonne durch die bunten Bogenfenster in das Gebäude. Die Tatsache des bunten Lichtes und der Anzahl der Sonnentage lassen mich darauf schließen, dass das Frühlingsfest bald beginnt. Also war es keine normale ‚Hassrede' sondern eine manipulierende. Ich seufze. Jahr für Jahr nimmt der alte Greis seine Anhänger am Frühlingsfest gnadenlos aus. Es ist der Weihnachtsersatz. Weihnachten wurde verboten. Ändern kann ich es nicht. Nachdenklich erreiche ich endlich die Wäschekammer, nehme die Roben von den Wäscheleinen und gehe zügig in den Raum der Messdiener. Diese entreißen mir die Roben und schmeißen mich aus ihrem Raum. Das war Normalzustand. Ein Danke bekomme ich nie. Ich erwarte auch keins. Ich verweile nur noch so lange hier, wie es nötig ist. Die Zeit ist noch nicht reif. Bald werde ich alles stehen und liegen lassen. Dann werden sie es büßen. Sie alle. Sie werden büßen. Ich bleibe schlagartig stehen. Was habe ich da grade gedacht. Niemand wird irgendwas büßen. Genauso wie ich hier jemals entkommen könne. Mit einer leichten Backpfeife schlage ich mir das Gedachte aus dem Kopf. Solange mein leitendes Licht noch nicht in mein Leben gekommen ist, lebe ich in meinem Teufelskreis aus Dunkelheit und Stille. Mir rennen mehrere Schwestern entgegen. Das war das Zeichen für mich auf mein Zimmer zu gehen. Mir ist es, seit Beginn verboten auch nur eine Messe zu besuchen. Ich sei ein Schandfleck der das Fest ins Chaos fahren würde. Warum wurde mir nie gesagt. Ich gehe keine Diskussionen ein und akzeptiere mein Schicksal. Mein Leben war eine Routine. Ich mache das was mir gesagt wird, schlafe, dusche und esse. Mehr ist da nicht. Kein Sinn und keine Bestimmung würde mir gegeben. Ich hatte mich damit abgefunden. Nichtmal in meinem wildesten Träumen hätte ich gedacht, in welch kurzer Zeit sich alles ändern wird.

Die Schatten in unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt