Die Wärme in mir hatte sich wieder ausgebreitet, als ich ihm lauschte. Ich hatte meine Augen geschlossen und genoss jede einzelne Sekunde dieser Melodie. Und dann kam das letzte Lied. Als die letzten Tasten gedrückt wurden, öffnete ich meine Augen und sah Manuel an, wie er dort saß, den Kopf gesenkt und den Applaus abwartete. Und dann kam er. Die Leute klatschten, jubelten. Er stand auf, verbeugte sich und verschwand von dem Podest. Jetzt war es soweit. Er würde hier her kommen. Ich strich mir nochmal mein Haar glatt und checkte im schwarzen Display meines Handys, ob ich wirklich okay aussah. Ich zitterte sogar leicht, weil ich so nervös war. Es war doch eigentlich unbegründet, jedoch konnte ich es einfach nicht abstellen.
Ich hob meinen Blick an und sah ihn, wie er leicht lächelnd auf mich zukam. Ich schluckte. Meine Aufregung war wirklich unerträglich. Als er dann vor mir stand, sah er mich erwartungsvoll an. „Hey, ehm setz dich ruhig.", sagte ich und deutete mit der Hand auf den Stuhl mir gegenüber. Manuel nickte und zog den Stuhl zurück, um sich zu setzen. Dann sah er mich mit großen Augen an. Ich fühlte mich unbeholfen. Was sollte ich sagen? Ihn irgendwas fragen, war doch beschissen. Ich umschloss mein Cola Glas mit meiner Hand. „Du hast wieder wunderschön gespielt.", lächelte ich dann. Manuels lächeln wurde breiter. „Wie alt warst du eigentlich, als du angefangen hast Klavier zu spielen?", fragte ich ihn. Er hob eine Hand und zeigte Vier seiner Finger. Sie waren knochig aber dennoch hatte er wunderschöne Hände. „Das ist wirklich früh.", entgegnete ich. Er nickte. „Willst du eigentlich auch was trinken?", fragte ich dann. Er nickte wieder und hob seine Hand, dabei drehte er sich Richtung Theke. Die Frau dahinter wurde darauf aufmerksam und fing an ein Getränk zu mischen. Ich runzelte meine Stirn und beobachtete, wie sie gleich darauf mit einem vollen Glas zu uns kam. „Ein Tonic Water, wie immer.", lächelte sie, als sie das Glas abstellte. Manuel zwinkerte sie an, bevor sie mit leicht roten Wangen und einem breiten grinsen zurück zur Theke ging.
In mir brodelte sofort ein abartig unangenehmes Gefühl auf. War es Eifersucht? Eifersucht auf diese Frau, nur weil sie Manuel zu kennen schien. Ich räusperte mich. Sofort sah Manuel wieder zu mir mit seinen großen grünen Augen. Sie waren so wunderschön. Ich war gefangen von seinem Antlitz, das ich nicht mal bemerkte, als er mir sein Handy vor die Augen hielt. „Ehm.", murmelte ich als ich mich wieder gefasst hatte. Ich las das, was er eingetippt hatte. "Ist alles okay oder fühlst du dich nicht gut? Du bist etwas blass." Ich sah über sein Handy in sein besorgtes Gesicht. „Ich, wenn ich ehrlich bin, naja, ich, ich bin ich nervös.", beichtete ich. Ich konnte spüren, dass ich rot wurde. Er nahm sein Handy wieder zu sich, tippte etwas und zeigte mir es wieder. „Weil, naja, weil ich finde dich, also wie du spielst wirklich wunderbar und ich bin, also du bist für mich so ein kleiner Star, wenn ich ehrlich bin. Ich mag dich, also ich kenne dich nicht aber deine Musik, also wie du spielst." Ich seufzte. Wie peinlich war das bitte, wie ich mich hier verhielt. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte die Flucht ergriffen. Ich wuschelte mir selbst kurz durch die Haare, um mich zu beruhigen. Ich schämte mich so sehr für mich und meine Unsicherheit.
Als ich dort so saß, griff Manuel mir ans Handgelenk und zog mein Arm weg, sodass mein Kopf, den ich darauf abgestützt hatte, leicht nach unten fiel. Ich sah wieder auf und sah, wie er breit grinsend sein Handy zu mir hielt. "Danke dir, dass ist echt süß und es freut mich, dass ich dich so für das Klavier spielen begeistern kann. Spielst du auch ein Instrument?" „Ne, ich bin leider ziemlich untalentiert was sowas angeht.", antwortete ich. Er nickte, trank sein Getränk und tippte wieder etwas ein.
So ging es eine ganze Weile. Er stellte Fragen, ich beantwortete sie. Eigentlich unterhielten wir uns über Musik. Es war eben voll sein Thema. Als er dann aber schrieb, er müsse nun nach Hause, machte sich wieder sofort ein unangenehmes Gefühl breit. Ein Gefühl des Vermissens. „Okay, dann sehen wir uns übermorgen?", sagte ich, was aber eher eine Frage war. Na klar würde man sich sehen. Manuel nickte, stand auf und sah mich auffordernd an. Vermutlich fragte er sich, ob ich noch hier bleiben würde. Schnell kippte ich noch den Rest meiner Cola runter und stand ebenso auf. „Soll ich dich noch irgendwo hin bringen, oder so?", fragte ich aus Höflichkeit. Doch er schüttelte den Kopf und breitete seine Arme zu mir aus. Ich verstand sofort und umarmte ihn. Er roch angenehm nach Früchten und sein Haar, welches mir an der Wange kitzelte, war unfassbar weich.
Manuel drückte mich fest, ehe er mich wieder losließ. Sofort wünschte ich, ich könnte die Zeit um paar Sekunden zurück drehen und dann auf Stopp drücken, damit ich ihn in meinem Arm behalten konnte, solange ich will. „Dann tschau.", murmelte ich. Klang es, als würde ich ihn los werden wollen? Manuel hob seine Hand und winkte, dabei formte er mit seinen Lippen ein Wort, was ich aber nicht deuten konnte. Dann drehte er sich um und verließ die Bar.
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Der Pianist / Kürbistumor
FanfictionSeit über einem Jahr besuchte Patrick die Bar, indem dieser unbekannte Pianist spielte. Er verpasste keinen Augenblick, wo er ihm zuhören konnte, ihm zusehen konnte. Eines Tages beschloss er dann, den Pianisten anzusprechen. Und somit lernte er jem...