Düsseldorf

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Das verfluchte Wochenende nahte und eine rettende Einladung flatterte in mein digitales Postfach. André lud zu einer Launch-Party seines Auftraggebers. Endlich, eine Befreiung. Anne vergessen. Der Tristes meiner Wohnung entkommen, die mich über die Wochen mehr und mehr anödete. Neue Erinnerung sollten die alten vergessen machen.

Das nur kurz unterbrochene, angenehm warme Wetter dieser letzten Augustwoche gewann gegen meinen Trübsinn. Die Sonne heizte die Stadt noch einmal auf. Es ging ein leichter Wind, als ich in das Taxi stieg. Ich genoss diesen sich dem Ende zuneigenden Tag, den Geruch des warmen Asphalts, die Lichter der Stadt, die sich langsam gegen die hereinbrechende Dunkelheit abzeichneten.

André lernte ich vor Jahren bei einem unglaublichen Projekt eines Großunternehmens kennen. Wir litten beide still unter der Last eines uralten Projekts, zu dem wir nur hinzugeholt wurden, weil kein interner Entwickler mehr anfassen mochte. Tote Pferde soll man nicht reiten. Wir wurden für viel Geld angeworben. Wir konnten das Projekt nicht retten. Man stellte es nach einem Jahr wegen Erfolglosigkeit ein.

André und ich freundeten uns in der Zeit an und blieben in losem Kontakt. Wir tranken alle paar Monate zusammen ein Bier und hielten uns auf dem Laufenden. Irgendwann zog André das große Los. Man heuerte in als Chef-Architekten für eine Plattform zum Internet-Schuhverkauf an.

Das Startup wurde von ein paar unglaublich reichen Düsseldorfern finanziert. Sie überließen nichts dem Zufall. Die Plattform lief schon einige Wochen. Heute nun wurde die Marketing-Kampagne offiziell gestartet. Man sprach von einem Budget in doppelter Höhe der Entwicklungskosten.

Ich stieg am Düsseldorfer Hauptbahnhof aus dem überfüllten Regionalexpress und suchte ein Taxi. In Düsseldorf kannte ich mich nicht besonders gut aus. Die Stadt, bei der jeder Vergleich mit Dortmund wehtat.

Das Hotel, an dem wir stoppten, lag hell und einladend erleuchtet in einer Fläche aus weißem, glatten Beton. Ich stieg die Treppen zur Rezeption hinauf und sah ein paar Schlipsträger, die in den Fahrstuhl stiegen. Ein übergroßes Schild zeigte den Weg zur Party. Ich schloss mich den Schlipsträgern an. Sie hatten das selbe Ziel.

Im Fahrstuhl schaute ich in den angenehm getönten Spiegel. Ein ungewöhnlicher Anblick. Ich versuchte einen neuen Look, gefiel mir dieser? Ich trug eine teure Designer-Jeans, ein offenes Hemd, darüber Jackett. Ein Herrenausstatter und ein Friseur stylten mich heute Nachmittag. Kosten spielen heute keine Rolle. Veränderung zählt.

Im Gegensatz zu mir trugen meine beiden Mitfahrer mit ihren rund 60 Jahren marine-blaue Anzüge mit weißen Hemden. Ein akkurater Winsorknoten für die Krawatte. Beide trugen Krawattennadel und goldenen Manschettenknöpfe. Der Größere eine fette Rolex, die ich bisher nur an Brückstraßen-Mitbürgern mit Goldketten sah. Diese hier war echt. Mein Uhrschmuck aus dem oberen dreistelligen Bereich sah dagegen aus, wie aus dem Automaten.

Der Kleinere der Beiden trug einen lichten, grauen Haarkranz. Er überprüfte im Spiegel des Fahrstuhls den Sitz seiner Krawatte und raunte dem Anderen dabei in angemessener Lautstärke zu: "Dann wollen wir mal schauen, was die Jungs auf die Beine gestellt haben." Der Große musterte mich kurz missbilligend und nickte dem Anderen über die Reflexion des Spiegels zu. Die Fahrstuhltür öffnete sich zu einem dezent beleuchteten Raum. Es lief ruhige chillige Musik. Schwarze Ledersessel standen auf einer Empore in der Mitte des Raumes und umrahmten viel zu kleine Tische mit bunt verzierten Getränken.

Die schwarze Bar, die Links vom Fahrstuhl die gesamte Länge des Raumes einnahm, war in blaues und weißes Licht getaucht. Die drei Barkeeper mit ihrem akkurat gegeelten Scheitel und ihren schwarzen Anzügen passten genau hierher. Ein paar kaum unterscheidbare junge Damen mit blondem, strengem Pferdeschwanz, engen Hosen und schwarzen, weit aufgeknöpften Blusen trugen bunte Getränke und Kanapees durch den fast leeren Raum. Einige andere langweilten sich mit den Barkeepern am Tresen. 

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