Zuhause hatte mein weißes Fell immer ein Risiko geborgen, im Herbst war es zwischen den sterbenden Blättern kaum möglich gewesen sich sorglos fortzubewegen, hatte mich pausenlos sorgen müssen.
Doch zwischen all dem Schnee und Eis war ich ein fehlendes Puzzelstück, passte mich meiner Umgebung an wie ein Schatten. Der Geruch gefrorenden Wassers stieg in meine Nase, meine Fußballen wurden von der ungewohnten Kälte durchstochen, meine Muskeln kämpften mit der veränderten Umgebung und doch fühlte ich mich freier als jemals zuvor.
Der Wind pfiff durch die hohen Nadelbäume und die kahlen Äste der wenigen anderen, wirbelte die lockeren Schneeflocken erneut auf ehe sie wieder zu Boden sanken, riss Eiszapfen von dem kargen Gehölz zu Grund wo sie von dem weißen Puder geschluckt wurden, in dem gefrorenden Material schlichtweg verschwanden.
Für ein paar Sekunden befreite der neuartige Schmerz meinen Geist von all dem alten, ließ erneut Leben durch meine Adern fließen. Meine Schritte wurden schneller, ungebändigter. Ich kümmerte mich kaum noch um die Welt um mich herrum, plötzlich schienen nur mein Wolf und ich zu zählen.
Der kraftvolle Atem der Luft in meine Lunge zog, das schnelle Pochen meines Herzens, das Blut das durch meine Ohren rauschte, sich mit dem erbarmungslosen Nordwind im Einklang befand. Ich begann dieses Gefühl zu lieben. Ich begann die Kälte zu lieben.
Das Licht der Sonne war klar und hell, schien den ganzen Himmel lückenlos durch die Wolkendecke einzunehmen, den Schnee noch heller und das tote Geäst, die Opfer des Herbstes, noch dunkler wirken zu lassen, ein ewiges Meer in den verschiedenen Facetten des Grau zu erschaffen.
Fast, nur beinahe hätte ich die verräterischen Laute überhört, die von den vielen, schlanken Kiefern und Fichten widerhalten, das leise Ächtzen des Schnees unter fremden Pfoten.
Wie viele waren es? 4? 5? Ich hatte keine Grenzmakierungen gemerkt, verdammt, ich wusste nicht einmal wie ich sie hätte aufspüren müssen. Ich war ein Rouge, kein Wolf der noch das Recht hatte zu beweisen der nicht dem Wahnsinn verfallen war ehe man ihm das Genick brach.
Und plötzlich wurde meine Freiheit zu einem Todeswettkampf.
Ich versuchte schneller zu werden, meine Hinterläufe schlugen mit immer mehr Kraft gegen die gefrorende Erde, meine Ohren versteckten sich in meinem weichen Fell während ich weiter versuchte anzuspornen.
Erst nach ein paar Augenblicke, Momente die sich anfühlten wie ganz Jahrtausende, vernahm ich ein Heulen, ein langes, bedrohliches Heulen mehrerer Wölfe, eines das durch die ungeschmückten Bäume drang, Kilometer weit, und zurückgeschleudert wurde, ohne ein einziges Wort ein grausames Ultimatum stellte.
Gib auf und stirb.
Nur war dies noch nicht der Moment indem ich bereit war mein Leben einfach wegzuwerfen, nicht ehe ich ihn gefunden hatte, nicht ehe ich ihn ein letztes Mal zu Rede gestellt hatte. Ich würde nicht sterben. Nicht hier. Nicht heute.
Ich knurrte, zwang mich die nächsten Schritte durch das Gehölz, dachte nicht daran aufzugeben. Noch nicht. Noch hatte ich eine Aufgabe. Noch würde ich kämpfen, bis zum meinem Ende.
Ein paar Stunden zuvor hätte ich bezweifelt jemals mit solcher Überzeugung für das einzustehen, was mir wichtig war. Rudellos. Omega. Schwach. Verstoßen. Und denoch hatte ich das Gefühl es in dieser Sekunde mit einem dutzend blutdurstigen Alphas aufnehmen zu können.
Ich schaffte Abstand, Stück für Stück ein wenig mehr, bis zu dem verhängnisvollem Moment als meine Vorderpfote in die Schlinge einer Wurzel geriet, ein ekelerregendes Knacken ertönte, ein beißender Schmerz durch mein Bein zog, ein heftiges, taubes Brennen blieb.
Ich wurde langsamer, jedes Stückchen das ich mein vorderes Bein auszublenden versuchte ein wenig mehr. Mein Vorderlauf pochte, brannte, alles in mir schien, in den Sekunden in denen ich weiterhechtete, danach zu schreien aufgeben zu wollen.
Ein kurzer Blick über meine Schulter. Sie holten auf. Jeden Wimpernschlag verlor ich an Entfernung, nur nach ein paar Minuten genug um ihre Schritte auf dem gefrorenden Boden zu hören, nach ein paar weiteren genug um das Aufeinanderschlagen von Zahnreihen warzunehmen als die Rudeltiere nach meinen Hinterbeinen schnappten.
Ein weiteres Mal ertönte die wortlose Forderung mich zu stellen.
Dieses Mal erfüllte ich sie.
Fünf gigantische Wölfe, die dicken Felle schwarz wie die Nacht, die großen Augen, tief und allwissend wie die einer Eule. Der Größte von ihnen trat knurrend vor, fletschte die rasiermesserscharfen Zähne. Ein Beta, ein Kämpfer.
Ich blickte mich um, sah wie mich die anderen vier umzingelten, mir keine Möglichkeit zur Flucht gaben. Ich hatte keine Wahl. Auch wenn sich meine Rute nun gegen mein Bauchfell presste und ich zu gleichen Teilen verängstigt als auch auffällig zu meinem verletzten Fußgelenk sah stieß ich selbst ein Knurren aus, weigerte mich meinen Kopf länger gen Erde zu richten. Ich war ein Rouge, eine Bestie. Das war es doch was man von mir erwartete.
Das riesige Tier schien beinahe schon von mir ablassen zu wollen, zögerte ein paar Sekunden während die gelben Augen zu einem flüssigen Gold wurden, er mit jemanden kommunizierte, seinen Link nutzte.
Vielleicht hätte er von mir abgelassen wenn ich nicht ein weiteres Knurren von mir gegeben hätte, eher aus Reflex als Überlegung, mit Furcht beobachten konnte wie sich die Muskelmassen unter seinem dichten Pelz erneut anspannten, ihre eigentliche Gefahr präsentierten.
Ein einziger Treffer und er würde mein Genick brechen können wie eine dünne Astgabel, beinahe ohne jegliche Anstrengung.
Mein Herz schlug wie wild, lauter, immer heftiger. Ich wich ein Stück zurück, riss das Maul ein Stück auf. Wie niedrig auch meine Chancen auf einen Sieg stehen mochten, es war nicht so als bot sich mit eine Alternative zur Konfrontation. Er antwortete mit einem Knurren, tiefer als ein Donnergrollen.
"Genug Damien, das ist ein verletzter Omega, kein durchgedrehter Rouge."
Der schwarze Wolf ließ ohne zu Zögern von mir ab, wohl das einzige das mein Verstand realisierte als diese Stimme ertönte. Diese einen Stimme nach der ich gesucht hatte.
Mein Kopf neigte sich zu ihrer Quelle, dem Träger dieser unverkennbaren blauen Augen.
Zu Jared.
Zu meinem Mate.

DU LIEST GERADE
Chasing Mates
WerewolfEigentlich hätte ich mich trotz Werwolfgen selbst immer als typischen Teenie bezeichnet. Nicht viel mehr als heiße Luft und die Alkoholreste des Vorabends im Kopf, in einen Haufen Drama verwickelt das mir in ein paar Jahren vollkommen sinnlos ersche...