11

2.3K 130 1
                                    

Es fühlte sich gut an. Zumindest ließ mein Wolf mich genau das glauben. In Jareds Armen zu liegen, die Welt zu ignorieren. Alles schien in Ordnung. Auf einmal schien es ein Happy End zu geben. Nur waren wir kein Märchen. Und unsere Bund nicht einmal vollendet. Kein Biss an meinem Hals. Keine geschlossende Verbindung.

Ich seufzte, sog den Duft ein der von seinem T-Shirt aus ging. Frischer Regenfall. Ich liebte diesen Geruch, wie er mich an Zuhause erinnerte, die Sicherheit und die Erinnerungen, gute...aber auch schlechte. Schlechte denen ich nun erneut gegenüberstand  "Ich verstehe dich nicht"

Er rieb sich über die Augen, strich mir über den Hals. Dort wo ein anderer Omega längst eine Markierung tragen würde. Wo eine federleichte Berührung reichte um mich vollkommen zu beruhigen. "Es ist...kompliziert"

Ich schnaubte auf, starrte ihm eine Sekunde lang entgegen "Vertrau mir, das habe ich verstanden" seine Fingernägel übten mehr Druck auf den empfindlichen Punkt über meiner Schulter aus, brachten mich dazu alle Muskeln zu entspannen. Wie falsch das hier doch war. Nach allem was er getan hatte.  "Ich hatte keine Wahl Ray"

Ich setzte mich auf "Du hattest die Wahl es mir zu erklären." Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Er lächelte. Eine Mimik die ich nicht für möglich gehalten hätte. Nicht bei ihm. Nicht jetzt.

Und doch war es da, unverkennlich von seinem lichten Bart umrahmt. "Hätte dich das aufgehalten?" Hätte es das? Ich wusste es nicht. Nur, hätte es einen Unterschied gemacht? Ich war hier. Es hatte mich nicht aufgehalten.

"Es wäre einfacher gewesen. Ich hätte mir nicht Jahre lang Vorwürfe gemacht. Geglaubt das ich ein unwürdiger Mate bin. Das du mich verachtest weil ich nicht nur ein Rouge, sondern auch noch ein schwacher Omega bin." Ein Schimmer bildete sich in seinen Augen, sein Kiefer verspannte sich. Wut.

"Diese Dinge wiedersprechen sich. Du bist ein Omega und konntest ohne Rudel aufwachsen. Ich würde diese Aufgabe nicht einmal den meisten Gammas zutrauen." Ich zischte, verschränkte die Arme "Es ist nicht so als hätte ich großen Spielraum gehabt." - "Glaubst du ich hatte eine große Wahl?" Ich stand auf. Er folgte meinem Beispiel.

Die Luft um uns herrum wurde dichter. Die Anspannung war spürbar. Der animalische Part unserer Seele machte sich bereit zu kämpfen. Wir waren Wölfe. Das würden wir immer bleiben. Bis zu unserem letzten Atemzug.

"Ich bin hier, nicht? Ich bin hier und du kannst nichts daran ändern."

Jared baute sich vor mir auf, der Alpha in ihm vollkommen erwacht und ich dem Verlangen ausgesetzt mich winzelnd vor ihm ergeben zu wollen. Zumindest ein Teil von mir. Ein instiktgesteuerter Teil meines Hirnes. Der andere war bereit zu kämpfen.

"Du hast Recht, das Rudel lässt dich nicht gehen. Ich könnte dich nicht wieder nach Hause schicken. Dort wo du sicher bist. Ich kann nichts daran ändern"

Ich wich ein Stück zurück, atmete tief durch. Seine Aura war stark. Sie spielte mit meinem Verstand. Sie sägte an meiner Überzeugung "Es ist meine Pflicht als zukünftiger Alpha dich zu meinem Luna zu beißen und in den sicheren Tod zu schicken. Ich kann dich nicht länger beschützen Ray. Egal wie sehr ich es will. Ich kann deinen Tod nicht mehr verhindern."

Meine Finger gruben sich in meine Handflächen, meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Hinter meinen Augen erstand ein allzu bekannter Druck. Es ergab keinen Sinn. Er ergab keinen Sinn "Du hast unsere erste Verbindung nie gelöst Jared. Du hast mich fast umgebracht. Dein gesamter Lebensstil, all die..."

Er schloss die Augen, drängte seinen Alpha ein wenig zurück. Ich war ein Rouge. Sein Wolf war bereit mir meinen Platz zu zeigen, vollkommen unabhängig von unserem Band oder meiner Position. Trieb ich es zu weit, waren wir Gegner.

"Ich konnte es nicht bersten lassen. Es ist meine letzte Absicherung. Ich musste wissen das du am Leben bist. Ich wollte es brechen. Für den Schmerz den du erlebt hast, jedes Mal wenn ich mich nicht beherrschen konnte und..."

Es war zu viel. Er redete und redete, aber mit jedem Wort verstand ich weniger von dem was er tatsächlich sagen wollte. Spero war erschöpft, ich war es.

"Es tut mir leid Ray. Ich musste." Ich spürte die erste, heiße Spur auf meinen Wangen, dann eine zweite. Sie bahnten sich ihren Weg, herrunter zu meinem angespannten Kiefer, ehe sie wie Regen auf den Boden fielen.

"Wieso dann? Wieso hast du mich wieder und wieder betrogen" meine Fäuste hämmerten gegen seinen Torso, Tränen liefen über mein Gesicht. Er konnte so etwas nicht sagen. Nicht einfach über seine Lippen bringen, als hätte er die letzten Jahre vergessen. Als wäre das alles hier seine Heldentat gewesen. Sein Opfer.

Er war nicht der Ritter in schimmernder Rüstung. Er war nicht einmal ein Alpha, ohne Luna an seiner Seite.

"Weißt du was ich durchstehen musste, jedes Mal wenn du mit einer dieser Huren herrumgevögelt hast? Ich dachte ich sterbe Jared. Ich dachte du bringst mich um!" Der letzte Teil musste im gesamten Rudelhaus zu hören gewesen sein.

"Du kannst micht alles darstehen lassen als wärst du der große Held! Als wäre all das hier nur zum Wohl der anderen gewesen!" Ich hatte kaum noch Kraft in meinen Armen, wusste nicht länger was ich tun sollte. Wusste nicht mehr was ich denken sollte. Nichts. Ich wusste nichts mehr.

"Nein" Ein Wispern, ein leises, kaum hörbares Flüstern war es, was meinen Wutanfall zu seinem Ende brachte.

"Es war für mich. Für mein Wohl" das sonst so selbstzufriedene Gesicht verzog sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse, die mir eine Gänsehaut verschaffte. Sie passte nicht zu ihm. Zu seinem Stolz.

"Ich habe dich verstoßen um mich nicht um dich sorgen zu müssen, den Alphatitel noch nicht annehmen zu müssen und ein Rudel in einen Krieg zu führen, das es nicht überleben wird. Damit niemand den Fakt hinterfragt wieso du den Umbrae ähnelst und ich mich nicht weiter damit beschäftigen muss.

Ich habe Andy in die Sache involviert um meine eigenen Schuldgefühle loszuwerden damit du nicht herkommst und wir beide freie Menschen sind. Ich habe mit diesen Wölfen geschlafen, weil ich dich nicht vergessen konnte, um es mir leichter zu machen. Ich habe dich verletzt um mir Linderung zu verschaffen"

Ich sackte zusammen spürte wie die Tränen erneut ihren Weg über meine Wangen fanden. Es war ungerecht. Das alles. Er war ungerecht, egoistisch. Und doch die Person an die ich bis zum Ende meines Lebens gebunden sein würde. Ich konnte nicht einmal etwas daran ändern.

"Ich will dich hassen können Jared. Ich will es wirklich" und doch konnte ich es nicht. Und doch zwang mich mein Wolf dazu seine so selten Berührungen zu genießen, wie er mich von dem Boden hob, in sein Bett legte, mir über den Kopf strich.

"Es tut mir leid Ray. Es tut mir so leid. Alles" und doch war ich gezwungen die Schuld wahrzunehmen, die er so eben spürte.

Ich konnte nicht an die Vergangenheit denken ohne den Schmerz zu durchleben, der mich all diese Jahre begleitet hatte.

Ich wollte mich nicht auf die Zukunft konzentrieren, nicht die Furcht zu spüren, die Todesangst welche die nächsten Monate, ja vielleicht Jahre dominieren würde.

Also blieb ich im hier und jetzt. In Kanadas tiefster Kälte, mit einem leeren Verstand und meinem Gefährten an meiner Seite.

Chasing MatesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt