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„Wenn ich die Armkette hier behalte, sehe ich dich.. Was wenn ich es ihnen gebe?" zögerlich schob ich das Armband über mein Handgelenk. Rauf und runter.
Denn erst als ich das Teil in der Hand hielt, war er für mich sichtbar. Eine Art Magie hervorgerufen durch einen Engel namens Jonghyun.
„Keine Ahnung. Ich hab das lediglich für dich gemacht, weil ich deine Probleme wahrgenommen hatte. An meine Freunde hatte ich dabei nicht mal gedacht!" Stöhnte mein gegenüber verzweifelt auf, als wir beide aus dem Fenster starrten.
Aber warum?
„Wieso siehst du meine Probleme obwohl du deinen Freunden näher stehst als mir?"

„Weil ich weiß, wie stark sie sind und wie gut sie sich durchkämpfen und deshalb muss ich mich bei ihnen entschuldigen, weil ich nicht genug Liebe für sie übrig hatte um da zu bleiben!" Jonghyun biss sich auf die Lippe und schlug gegen die Scheibe. Deprimiert sank er auf die Knie, sah verzweifelt den Vögeln beim Fliegen zu. Es muss schwer für ihn gewesen sein, mit solch einer Sache zu kämpfen.

„Ya, Jonghyun-ah! Wenn man Depressionen hat, kann man manchmal nicht anders, weil man damit nicht mehr umgehen kann. Manchmal versucht man alle um sich herum glücklich zu machen, obwohl man sich selbst in so einer Zeit lieben sollte und nur weil du keine Kraft mehr dafür hattest, kannst du dir die Schuld dafür nicht geben!" rechtfertigte ich seine Tat und kniete runter zu ihm.
Als sich unsere Blicke trafen, war mir klar was er da fühlte.
Dieser unendliche Schmerz und dieses grausame Leid in seinen Augen war so, als würde es sich direkt auf mich über geben und ich fühlte das gleiche. Diese Dunkelheit und das Gefühl einfach von ihr gefressen zu werden.
Als wäre diese Finsternis eine Schlange und ich ein Hase. Ein solch verhängnisvoller, langsamer Tod. Und das machte Jonghyun und tausend andere ihr leben Lang durch und dann gab es die, die einen Schlussstrich zogen, weil es keine Hilfe gab..
Gott, verdammt seist du, dass du Menschen so etwas spüren lässt!

Ich spürte die Anwesenheit von Jonghyun noch mehr als zu vor, als ich merkte wie er seine Arme um mich legte.
Obwohl er ein Geist war, oder besser gesagt ein Engel, spürte ich die Tränen auf meiner Schulter, die aus seinen Augen flossen.
„Ich wäre so gerne hier, aber alles ist so grausam auf dieser Welt!" schluchzte er leise und klammerte sich an mir fest.
Nicht mal ansatzweise konnte ich mir ein Bild davon machen, wie schrecklich es war ständig zwischen Tod und Leben zu entscheiden, da mir Taeyong diese Wahl genommen hat und das Leben als besser empfand und seitdem dachte ich weniger an das sterben. Bis vor gestern, da war ich diesen Gedanken näher als wie je zuvor.

„Tut mir unendlich leid, aber ich glaube wir schaffen es zu deinen Freunden. Und vielleicht sollten wir erstmal ein bisschen ausprobieren, wie wir dich auf jemanden aufmerksam machen!" erklärte ich hoffnungsvoll und zog Jonghyun mit mir hoch.
Er lächelte wieder breit und auch seine Augen waren mit etwas Freude gefüllt. Das gab mir das Gefühl, für etwas nützlich zu sein. Eine Hilfe zu sein, für jemand der mich wirklich brauchte.
„Gehen wir zuerst zu meiner Familie! Ich sollte meiner Schwester etwas sagen!"
Ich nickte, doch ich zögerte schnell wieder. Ich würde mich miserabel fühlen meinen besten Freund hier zu lassen.
Jonghyun merkte es anscheinend, als er auf mich zuging, dabei legte er seinen Arm um mich und starrte Taeyong genauso verzweifelt an wie ich es tat.
„Ich kann nicht einfach gehen.. was wenn sich sein Zustand verschlechtert??" ich nahm die Hand meines besten Freundes und küsste seine aufgekratzte Stirn, die sonst immer so schön glatt und weich war.
„Schau mal." sagte Jonghyun, als er dem rothaarigen einen Ring anzog, den er davor anhatte. „Solange er ihn anhat, passiert im nichts. Er ist jetzt praktisch wie eingefroren, nur dass sein Herz schlägt." erklären er um fortzufahren. Nochmals küsste ich die Stirn meines besten Freundes, bevor ich etwas beruhigter das Zimmer verließ.

„Was soll ich dann tun? Und wo wohnt deine Familie?" fragte ich um mich genauestens vorzubereiten. Jonghyun lächelte, da er wohl an seine Lebzeiten zurück dachte.
„In einem kleineren Viertel der Stadt, auf dem Berg. Die höchste Stelle. Von da konnte ich den See immer sehen!" beglückt versank er in den Erinnerungen, bis wir an der Bushaltestelle ankamen.
Wir mussten also in den Nord- Osten der Stadt. Um genau zu sein nach Hyehwa-Dong. Die Heimat einer Legende.
„Nach Hyehwa-Dong bitte." meinte ich als ich meine Karte scannen ließ. Der Busfahrer starrte mich erst genervt an, als er dann aufweichte.
„Sorry Kücken. Ich fahr nur bis zum Stadtrand, da ist heut nämlich ein Lichterfest und Fahrzeuge sind verboten." erklärte er, während ich mich einfach an den Eingang setzte. Dicht gefolgt von Jonghyun. Nach einer Weile sprach der Fahrer mich wieder an, schien neugierig zu sein.
„Du möchtest das Grab von ihm besuchen, stimmts?"
Was? Wovon redete er da? Konnte er Jonghyun sehen?!
Ich umgriff das Kettchen, da ich nervös wurde.
„Viele Fans fahren da hin um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Kennst du ihn nicht? Dieser J-Ji-Jong.. irgendwie so.. er war in einer Band.. und starb leider gottes so tragisch." erzählte der Busfahrer, während er an der Kreuzung wartete.
Ist das möglich? Als star, auf einem öffentlichen Friedhof?
„S-Sind sie sich sicher? Ich meine er war sehr bekannt, da ist so ein öffentliches Grab doch nichts für ihn." Jonghyun schwieg, also musste der Typ ja doch recht haben.
„Ob dus glaubst oder nicht, ich war da auch schon. Ich bin ein Fan und außerdem ist die Urne ja abgeschlossen und sicher untergebracht. Schöner Ort für solche Tragödien" klärte der Busfahrer auf und hielt dann an, vor dem Stadtteil.
Ich nickte schnell, als ich ausstieg und mich verbeugte. „Danke, alter Mann." er wank ab und fuhr los, als dann Jonghyun wieder vor mir auftauchte. „Ich dachte deine Beerdigung war gar nicht sooo öffentlich?" verwirrt sah ich mich um und wurde von den wunderschönen, bunten Lichtern umgehauen. Wieso konnte ich in diesem Bezirk nicht wohnen?! Bei uns waren Überfälle die Tagesordnung.

Diphylleia Grayi // KIM JONGHYUN Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt