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„Könntet ihr Jonghyun noch einen kleinen Gefallen tun?"

Sie wurden hellhörig, auch Jonghyun.
Mrs Kim kam nun ebenfalls auf mich zu, sah mich neugierig und fragend an, bevor sie antwortete.
„Alles."
Ich nickte kurz. Meine Augen suchten Jonghyun, der vor seiner Kerze saß und sie unheimlich verliebt ansah.
Es bedeutete ihm so, so viel hier zu sein.
Plötzlich richteten sich seine Augen auf mich und seine Lippen formten ein Lächeln.
„Nicht nur ihr, sondern er möchte auch seinen alten Bandmates etwas ausrichten...könntet ihr mir vielleicht-„ sie packten beide meine Hände und nickten eifrig „Natürlich! Sie vermissen ihn auch so sehr." Jonghyuns Mutter weinte wieder, als sie sich zu ihrem Sohn drehte, der sie lächelnd ansah.
Ich war verliebt in dieses Bild.
Konnte es bitte so bleiben? Sie brauchten ihn..

„Aber.. wie sollen wir das anstellen?" fragte Sodam etwas verwirrt, während sie nachdachte.
Sie hatte recht. SHINee war eine bekannte Band und wir konnten sie nicht einfach hier her bestellen und ihnen eine Geistergeschichte von Jonghyun erzählen. Dann hatten wir auch nur diese eine Armkette die nicht für alle reicht.

Plötzlich meldete sich Jonghyun zu Wort, der sehr überzeugt klang „Erstmal bringen wir sie alle zusammen. Den Rest müsst ihr mir überlassen." Er blinzelte kurz durch die Runde und nickte dann vor sich hin „ich hab nur keine Ahnung wo die sind.."
Seine Mutter lächelte kurz, so als hätte sie eine großartige Idee und die hatte sie auch.
„Ich pflege viel Kontakt mit Kibum und Jinki seit du.. weg bist!" Sie hob ihr kleines, veraltetes Handy hoch, wo ein Chat mit vielen Nachrichten gezeigt wurde.
Sodam nickte einstimmend und hob ebenfalls ihr Handy. „Sie schauen wöchentlich bei uns vorbei." erklärte sie und gab mir kurz ihr Handy mit dem ganzen Chat.
Und es war wirklich unglaublich wie sehr sie ihn vermissten. Mein Blick huschte zu Jonghyun, dessen Miene trüber wurde. Die Trauer überfiel ihn wieder.
Ich zeigte ihm einen kleinen Teil des Chatverlaufs, was ihn etwas erleichterte.
„So sauer sind sie nicht." meinte er schnaufend und drehte sich dann zu seiner Familie.
„Sie kommen beide immer Sonntags." seine Mutter begann plötzlich zu weinen, da sie wohl wusste, dass wir für jetzt wieder gehen mussten.
„Wir kommen nochmal. Bis dahin, auf Wiedersehen Familie Kim!" ich verbeugte mich und überließ Jonghyun den Abschied und nahm kurz darauf die Armkette wieder an mich.

Schmerzerfüllt lief ich die Straßen entlang und hielt meine eigene Trauer zurück.
Mir ging Taeyong seit einigen Minuten wieder pausenlos durch den Kopf und ich sorgte mich so sehr um ihn. Ich hatte nicht gehen sollen, ohne sicher zu gehen, dass wirklich alles gut ist. Der Ring versprach mir keine Sicherheit.
"Wieso lässt du es nicht raus?"
„Was??"
„Na deine Tränen!"

Ich blieb stehen. Mein Kinn klappte auf und ich begann ganz langsam zu weinen, ohne auf mein Umfeld zu achten. Ich schniefte hier und da lauter und leiser und zitterte wie wild.
Jonghyun zog mich die letzten Meter und musste mich in den Bus rein schieben.
Auf der ganzen Fahrt weinte ich Pausenlos und mir wurde schwindelig.
Dann machte mich der Busfahrer plötzlich aufmerksam. „War es hart, am Grab?" fragte er, derselbe Fahrer von vorhin.
Ich wusste zuerst nichts zu sagen, doch dann nickte ich.
„Ist es auch jedesmal für mich. Ich vermisse seine wunderschönen Texte." der alte Mann verlor sich für einen Moment in seinen Gedanken, als ich zu Jonghyun sah, der schockiert zum Busfahrer sah.
„Er hat mir zugehört." hauchte er überrascht.
Ich nickte und wandte mich wieder zum Fahrer.
„Ich hab damals 'let me out' gehört und war hin und her gerissen vom Text. Da hab sogar ich bitter geweint."
Von dem Text wusste ich nichts, aber der Titel sagte mir schon einiges, also stimmte ich verletzt zu. „Muss schlimm sein." entgegnete ich diesmal, was den Fahrer zu mir gucken ließ.
„Es war schlimm, ja."

Die Fahrt endete vor dem Krankenhaus, als ich mich dankend verabschiedete und sofort los rannte. Trotzdessen, dass ich so schwache Beine hatte, machte ich keine Pause, lief sogar die Treppen hoch, bis ich am Zimmer ankam und sie aufriss.
Ich war so erleichtert als ich Taeyong immernoch daliegen sah und die Werte in Ordnung waren.
„Danke Gott.." murmelte ich und griff nach der Hand meines besten Freundes, die ich so vermisst hatte.
„Hey! Dank mir!" Jonghyun schnipste mir gegen den Kopf und zog daraufhin den Ring von Taeyongs dünnen, schmalen Fingern.
„Er muss wirklich mehr essen, das ist schon gefährlich!" schimpfte der Engel und sah sich meinen Freund erneut genau an.
Er schüttelte den Kopf und ging dann auf die Geräte zu, an die Taeyong angeschlossen war.
„Ärzte. Die haben keine Ahnung von gar nichts. Der Arme hungert sich im Koma tot." er tippte hier rum und drückte da ein paar Knöpfe.
Dann füllte sich ein Schlauch mit grün- brauner Flüssigkeit, die zu Taeyongs Mund führte.
„Ist das..Essen??" erkundigte ich mich unsicher. Jonghyun nickte eifrig und fuhr Taeyong durch die Haare.
„Ihm fehlt eine Familie, dir fehlt eine und euch fehlt Zuneigung und Vertrauen."
Verwirrt starrte ich ihn an und zuckte dann die Schultern. Er lachte kurz auf und blickte dann wieder aus dem Fenster, zum Himmel rauf. Er wollte wohl ins Paradies zurück.
„Zwei Menschen die dasselbe erleben und sich gegenseitig unterstützen, gehören zusammen." dann drehte er sich wieder zu uns.
„Das nennt man Seelenverwandte." sagte er und versetzte mich damit in Schock. Wie wollte er das wissen. Er lächelte weit und sendete uns Luftküsse zu.
Ich wank nur ab und schüttelte betrübt den Kopf. „Nur Freunde. Gute, Gute Freunde."
Eine enge Freundschaft und mehr brauchte ich gar nicht, weil es anders vielleicht nicht so gut gehen würde.
Vielleicht verstehen sich zwei kaputte Menschen gut, aber es heißt nicht, dass sie gut einander lieben konnten.
Das hieß es zumindest für mich, ehrlich gesagt.
Und ehrlich gesagt war ich auch zu Beginn in ihn, Taeyong, verliebt. So, so sehr. Doch ich unterdrückte die Gefühle, aus Angst, ich würde alles damit zerstören und ich tat das einzig richtige. Denn jetzt waren wir unzertrennlich und waren gemeinsam so stark.. bis jetzt. Wo ich zu schwach für meinen besten Freund war. Er lag letztendlich nur wegen mir hier, weil ich nicht genug auf ihn geachtet hatte.

Diphylleia Grayi // KIM JONGHYUN Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt