Bedingungslose Freundschaft

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{ ..Mejibray }
(Koichi und Tsuzuku)

Um kurz nach 1, mitten in der Nacht, gab Koichis Computer ein kleines Piepen von sich. Der Bildschirm schimmerte sanft und unnatürlich in der Dunkelheit seines Zimmers. Koichi selbst saß auf seinem Bett, den Blick zuerst aus dem Fenster gerichtet, das ihm Tokios Nachtleben zeigte, dann jedoch auf seinen Computer, dessen Licht ihn fast blendete.

Wer mochte ihm bloß um diese Uhrzeit eine Mail schicken? Zuerst wollte er nicht nachschauen, sein Körper schien bereits in einem Zustand vollkommener Entspannung zu sein und er hatte nicht den Eindruck, es überhaupt zu schaffen, sich von seinem Bett zu bewegen. Doch dann siegte die Neugier und schließlich stand er doch auf, um zu sehen, wer ihm gemailt hatte.

Absender: Tsuzuku
Betreff: neue Lyrics

Hey Koichi,

Du schläfst vermutlich. Ich hab grade bisschen geschrieben, ist noch nicht überarbeitet oder so. Ich wollte dich nur mal fragen, was du bis jetzt davon denkst. Einen Titel weiß ich auch noch nicht. Irgendwas mit Sou to utsu no kyokai. Passt glaub ich, oder? :D

Oh Mann, ich weiß auch nicht. Schlaf gut!

LG
Tsuzuku

Im Anhang war ein Worddokument.

Koichi öffnete es und überflog die Zeilen. Es kam nicht selten vor, dass der Sänger ihm neue lyrics schickte, damit er sie durchgehen und vielleicht Verbesserungsvorschläge geben konnte. Doch als er diesen Text las, überkam ihn ein so ungutes Gefühl. Ihm wurde eiskalt, obwohl es so warm in seinem Zimmer war.

Da wurde ihm klar, dass es seinem Kumpel nicht gut gehen musste. In diesem Moment, in dieser Nacht, die scheinbar wie jede andere war, war Tsuzuku gefangen in seinen Gedanken. Gedanken, die ihn nicht ausmachten, doch so sehr einnahmen, dass es sich so anfühlte, als wäre das, was er dachte, wirklich real.

Die Sorge wuchs in Koichi, sodass er eine kleine Mail zurück schrieb.

Hey, alles okay? Soll ich dich anrufen oder rüberkommen?

Dann fiel ihm ein, dass es wohl praktischer war, eine SMS zu schreiben, also schickte er dem Sänger noch einmal den gleichen Text per Handy.

Ich weiß nicht, war Tsuzukus Antwort per SMS.

Danach kam direkt noch eine Nachricht von ihm.

Ich fühl mich nicht gut.

Ich komme zu dir, tippte Koichi schnell ein und schnappte sich Schuhe und Jacke. Wenn es seinem Freund nicht gut ging, dann war er da, egal zu welcher Zeit! Das empfand er als seine Pflicht, denn Freunde halfen sich gegenseitig. Tsuzuku hört ihm schließlich auch immer zu, wenn ihn etwas bedrückte.

Er stieg in sein Auto, das in der Tiefgarage unter dem Gebäude mit seiner Wohnung geparkt war. Und so schnell er konnte und es der Verkehr zuließ, denn auch nachts war in Tokio nicht wenig los, fuhr er zu Tsuzuku.

Der Sänger saß auf dem Teppich im Wohnzimmer, den Rücken an sein Ledersofa gelehnt. Neben ihm auf dem Boden lag sein Laptop, aufgeklappt und leicht schimmernd in der stillen Dunkelheit.

„Hey", sagte Koichi leise, ängstlich, zu laute Worte würden diese unsichere Situation zu Bruch bringen. Er kniete sich neben Tsuzuku, dessen Augen ganz rot waren. Er atmete schwer, so als hätte er sich gerade eben noch so sehr angestrengt, dass er nach Luft schnappen musste.

„Ich könnte auch einfach sterben", sagte Tsuzuku, den Blick starr auf die Wand gerichtet, an der ein großer Fernsehbildschirm angebracht war.

„Tsuzuku", flüsterte der Bassist. „Das stimmt doch nicht."

„Es macht aber auch keinen Sinn, hier zu bleiben, wo alles so sehr weh tut. Und ich mir selber am meisten", entgegnete sein Kumpel.

„Nein. Hör zu, das sind bloß Gedanken, fiese Gedanken. Das bist nicht du", sagte der Pinkhaarige etwas eindringlicher.

„Wer bin ich dann?", fragte Tsuzuku und seine Stimme klang so verzweifelt und hoffnungslos. „Ein Niemand. Bloß ein weiterer unwichtiger Mensch, der einfach nichts hinbekommt."

„Tsuzuku, du bist einer der tollsten Menschen, die ich kenne!", versicherte Koichi, dabei wusste er, dass seine Worte, wenn sie auch ernst gemeint waren, ihn nicht richtig erreichen konnten. Denn die Lautstärke der eigenen, zerstörenden Gedanken, ließen die Wahrheit nicht mehr durch. „Du bist so ein guter Mensch, du machst unendlich viele unserer Fans glücklich, deine Texte helfen ihnen. Du hast schon so viele Leben gerettet! Aber was am wichtigsten ist, du hast schon so oft dich selbst gerettet. Du bist so mutig und stark, du schaffst es doch immer wieder!"

Vorsichtig legte er einen Arm um den Sänger und zog ihn an sich heran. Dieser fiel ohne Widerstand gegen seinen Oberkörper und kuschelte sich an ihn, wie ein kleines Kind.

„Ich bin so stolz auf dich", hauchte Koichi, das Gesicht von dem blassen Mond am Nachthimmel beleuchtet.

„Bleibst du bei mir?", fragte Tsuzuku mit zitternder Stimme. „Für immer?"

„Ja, natürlich", versicherte Koichi. „Ich werde dich niemals alleine lassen!"

Denn sie waren Freunde und er hatte Tsuzuku so unendlich lieb. Er wollte ihn retten und das war schwer. Doch für ihn würde er die nötige Kraft finden, um Tsuzuku wieder zum Lachen zu bringen, zum Leben zu bringen.

Visual Kei OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt