Die Puppe II

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Teil 2

{ ..Mejibray}
(Mia und Meto)

In Mias Wohnung angekommen, schickte er den kleinen Meto zuerst einmal im das Badezimmer. Ein Handtuch und einen provisorischen Jogginganzug warf er hinterher. Doch als er nach fünf Minuten immer noch nicht den kleinsten Laut aus dem Raum gehört hatte, wurde er doch etwas skeptisch und öffnete vorsichtig die Tür.

„Hey, Kleiner", sagte er ein wenig verwirrt, als er sah, dass Meto sich auf den Rand der Badewanne gesetzt hatte und ratlos auf das Handtuch auf seinem Schoß schaute. Er sah aus, als hätte er absolut keine Ahnung, was er denn hier tun sollte.

„Soll ich dir... etwa helfen?", fragte Mia zögernd, denn er hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie er das überhaupt tun sollte. Zudem fehlte ihm die Motivation dazu, war es doch tatsächlich schon ziemlich spät.

Doch Meto nickte nur zweimal schwach und umklammerte ein wenig hilflos das Frotteetuch. Also trat Mia vollständig ein und schloss die Tür sachte hinter sich, hatte er doch das Gefühl, dass zu laute Geräusche den kleinen zu sehr aus seinem Konzept bringen würden.

„Wir ziehen dir erstmal das dreckige Kleid aus, ja?", fragte der Gitarrist und zupfte an dem zerrissenen Kleidungsstück, das vermutlich ursprünglich ziemlich hübsch gewesen war.

Schweigend stand Meto auf und ließ sich protestlos das Kleid über den Kopf ziehen. Darunter trug er nur noch eine gerüschte Unterhose und hohe, ehemals weiße Strümpfe, sowie seine Schuhe. Doch das, was Mia augenblicklich ins Stuzen brachte, war die Haut des kleinen Mannes. Wie auch sein Gesicht und die Arme, war sein Oberkörper fast schneeweiß, ohne jegliche Makel. Jedoch hatte er vorher nicht gemerkt, wie hart und kalt die Haut war. Hart, wie Porzellan, und kalt, als würde kein Leben in ihr stecken.

Als wäre das kleine Häufchen Elend vor ihm bloß eine Puppe.

„Was... ist bloß mit dir?", murmelte er ein wenig erschrocken und strich mit einem Finger zaghaft über den nackten Oberkörper, als würde dieser wie Glas zerbrechen, wenn er zu feste drückte.

Meto schaute ihn nur fragend an und streckte dann seinen Finger aus, um ihn an Mias Brustkorb zu legen, der hinter einem Hemd verborgen war.

„Schon gut", sagte der blonde Gitarrist schnell und machte sich dann daran, die Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Bei der Unterhose hielt er kurz Inne, schließlich war er sich nicht sicher, ob Meto das überhaupt wollte. Doch dieser ließ die Prozedur kommentarlos über sich ergehen, mal davon abgesehen, dass Meto sowieso nichts sagte. Zudem waren sie beide Männer, da sollte sich doch niemand an etwas stören. Also zog Mia schließlich auch die Hose hinunter.

Nun half er Meto, sich in die Badewanne zu stellen, nahm dann den Duschkopf zu Hand und begann, ihn vorsichtig nass zu machen, denn auch hier war er sich nicht sicher, wie dieser reagieren würde. Doch dem Kleinen schien das Wasser nichts auszumachen, also benässte er die Haare, den Oberkörper, die Arme...

Aber konnte das denn sein? Das Weiß von Metos Haut verflüssigte sich, lief in feinen Tropfen und Schlieren an dessen Körper hinab und verschwand kaum sichtbar in dem silbernen Abfluss.

Das warme Wasser trug all die weiße Farbe mit sich und offenbarte Tattoos. Bunte, wunderschöne Tattoos, die die Haut des Kleinen, die zwar abgesehen davon immer noch blassweiß war, in kleinen oder auch größeren Formem zierte.

„Was bist du bloß?", hauchte Mia verwundert und er kam nicht umhin, sanft über die nackten Arme seines Gegenübers zu streichen, fasziniert von der Kunst, die auf ihnen verewiglicht war.

Meto hob seinen Arm und beäugte die Tattoos, strich ebenfalls über die Linien, dann schaute er Mia an, als würde er fragen wollen, ob denn etwas nicht stimme.

„Es ist alles okay", erwiderte dieser und fuhr dann mit dem Waschen fort. Und dennoch türmte sich in seinem Kopf langsam ein Berg von Fragen.

Was hatte der Kleine vollkommen allein in der Gasse gemacht? Wieso hatte er bis jetzt denn kein einziges Wort gesprochen? Und warum war seine Haut so kalt und hart? Er war doch nicht wirklich eine Puppe?

Nachdem Meto sich abgetrocknet und den Jogginganzug angezogen hatte, stand er vor dem beschlagenen Spiegel, während Mia versuchte, seine verknoteten Haare zu kämmen. Die Haarpracht war beeindruckend! Und gleichzeitig ein Ungeheuer.

„Sag mal, Meto", sagte Mia. „Wie alt bist du eigentlich?"

Meto zögerte, doch dann streckte er seinen Arm aus und schrieb auf den beschlagenen Spiegel: 1994

Das hieß wohl, dass Meto in diesem Jahr geboren wurde. Dann war er ja kaum jünger, als Mia! Und trotzdem sah er aus, wie ein Kind. Ein kleiner Junge mit Tattoos und sehr weiblichen Zügen.

Als Meto dann frisch gebadet und deutlich anschaulicher, aber immer noch stumm auf dem Sofa in dem Wohnzimmer von Mias Wohnung saß, taten sich allerdings neue Fragen auf. Hatte er Hunger? Was isst denn so jemand, wie er? Und wo würde er schlafen?

Mia, den mittlerweile die Müdigkeit übermannte, durchforstete seine Küche nach Essbarem und kam schließlich mit einer Packung Toast, einem Apfel und einer Wolldecke zurück. Er platzierte das Essen auf dem Tischchen und legte die Decke neben Meto hin.

„Hier, das kannst du essen. Und wenn du müde wirst, dann kannst du auf dem Sofa schlafen, okay?", erklärte Mia müde.

Meto nickte und griff nach dem Apfel, knabberte etwas unsicher an der Schale. Für einen Moment beobachtete der Gitarrist noch den schwerfälligen Essensprozess, doch dann siegte die Müdigkeit. Er verabschiedete sich von dem Kleinen und lief hinüber in sein Schlafzimmer. Dort ließ er sich mit einem Seufzer auf das Bett fallen, immer noch in seinen Klamotten, doch für das Umziehen fehlte ihm jetzt die Kraft.

Verwirrung durchflutete ihn. Fragen, so viele Fragen. Und irgendwo ein Hauch unverständlicher Traurigkeit. Denn er wusste, dass Meto gehen musste, bald, wenn er sich an sich selbst erinnerte und merkte, dass sein Platz woanders war. Aus irgendeinem Grund hatte sich der Kleine in sein Herz geschlichen. Nicht wie Kinder es taten, doch anders. Obwohl sie sich keinen Tag kannten. Mia wollte ihn nicht weggehen lassen.

Nie wieder, hallte es in seinem Kopf, während er einschlief.

Visual Kei OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt