Die Puppe I

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Teil 1

{ ..Mejibray }
(Mia und Meto)

Goldene Sonnenstrahlen fielen auf die Erde, schräg und fast parallel. Sie tauchten die Stadt in diese schläfrige Stimmung, die nur an wenigen Abenden so intensiv zu spüren war. Die Strahlen wurden eingefangen von Hochhäusern, doch das Licht spiegelte sich hell in den gläsernen Wänden, die die Stadt so modern, fast elegant wirken ließen. Hinter den verspiegelten Fenstern würde man Büros vorfinden, Büros und Konferenzräume, vielleicht Hotelzimmer in denen selbst die Türklinken ein Vermögen kosten mussten, doch all das interessierte Mia eher wenig.

Mia hatte nie in eines der Büros gewollt. Er hatte sich nie für diese Jobs interessiert, die täglich gleich abliefen, ein ewiger Kreislauf von Papierarbeit und Telefonaten. Niemals hätte er so eine Zukunft gewollt.

Nein, Mia war einer der Menschen, die ein Ziel vor Augen hatten. Ein Ziel, für einige vielleicht bloß eine Träumerei, für das er gekämpft hatte. Und hier war er und lebte, die Gitarre mit dem Gurt über seine Schulter geschwungen und nie wurde er dieses Lächeln los. Ein Lächeln das sagte: Jetzt schaut mich an! Denkt ihr immer noch, ich würde es nicht schaffen?

Und dennoch war diese Woche anders gewesen. Nein, eigentlich nicht bloß diese Woche. Es hatte sich angeschlichen, dieses Gefühl. Schon seit Monaten war es immer da gewesen, war stärker und stärker geworden und hatte ihn mittlerweile regelrecht runtergezogen. Ein Gefühl von sentimental goldenen Sommerabenden. Ein Gefühl das ihm klar machte, dass etwas nicht richtig war, so wie es war, dass er etwas ändern musste. Jedoch wusste er nicht wirklich, was es war.

An diesem Abend lief Mia durch die Stadt. In letzter Zeit tat er das oft. Er lief alleine, durch die Einkaufsstraßen, die ihm zu voll und laut erschienen, mit all der blinkenden Reklame, den hetzenden Menschen. Oder durch den Park, der ihm zu leer war, war er dort doch häufig völlig alleine mit den Bäumen und den Vögeln.

Mia lief alleine. Und vielleicht merkte er dadurch irgendwann, wie einsam er eigentlich war. Er hatte zwar seine Gitarre, seine Musik und seine Fans, er hatte andere Musiker, mit denen er schon viele schöne Stunden erlebt hatte, sowohl auf als auch vor der Bühne. Und trotzdem war da doch diese Einsamkeit, die ihn tief in seinem Inneren nicht losließ.

Mia ging durch die kleineren Straßen. Ein wenig gedankenverloren, wenn nicht sogar etwas traurig. Kleine Hinterhofkneipen lockten mit Ramen und Bier. Vereinzelt kreuzte ein glücklich kicherndes Pärchen seinen Weg.

Er lief um eine Ecke und blieb ein wenig erschrocken stehen. Da saß jemand auf dem Boden. Zuerst dachte er, es wäre ein Mädchen. Das schwarz gepunktete Kleid und die langen blonden, wenn auch ziemlich zerzausten Haare ließen schnell diesen Eindruck erscheinen. Und doch hatte die Person noch etwas männliches an sich. Die Person, die anscheinend noch ein Kind war, schaute auf und blickte Mia mit großen Augen an. Seine Lippen waren zusammengepresst, als müsste es die Tränen so zurückhalten.

Wer lässt denn einfach so ein Kind hier sitzen?, fragte sich Mia, als er das kleine Häufchen Elend noch einmal genauer betrachtete und dabei etwas ratlos die Augenbrauen zusammen zog. Der Saum des Kleides mit dem breiten Rock war verschmutzt, sodass es dort nicht mehr weiß, sondern braun war, an einer Stelle war es sogar eingerissen.  Die Beine des Kleinen waren nicht zu sehen, da er sie wohl unter dem Kleid angezogen hatte. Er war geschminkt, jedoch war das Schwarz um seine Augen total verschmiert. Ansonsten war seine Haut sauber, ja fast makellos und irgendwie unecht weiß. Im Arm hielt er einen kleinen, etwas verschmutzt wirkenden Teddybären.

Der Junge sah Mia so unendlich traurig und verzweifelt an, dass dieser unmöglich hätte weitergehen können. Also druckste dieser noch etwas herum und ging dann unschlüssig in die Hocke.

„Na, wer bist du denn?", fragte Mia und lächelte den kleinen freundlich an.

Er antwortete nicht, schaute bloß stumm zurück und begann kaum merklich zu zittern. Hatte doch wohl nicht etwa Angst vor Mia? Dabei konnte letzterer sich das nicht verdenken. Er hatte nie viel mit Kindern zu tun gehabt und diese Situation überforderte ihn jetzt schon. Doch er konnte nicht einfach abhauen. Schließlich hatte er doch alle Zeit der Welt und dem Kind musste nun einmal geholfen werden.

„Wo sind deine Eltern?", fragte Mia.

Der Junge in dem Kleid zuckte kaum merklich mit den Schultern. Seine Augen wurden wässrig.

„Wo wohnst du denn?", hakte Mia weiter nach.

Doch er schüttelte den Kopf, erst leicht doch dann immer stärker. Daraus schloss Mia, dass er entweder nicht nach Hause wollte oder gar nicht erst eins hatte.

Das arme Ding.

„Möchtest du mir denn nicht wenigstens sagen, wie du heißt?", fragte Mia und langsam machte sich Verzweiflung in ihm breit.

Der kleine öffnete seinen Mund, die roten Lippen zitterten leicht. Doch dann schloss er ihn wieder und bewegte stattdessen seine weiße, makellose Hand, um etwas in den staubigen Boden zu schreiben.

M E T O

stand dort in großen, etwas wackeligen Buchstaben.

„Meto also", murmelte Mia. Kurz schaute er sich um, ob in der Nähe nicht doch ein Elternteil des kleinen zu sehen war. Doch weit und breit war keine Menschenseele zu finden. Da beschloss Mia, dass das kleine, verschreckte Häufchen vor ihm hier nicht einfach so liegen bleiben konnte. Nachher wurde er krank oder noch schlimmer, er verhungerte, weil ihm niemand half.

„Möchtest du mit mir kommen? Du kannst ja nicht einfach hier bleiben", schlug Mia wenig überzeugend vor. „Ich nehm dich erstmal mit zu mir und dann sehen wir weiter, okay?"

Meto zuckte leicht zurück. Mit so etwas hatte er wohl nicht gerechnet. Doch dann, nachdem er Mias ausgestreckte Hand und sein liebevolles Lächeln sah, beugte er sich langsam nach vorne, ergriff die Hand und ließ sich hochziehen auf seine wackeligen Beine. So wackelig, dass er sich an Mia festklammern musste, um nicht hinzufallen.

So machten sich die beiden langsam und Schritt für Schritt auf den Weg zu Mias Haus.

Visual Kei OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt