Sie jubelten. Es war ein Geräusch, das er gut kannte. Das rasche Anschwellen der Rufe, häufig weibliche Stimmen, ausgelöst von den ersten Tönen des Liedes. Es war nur ein kurzes Jubeln, ein Ausruf der Vorfreude auf das eben begonnene Lied.
Das Klavier spielte weiter, erfüllte den ganzen Saal, wie es auch das blaue Licht tat. Blau war schon immer die Farbe gewesen, die das alles, das Leben, wohl am besten beschreiben konnte.
Er stand nur da. Es war kein Lied zum Tanzen, nein. Die sanften Töne lösten eher etwas anderes in ihm aus. Etwas, das ihn dazu brachte, seine Hand fester um das Mikrofon zu drücken, als wäre es sein einziger Halt. Die Finger der anderen Hand spielten nervös miteinander. Es war sein Lied, er hatte den Text geschrieben, er hatte es schon so oft gesungen, eigentlich sollte er kein Problem mehr damit haben. Aber das war ein Gefühl, das nie verschwand, denn das Lied war die Wahrheit. Es war eine Erinnerung. Und manchmal wünschte er sich, sie nicht mehr durchleben zu müssen, begleitet von dem blauen Klavier.
Erste Strophe. Das Licht war nur auf ihn gerichtet. Er konnte kaum etwas sehen, was außerhalb des Lichtes war. Zudem schloss er die Augen. So war es besser, oder? An einem anderen Ort sein. Singen, einfach singen.
Dann Pause, Klavier. Er ließ die Hände wieder sinken, den Kopf nach unten gerichtet. Seine Tattoos leuchteten blau in dem schummrigen Licht, das den Song begleitete. Blau.
Luft holen. Mehr, um Mut zu sammeln, für die nächsten Zeilen. Dann sang er weiter, die Hand fest um das Mikrofon gehüllt. Die Emotionen in seiner Stimme kamen ganz von alleine, ausgelöst von Erinnerungen und Gefühlen, die immer noch echt waren. Dabei war sein Körper so angespannt.
Er wusste immer noch nicht, ob er das wollte. Natürlich, die Fans wollten es, aber das war eine andere Sache. Es war sein Lied. Musik half ihm, klarzukommen. War es also richtig, sich immer wieder und wieder in diese Situation zu schmeißen? Zu fallen in das endlose Blau?
Sie waren alle so still. Er konnte es spüren, wie ergriffen sie waren. Da war nur noch er, seine Stimme und das Klavier. Er legte alles hinein, war gar nicht mehr an diesem Ort. Es war ein seltsames Gefühl, als würde sich die Musik um ihn legen und davon tragen. An einen Ort, der nicht zwangsläufig besser war, als die Welt. An einen Ort, der nur aus Erinnerungen zu bestehen schien. Manche schon verblasst. Ein Zug in die Vergangenheit, getragen von Notenlinien.
Weinen. Nicht weinen! Sie konnten ihn doch alle sehen. Aber war das nicht letztendlich egal. Kurz wischte er sich durch sein Gesicht, atmete zitternd durch. Dann sang er weiter.
Aber die Gefühle, sie zerrissen ihn! Er hätte lieber geschrien, als dieses ruhige Lied zu singen. Seine Hand schnellte zu der Stelle. Man konnte die schnellen Schläge im ganzen Saal hören. Nur den Schmerz, der bei weitem nicht wie früher war, spürte er ganz für sich alleine. So wie nur er allein wusste, wohin ihn dieses Lied jedes Mal brachte.
Und das wars. Das Klavier spielte noch, aber er war fertig. Er ließ beide Arme sinken, stand nur da, als hätte er sich nicht bewegt, in dem Schein des blauen Lichtstrahls. Er atmete schwer. Geschafft. Geschafft.
Dann sah er auf. Das Lied endete, das Licht erlosch. Und eine Welle des Applauses stürmte über ihn herein. Er wusste, sie feierten das Lied, seine Stimme, ja vielleicht sogar ihn. Und trotzdem blieb da der Gedanke.. Über so etwas sollte man sich nicht freuen.
Jealous.
Dir En Grey
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Visual Kei Oneshots
FanfictionIn diesem Buch werde ich meine kürzeren Visual Kei Fanfictions veröffentlichen. Es werden kleine lustige, traurige, niedliche oder auch ernste Geschichten von meinen Lieblingsbands sein. Schaut doch gerne mal rein!